Chancengleichheit

Diversity im Fondsmanage­ment besteht aus mehr als Quoten

Der Frauenanteil im Portfoliomanagement beläuft sich laut Citywire auf lediglich 11%. Dieser Anteil steht im Widerspruch zu den ESG-Ansprüchen der Fondshäuser an andere Unternehmen.

Diversity im Fondsmanage­ment besteht aus mehr als Quoten

Von Wolf Brandes, Frankfurt

Weltweit beträgt die Frauenquote im Portfoliomanagement 11%. Das ist das Ergebnis des „Alpha Female Report 2020“ der Analysefirma Citywire. Der Anstieg ist minimal. 2016 lag die Quote bei 10,3%, und City­wire hat ausgerechnet: „Würde der Frauenanteil weltweit im gleichen Tempo wie bisher wachsen, würde es bis 2215 dauern, bis die Hälfte der Positionen von Frauen besetzt ist.“

Der Anteil von Frauen im Fondsmanagement unterscheidet sich nach Ländern und Gesellschaften. Für Deutschland haben die Analysten einen Wert von 6% ermittelt. Auf Nachfrage nennen die großen Anbieter höhere Zahlen. Der Anteil der Frauen im Portfoliomanagement beträgt bei der DWS bis zu 19%, bei Deka 16%. Im Portfoliomanagement von Union Investment liegt der Frauenanteil bei rund 22% inklusive Fondsmanagerinnen, Analystinnen, Volkswirtinnen und Händlerinnen. Fidelity wiederum kommt beim gesamten Investmentteam sogar auf 35%.

Ob eine Frauenquote zwischen 15 und 35% hoch oder eher niedrig ist, liegt im Auge des Betrachters. Tatjana Greil Castro, die bei Muzinich einen 10,5 Mrd. Euro schweren Fonds managt, findet: „Wir sind 200 Jahre von der Parität im Portfoliomanagement entfernt.“ Sicher ist aber, dass sich Fondsgesellschaften als Investoren mit Fragen von Gender und Diversity beschäftigen. Denn kaum ein Anbieter investiert mehr, ohne auf ESG-Kriterien zu achten. ESG steht dabei für die Begriffe Environmental, Social und Governance, also Umwelt, Soziales und Unternehmensführung.

Ohne ESG-Kriterien geht im Portfoliomanagement kaum noch etwas. Dabei stehen nicht nur Klimafragen oder Unternehmensführung im Fokus. Wer beim grünen Rating gut abschneiden will, muss sich als Unternehmen unter anderem zu Chancengleichheit und Diversität verpflichten und darüber berichten. In den von der Investmentbranche viel beachteten Nachhaltigkeitszielen der UN (SDGs) findet sich unter Punkt 5 das Ziel der Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen.

Frauenanteil im Blick

„Wir halten eine ausreichende Diversität in Unternehmen für wichtig. Das verbessert die Risikolage und die langfristige Perspektive“, sagt Ingo Speich von der Deka und betont, dass sich Gender- und Diversity-Themen für den Investor auszahlen. Studien belegen schließlich, dass divers geführte Unternehmen bessere Er­gebnisse erzielen. „Bei den sozialen Aspekten schauen wir insbesondere auf die Mitarbeiter und wie Diversity gelebt wird“, ergänzt Susana Peñarrubia, Head of ESG Integration-Active der DWS. Natürlich gehe es dabei um den Frauenanteil in der Belegschaft, aber auch um ethnische Aspekte und Altersstrukturen. Diese Faktoren fließen bei der DWS und nicht nur dort in die ESG-Bewertung des Unternehmens mit ein. Schlechte Werte bei Diversity und Gender sind für die Deka ein Malus, führen aber nicht zu einem Ausschluss, erläutert Speich. Schlecht fand er beispielsweise die Reaktion eines Unternehmens, bei dem sich die Deka erkundigt hatte, warum die Frauenquote um 80% eingebrochen sei. „Die Antwort spricht für sich: Man brauche Frauen nicht mehr, da diese nur in der Buchhaltung beschäftigt waren, und die sei jetzt automatisiert“, erzählt Speich.

Mit Punktabzügen beim ESG-Rating ist es im Fall unbefriedigender Gender- und Diversity-Antworten nicht getan. Die Fondsanbieter mischen sich beim Thema Frauenquote ein. Bei der Deka hat man das Thema auch beim Proxy Voting eingeführt. Wenn 30% Frauenanteil im Aufsichtsrat nicht eingehalten werde, dann würde die Sparkassen-Fondsgesellschaft den Aufsichtsrat nicht entlasten und neue männliche Nominierungen blocken. Auch Fidelity würde nach eigener Aussage gegen den Vorstand oder einzelne Vorstandsmitglieder stimmen, wenn im Rahmen des Aktienengagements festgestellt werde, dass das Thema Gender Diversity unzureichend berücksichtigt sei und der Vorstand nicht darauf reagiere.

Ungeachtet der Aufmerksamkeit für Genderthemen spielen sie im Vergleich zu Umweltfragen eine geringere Rolle. Auch Daten und Information seien oft dünn. „Die Abdeckung vom externen Research im Bereich Diversity und Gender ist nicht so ausgeklügelt wie bei anderen Nachhaltigkeitsthemen. Bei Umweltthemen hat man zum Teil die 20-fache Anzahl von Datenpunkten“, so Deka-Manager Speich. Peñarrubia von der DWS meint, dass es ideal wäre, „wenn wir von den Unternehmen noch mehr Daten zu diesen Themen und zu sozialen Aspekten bekommen würden. Es mangelt bei Gender Diversity noch an guten und ausführlichen Informationen.“

Flexibilität durch Corona

Fraglich allerdings, ob die Ansprüche der Fondshäuser an ESG-Kriterien in Sachen Gender in den eigenen Reihen erfüllt werden. Greil Castro von Muzinich verweist auf eine aus Frauensicht oft ungenügende Flexibilität. Die Work-Life-Balance, die Finanzfirmen versprechen, sei sehr skeptisch zu sehen. „Als Mutter von vier schulpflichtigen Kindern verstehe ich, dass ein von einer Frau verwalteter Fonds wie ein zusätzliches Kind werden kann, für das man verantwortlich ist.“ Immerhin habe die Pandemie mehr Flexibilität geschaffen, Familie und eine Karriere zu verbinden. „Die Krise hat dazu beigetragen, die Geißel der Anwesenheit im Büro zu beseitigen.“