EY

Aufbruch im Prüfermarkt

Die Pläne von EY zur Aufspaltung des Geschäfts in eine Beratungs- und eine Prüfungsgesellschaft dürften Nachahmer finden.

Aufbruch im Prüfermarkt

Das Bekanntwerden der Aufspaltungspläne von EY hat ein Beben im Markt für Wirtschaftsprüfung und Unternehmensberatung ausgelöst. Ein Vertreter der Zunft, den die Wettbewerber durch seine Verstrickung in den Wirecard-Skandal als angezählt brandmarken, schickt sich an, als strategischer Vorreiter eine Zeitenwende einzuläuten. Bis Mitte 2023 zum Ende ihres Geschäftsjahres könnte EY die gesellschaftsrechtliche Trennung zwischen Prüfungs- und Beratungsgeschäft global vollzogen haben und sich womöglich über einen Börsengang in New York neue Kapitalquellen erschließen. Die Rechtsstreitigkeiten im Fall Wirecard wird die Gesellschaft auf dem Weg zu neuen Ufern allerdings nicht los. Und die Partner müssen dem Ganzen noch zustimmen. Das durchaus positive Echo auf die durchgesickerte strategische Neuausrichtung und die Marktbewertung von Wettbewerbern wie dem Strategieberater Accenture dürften sie dazu durchaus ermuntern.

Auch wenn die großen Konkurrenten noch in Deckung bleiben – Überlegungen zur Trennung von Prüfung und Beratung sind in der Branche alles andere als neu. Deloitte wurden schon vor vielen Jahren Aufspaltungspläne nachgesagt, als die Gesellschaft zur Fusion mit der Unternehmensberatung Roland Berger ansetzte – was sich nicht verwirklichen ließ. Seit langem läuft öffentlich die Diskussion, ob Abschlussprüfer ausreichend unabhängig in ihrem Urteil zur Qualität der Rechnungslegung eines Unternehmens sind, wenn sie dort parallel fürstlich als Berater verdienen. In der Vergangenheit wurden Prüfungsgesellschaften bezichtigt, sie böten sich Konzernen preisgünstig als Abschlussprüfer an, um den Fuß in die Tür zu bekommen und dann über zusätzliche lukrative Beratungsmandate abzusahnen. Die Zeiten sind vorbei. Unternehmen wollen sich – auch auf Druck von Investoren – nicht mehr dem Vorwurf mangelnder Unabhängigkeit des Abschlussprüfers ausliefern. Gleichzeitig wurde die Prüfung durch komplexere Bilanzierung, steigende Anforderungen und breiteres Aufgabenspektrum deutlich aufgewertet, was sich in den Honoraren niederschlägt.

Die Quersubventionierung zwischen Prüfung und Beratung gehört aber vor allem deshalb der Vergangenheit an, weil Aufsichtsbehörden seit geraumer Zeit eine stärkere Trennung von Prüfung und Beratung verlangen und sie den Beratungsspielraum des Prüfers mehr und mehr einschränken. Mit jedem Bilanzskandal werden die Zügel weiter angezogen. Insofern muss sich die Branche mit jedem Betrugsfall darauf einstellen, dass ihr regulatorisch eine operative Trennung des Geschäfts, wenn nicht sogar ein Legal Split, auferlegt werden könnte.

In Großbritannien, wo die Marktaufsicht durch zahlreiche schwerwiegende, zuvor nicht von Prüfern erkannte Firmenzusammenbrüche alarmiert ist, hat die Regierung jüngst weitgehende Reformen ge­gen Prüfungsversagen und zur Stärkung der Bilanzkon­trolle angestoßen. Hier hatte die Prüferbranche tiefe Einschnitte befürchtet, aber sie scheint zunächst glimpflich davonzukommen. Die britische Regierung will es vorerst dabei belassen, dass zur Stärkung des Wettbewerbs schrittweise „shared audits“ eingeführt werden, neben dem Konzernprüfer also kleinere Prüfer für einzelne Unternehmensteile oder Tochterfirmen bestellt werden müssen. Von drastischeren Maßnahmen wird mit dem Hinweis abgesehen, dass die vier Marktführer Deloitte, EY, KPMG und PwC ja auf eigene Initiative an einer zumindest operativen Trennung von Prüfung und Beratung arbeiteten. Das wird die neue britische Aufsichtsbehörde ARGA sicherlich intensiv beäugen.

Es sind nicht nur externe regulatorische Verschärfungen, die ein Umdenken nahelegen; Auch in den Prüfungsgesellschaften rumort es. Seit die Big4 verstärkt die strategische Unternehmensberatung ausbauen, ist es zum Kulturbruch in den Firmen gekommen. Zwischen dem professionellen Selbstverständnis eines auf kreative Lösungen zielenden Strategieberaters und einem hoch regulierten Wirtschaftsprüfer liegen Welten – genauso wie zwischen ihren Stundensätzen. Die hoch dotierten Consultants wollen sich ihr Geschäft zudem nicht von Reputationsverlusten durch Bilanzskandale und Betrugsfälle, das kaum vermeidbare Los der Abschlussprüfer, vermiesen lassen. Schon gar nicht wollen sie finanziell in Mithaftung genommen werden. An dieser Stelle hört das in der Branche gern bemühte Credo der Multidisziplinarität auf. Die Berater haben gute Argumente, weil ihr Geschäft deutlich stärker wächst. EY dürfte früher oder später Nachahmer finden.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.