Sintra-Konferenz

Zukunft der Inflation sorgt für lebhafte Debatte

Ist der seit Jahresanfang unerwartet starke Inflationsanstieg weltweit ein rein temporäres Phänomen oder doch dauerhafter? Auch beim Sintra-Forum der EZB prallen da unterschiedliche Meinungen aufeinander.

Zukunft der Inflation sorgt für lebhafte Debatte

ms Frankfurt

Ist der seit Jahresanfang deutliche und sogar unerwartet starke Inflationsanstieg weltweit ein rein temporäres Phänomen oder doch dauerhafter – und vielleicht sogar der Beginn eines neuen Inflationsparadigmas? Kaum eine andere Frage treibt Marktteilnehmer, Ökonomen und Notenbanker derzeit mehr um als diese. Die Meinungen gehen dabei teils weit auseinander. Nicht anders war das am Dienstag bei der prominent besetzten Diskussion zur „Zukunft der Inflation“ zum Abschluss des ersten Tages der virtuellen Sintra-Konferenz der EZB – was für eine lebhafte Debatte sorgte.

IWF-Chefvolkswirtin Gita Gopinath argumentierte, dass die hohe Inflation vor allem auf Sondereffekte zurückgehe. Schon Ende 2022 werde sie sich wieder normalisiert haben. Für einen dauerhaften Inflationstrend fehle vor allem die Lohninflation – selbst in den USA, wo sich die Teuerung seit Monaten oberhalb von 5% hält. Die Inflationserwartungen seien zudem weiter „gut verankert“. Zugleich verwies sie aber auf „Aufwärtsrisiken“ für die Inflation, wie etwa die weltweiten Lieferengpässe. Das gelte vor allem für die USA.

Gopinath warnte sogar, dass es im schlimmsten Fall zu einem „perfekten Sturm“ kommen könne, wenn Preisschocks in einigen Wirtschaftssektoren und bei Rohstoffen zusammenfielen und die Verbraucher ihre Inflationserwartungen anpassten. Dann gebe es sogar ein „tail risk“, dass die Inflation Niveaus „wie seit einigen Jahrzehnten nicht“ erreichen könnte – mit zweistelligen Raten. Ihr klarer Appell deshalb: Die Notenbanken müssten ihren Willen zur Wahrung der Preisstabilität „klar kommunizieren“ und im Zweifelsfall den Worten auch Taten folgen lassen.

Zu den prominentesten Kritikern der These einer temporären Inflation gehört Charles Goodhart – und diese Position untermauerte der frühere britische Notenbanker auch am Dienstag. Er prognostiziert insbesondere eine „demografische Inflation“. Das Arbeitskräfteangebot gehe zurück, und das werde strukturell für höhere Löhne sorgen.

Mehr noch als mit dieser Sichtweise provozierte Goodhart beim EZB-Forum allerdings zum einen mit Aussagen, dass die verbreiteten Modelle den Inflationsprozess kaum richtig erklärten – was vor allem Gopinath entschieden zurückwies; und zum anderen mit der These, dass die Zentralbanken viel zu sehr auf die Inflationserwartungen starrten. Dazu zitierte er auch ein erst vor wenigen Tagen veröffentlichtes Arbeitspapier des Fed-Ökonomen Jeremy B. Rudd, laut dem ein zu starker Fokus auf die Erwartungen zu „schweren Politikfehlern“ führen könne. Dem widersprach nicht nur Mitdiskutant Francesco Lippi, Professor an der Luiss Guido Carli University, vehement. Auch Großbritanniens amtierender Notenbankchef Andrew Bailey fühlte sich bemüßigt, sich per Video in die Debatte einzuschalten: „Die Erwartungen sind wichtig“, betonte er.

Einig waren sich alle, dass es vor al­lem auf die Notenbanken ankomme, eine dauerhaft hohe Inflation oder gar eine unkontrollierte Teuerung zu verhindern. „Die Politik ist wichtig“, so Gopinath. Aber am Ende war es wieder Goodhart, der Zweifel äußerte, ob die Zentralbanken notfalls handeln würden. Die Schuldenquoten seien so hoch, dass es große Konflikte mit den Finanzministern bedeute, die Zinsen anzuheben. Und auch die Vermögenspreise seien so hoch, dass eine Zinsanhebung zu Verwerfungen führen könne. Viel Stoff also für weitere Diskussionen.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.