Digitales Zentralbankgeld

Der erste Schuss muss sitzen

Digitales Zentralbankgeld ist ein Thema der Stunde. Es bietet viele Chancen, aber auch Risiken. Die Notenbanken müssen sich Zeit nehmen, es richtig zu machen.

Der erste Schuss muss sitzen

Mit digitalem Zentralbankgeld verhält es sich aktuell ein wenig wie mit dem Kampf gegen den Klimawandel: Wer als Notenbanker et­was gelten will, kommt kaum umhin, sich be­geistert, zumindest aber offen zu zeigen. Während beim Klimawandel aber große Skepsis in Sachen Mandat und Einfluss der Währungshüter angebracht ist, fallen die Versorgung mit Geld und der Zahlungsverkehr tatsächlich in die originäre Zuständigkeit der Notenbanken, und es gibt viele gute Argumente für digitales Zentralbankgeld. Trotzdem müssen die Zentralbanker das Für und Wider sowie das Ob und Wie genau analysieren – und dürfen nichts überstürzen. Am Ende geht es um nicht weniger als das Vertrauen in das Geld.

Überraschend offen hat jetzt die Zentralbank der Zentralbanken BIZ digitales Zentralbankgeld bezeichnet als „ein Konzept, dessen Zeit gekommen ist“ und von einer „neuen Ära für das Geldsystem“ gesprochen. Tatsächlich spricht einiges für die Einführung: So werden immer mehr Zahlungen digital abgewickelt, und Bargeld ist vielerorts auf dem Rückzug. Die Coronakrise hat diese Digitalisierung noch extrem beschleunigt. Eine digitale Variante zum Bargeld ist da künftig womöglich Voraussetzung, großen Teilen der Bevölkerung Zugang zu sicherem Zentralbankgeld zu verschaffen. Zudem drängen private Anbieter mit eigenen Währungen – Stablecoins – und als Finanzdienstleister auf den Markt. Für die Zentralbanken geht es also auch darum, das staatliche Geldmonopol und den reibungslosen Zahlungsverkehr zu wahren. Sie tun folglich gut daran, sich jetzt zu wappnen.

Aber digitales Zentralbankgeld bietet nicht nur viele Chancen, es birgt auch einige Risiken. Von der Sicherheit – Stichwort: Cyberkriminalität – bis zum Datenschutz – Stichwort: Ende der Anonymität – lauern jede Menge Fallstricke. Vor allem aber gilt es sicherzustellen, dass digitales Zentralbankgeld nicht selbst zum Problem für die Finanzstabilität wird. Das droht insbesondere dann, wenn die Zentralbanken quasi das Geschäft der Banken übernehmen und keine Vorkehrungen getroffen werden, um einen digitalen Bank Run in Krisenzeiten zu verhindern. Auf diese „sehr entscheidenden und konkreten Risiken“ hat unlängst Fed-Vize Randal Quarles hingewiesen – völlig zu Recht. Die Zentralbanken müssen sich unbedingt die nötige Zeit nehmen, es richtig zu machen.

Das alles gilt auch und besonders für die Europäische Zentralbank (EZB) und den digitalen Euro. Je nach konkreter Ausgestaltung kann er ein kosteneffizientes und komfortables digitales Zahlungsmittel in Echtzeit darstellen und wirtschaftliche und finanzielle Transaktionen effizienter gestalten – im Idealfall auch grenzüberschreitend. Er kann zudem den Wettbewerb zwischen den Banken ankurbeln und die Digitalisierung der Wirtschaft pushen. Womöglich kann er sogar die internationale Attraktivität des Euro erhöhen. Wie immer steckt der Teufel aber im Detail: So würde etwa eine dezentrale Lösung mittels Blockhain-Technologie viele Vorzüge für die Industrie 4.0 bieten, aber zugleich die Kontrollmöglichkeiten der EZB schmälern. Sosehr die EU-Politik auch Eile einfordert – die EZB darf sich da nicht zu überhasteten Weichenstellungen drängen lassen.

Die EZB sieht sich dabei wie die anderen Zentralbanken einem Spannungsverhältnis ausgesetzt, das ob der besonderen wie unvollendeten Struktur der Währungsunion zusätzliche Brisanz bietet: Einerseits muss der digitale Euro attraktiv genug sein, damit die Bürger ihn nutzen und er seinen Nutzen ausschöpfen kann. Andererseits drohen Verwerfungen im Finanzsystem, wenn er zu attraktiv ist. Oder noch simpler: Wird der digitale Euro ein Riesenerfolg, zieht die EZB den Banken wohl Einlagen ab. Macht die EZB den Digital-Euro zu unattraktiv, droht ein Flop und die EZB steht bedröppelt da. Was die Sache zusätzlich erschwert: Bislang scheint nicht ganz klar, ob es primär darum geht, eine Alternative zum Bargeld zu schaffen, oder doch darum, die Souveränität des europäischen Zahlungsverkehrs und der Geldpolitik zu sichern. Da gilt es dringend Klarheit zu schaffen.

Die EZB sollte sich auch nicht in ein Wettrennen mit anderen Zentralbanken treiben lassen – wie überhaupt ein globaler Wettlauf zu vermeiden ist. Genauigkeit und Sicherheit gehen vor Schnelligkeit. Auch die befürchtete Währungssubstitution, bei der ausländische Digitalwährungen für die Abwicklung inländischer Zahlungen verwendet werden, erscheint fraglich und ließe sich notfalls unterbinden. Absolute Priorität muss haben, digitales Geld zu schaffen, das fest verankert ist im bewährten Vertrauen in die Zentralbank. Beim digitalen Zentralbankgeld gibt es nur einen Schuss – und der muss sitzen.