KommentarEZB-Zinsentscheid

Das muss es für die EZB noch nicht gewesen sein

Die EZB erhöht erneut ihre Leitzinsen. Womöglich war es das jetzt in Sachen geldpolitischer Straffung. Sicher ist das aber nicht. Klar ist indes eines: Zinssenkungen verbieten sich auf absehbare Zeit.

Das muss es für die EZB noch nicht gewesen sein

EZB

Das muss es noch nicht gewesen sein

Von Mark Schrörs

Die EZB erhöht erneut die Leitzinsen. Womöglich war es das jetzt. Sicher ist das aber nicht.

Neue Rekordmarken für die Europäische Zentralbank (EZB): Dass der aktuelle Zinserhöhungszyklus der aggressivste seit der Euro-Einführung 1999 ist, ist längst klar. Jetzt 450 Basispunkte binnen 15 Monaten sind beispiellos. Mit der neuerlichen Zinserhöhung ist er aber auch der längste. Zehn Zinserhöhungen am Stück gab es noch nie. Der zuvor längste Zyklus umfasste ebenfalls neun Anhebungen, allerdings verteilt auf die Zeit zwischen Dezember 2005 und Juli 2008. Und mit 4,0% liegt der Einlagensatz jetzt zudem so hoch wie noch nie.

Für die Beurteilung der Entscheidung ist das aber natürlich nicht ausschlaggebend. Dafür ist viel wichtiger, dass die EZB mit der neuerlichen Zinsanhebung erst einmal ein klares Signal setzt – nämlich, dass sie es ernst meint mit der Rückkehr zum 2-Prozent-Inflationsziel und sie nicht bei den ersten Anzeichen eines nachlassenden Preisdrucks voreilig nachgibt. Mit Blick auf die teilweise schon erhöhten Inflationserwartungen und die anstehenden Tarifrunden, nicht zuletzt in Deutschland, ist das ein wichtiger und richtiger Schritt. Die Gefahr einer zweiten Inflationswelle wie in den 1970er Jahren mag derzeit klein erscheinen. Leichtfertig abtun sollte man sie aber nicht.

Im Zweifelsfall Vorrang für die Preisstabilität

Natürlich hätte es auch gute Argumente für eine Zinspause gegeben. Die bisherigen Erhöhungen haben ihre volle Wirkung noch gar nicht entfaltet, die Inflation ist auf dem Rückzug, wenn auch mühsam, und die Euro-Wirtschaft schwächelt gehörig. Für die EZB muss aber aktuell gelten: im Zweifelsfall Vorrang für die Preisstabilität. Ohne stabile Preise ist dauerhaft auch kein nachhaltiges Wachstum möglich. Die 25 Basispunkte mehr werden der Wirtschaft zudem wohl kaum den Todesstoß versetzen.

Wenn es die EZB ernst meint mit der Inflationsbekämpfung, darf sie aber auch weitere Zinsanhebungen nicht voreilig ausschließen. Es ist verständlich, dass sie sich jetzt vorsichtiger geriert – inklusive der Aussicht, dass der Zinsgipfel erreicht sein könnte. Mit jeder weiteren Zinserhöhung liegt die Latte für einen nochmaligen Schritt natürlich höher. Tatsächlich kann es sein, dass das jetzt reicht. Sicher ist das aber nicht. Es wäre jedenfalls falsch, jetzt die Beweislast komplett umzukehren. Nicht nur die „Falken“ müssen es künftig gut begründen, falls sie für weitere Zinsanhebungen plädieren. Auch die „Tauben“ müssen genau erklären, falls sie das nicht für nötig erachten. Der reale Leitzins – also Nominalzins minus Inflation – ist immer noch negativ. Ganz klar ist indes eines: Zinssenkungen verbieten sich auf absehbare Zeit.

Die neuerliche Zinserhöhung gilt jetzt als (letzter) Erfolg der EZB-„Falken“ – und ganz falsch ist das sicher nicht. Vor allem aber ist sie ein Erfolg für die Preisstabilität.