Konjunktur

Zurücktreten, bitte!

Stimmungsindizes und harte Daten zeigen sehr unterschiedliche Konjunkturbilder. Sie sorgen derzeit für eine Berg-und-Tal-Fahrt.

Zurücktreten, bitte!

Rezession: Ja. Keine Frage. Aber wie tief und wie lang? Das ist noch nicht raus. Konjunkturindikatoren sorgen derzeit eher für eine Berg-und-Tal-Fahrt, als dass sie eindeutige Signale senden, wohin die Reise denn nun geht.

Zugegeben, seit Beginn der Corona-Pandemie herrscht eine ungleich höhere Unsicherheit als üblich, und mit dem Ukraine-Krieg und der daraus folgenden Energiekrise ist ständige Alarmbereitschaft schon fast der Normalzustand. Früher geltende Maßstäbe helfen nicht unbedingt weiter. Um klarer zu sehen, sollte man daher zu­nächst einen Schritt zurücktreten und nicht bei jedem einzelnen Konjunkturindikator sofort die Schampuskorken knallen lassen oder das Totenglöckchen läuten.

Selten klaffte zwischen Stimmungsindikatoren und harten Daten eine so große Lücke. Sie erklärt sich aber etwa darin, dass die Umfragen des Analysehauses Sentix und des ZEW immer schon sehr früh im Monat erfolgen – wohingegen die vom Statistikamt Destatis erhobenen Daten erst mit etlichem Abstand folgen. Ein direkter Vergleich nach dem Veröffentlichungstermin wäre fast so, als würde man im Hochsommer Glühwein be­stellen. Die Idee der Wiesbadener Statistiker, mit diversen experimentellen Indikatoren wie etwa dem Lkw-Maut-Index oder den beantragten Regelinsolvenzen diese Lücke zu verkleinern, ist daher aller Ehren wert.

Zudem gilt bei Stimmungsindikatoren immer zu bedenken, dass sich manchmal allein schon ein Hoffnungsschimmer positiv bemerkbar macht. Wir erinnern uns: Im harten Lockdown zeigte sich schon allein die Aussicht auf Lockerung der Corona-Restriktionen deutlich. Klar, jeder noch so kleine Verkauf spülte mehr Geld in die Kasse, als bei gesetzlich verschlossener Ladentür möglich war.

Auch aktuell gilt: Die ZEW-Konjunkturerwartungen sind gestiegen, ebenso wie das Sentix-Konjunkturbarometer. Dazu haben wohl die politischen Bemühungen um eine Gas- und Strompreisbremse sowie die prall gefüllten Gasspeicher und die für November zu hohen Temperaturen beigetragen. Ebenso wie die Hoffnung darauf, dass der Inflationshöhepunkt bald bevorsteht. Allerdings liegen die Indikatoren auf Niveaus, die immer noch ganz klar für eine Rezession sprechen – und genau dieses Signal senden auch Ifo-Geschäftsklima und der Einkaufsmanagerindex.

Der Konsumstimmung, die die Nürnberger GfK ebenso wie der Handelsverband HDE erheben, dürfte die eben angelaufene Weihnachtszeit auf die Sprünge geholfen haben. Der umstrittenen Fußball-WM wiederum wird vom Einzelhandel wenig Sogkraft zugesprochen. Der robuste Arbeitsmarkt und die Aussicht auf mehr Lohn in den laufenden Tarifverhandlungen bringen der sonst zuverlässigen Wachstumsstütze Privatkonsum etwas Rückenwind.

Die harten Daten zeigen derweil nur, dass sich die deutsche Wirtschaft in den ersten neun Monaten allen Risikofaktoren zum Trotz wacker geschlagen hat – das Bruttoinlandsprodukt hat selbst im schwierigen dritten Quartal um 0,3% zugelegt. Daraus lässt sich aber noch nicht ablesen, ob sich etwa die Produktion für energieintensive Branchen bald wieder lohnt, genug in die Zukunft investiert wird und die Rezession letztlich nur sanft ausfallen wird.

 (Börsen-Zeitung,

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