Unterm Strich

Fix it, close it, sell it or split it

Via Spin-off in die Börsenselbständigkeit entlassen zu werden bietet die Chance, Investoren zu finden, die besser zum jeweiligen Geschäft passen.

Fix it, close it, sell it or split it

„RIP“ (Rest in Peace) lautete nur einer der hämischen Kommentare, mit denen die in der zurückliegenden Woche angekündigte Aufspaltung des GE-Konzerns in drei Teile bewertet wurde. In der Tat wäre der Spin-off der Sparten Gesundheit im Jahr 2023 und Energie im Jahr 2024 das Ende des vor fast 130 Jahren gegründeten Mischkonzerns, bei dem dann nur noch die Sparte Luftfahrt verbliebe. Immerhin zerlegt sich die einstige Industrie-Ikone dann in eigener Regie und wird nicht – wie oft bei anderen gescheiterten Konzernen – von Private-Equity-Investoren oder Hedgefonds filetiert.

Kapitalmarkt führt Regie

GE wird damit zum spektakulärsten Beispiel der Machtübernahme eines Industrieunternehmens durch den Kapitalmarkt. Denn schon der Aufstieg des 1892 vom Glühbirnenerfinder Thomas Alva Edison mitgegründeten Unternehmens zur Nummer 1 in der Welt nach Börsenwert etwa zur Jahrtausendwende war getrieben vom Kapitalmarkt und dem damals geltenden Verständnis von Shareholder Value. Dieses Verständnis wurde insbesondere verkörpert von Jack Welch, der als GE-CEO und Chairman in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts auch zur Management-Ikone avancierte. „Neutronen-Jack“, wie Welch wegen seiner auf Beschäftigte keine Rücksicht nehmenden Shareholder-Value-Strategie genannt wurde, die dem Prinzip folgte „Fix it, close it or sell it“, wurde zum Vorbild für eine Generation von Managern, die sich eher als Portfoliomanager verstanden denn als nachhaltig wirtschaftende Unternehmer. Alle Sparten von GE mussten in ihrer Branche auf Platz 1 oder wenigstens Platz 2 rangieren. Wenn nicht, wurden sie zur Disposition gestellt, und deren Spartenchefs hatten gute Chancen, zu jenen 10% Minderleistern zu gehören, die alljährlich ausgemustert wurden.

Dass Welch als GE-CEO nicht nur seine Shareholder, sondern vor allem auch sich selbst reich machte, führte erst am Ende zu massiven Wertberichtigungen in der Wertschätzung. Dass Welch zuvor die Verschuldung des Konzerns in die Höhe getrieben hatte und vor allem das wenig transparente Finanzierungsgeschäft von GE Capital als gigantisches Leverage-Vehikel (miss)brauchte, fand am Kapitalmarkt lange Zeit Beifall.

Vor allem an der auf Welch zugeschnittenen Führungskultur und am immer höher geschraubten Leverage scheiterte als CEO anschließend Jeff Immelt. Vor allem in der Finanzkrise 2007/2008 flogen GE die Abschreibungen auf Finanzanlagen um die Ohren, die einst drei Viertel der Bilanz ausmachten. In der Folge musste GE Capital abgestoßen und 2009 der Staat als Retter geholt werden. Immelts glückloser Nachfolger John Flannery wurde 2018 nach nur 14 Monaten gefeuert, nachdem die Selbstzerlegung des Konzerns GE auch die Mitgliedschaft im Dow Jones Industrial Average gekostet hatte – als letztes der einst zwölf Gründungsmitglieder aus dem Jahr 1896. Im Sommer 2018 übrigens überholte Siemens den US-Konkurrenten zum ersten Mal in der Marktkapitalisierung.

Der auch auf Druck von aktivistischen Aktionären 2018 als Retter des Rests von außen geholte ehemalige Danaher-Chef Lawrence Culp führte GE zwar aus dem Kurs-Tal von unter 50 US-Dollar (um Kapitalmaßnahmen bereinigt) auf inzwischen rund 93 Dollar, doch operativ dominierten weiterhin die Aufräumarbeiten, das Deleveraging durch Verkäufe und die Vorbereitung der Aufspaltung. War es GE in den beiden Jahrzehnten unter Jack Welch gelungen, einen Konglomeratsaufschlag von bis zu einem Fünftel zu generieren, drehte sich dies in den folgenden zwei Jahrzehnten in einen dramatischen Kon­glomeratsabschlag. Nunmehr wird die auf Spin-off ausgerichtete Equity Story von der Hoffnung getragen, dass die „sum of the parts“ mehr wert sei als der heutige Konzern mit seinen rund 120 Mrd. Dollar. Zur Erinnerung: In den besten Tagen brachte GE beinahe 600 Mrd. Dollar auf die Börsenwaage.

Nun ist es abermals der Kapitalmarkt, der das Schicksal von GE bestimmt. Die Aufspaltung scheint früher oder später das Schicksal aller börsennotierten Konglomerate zu sein. Dass Siemens vor drei Jahren GE nicht nur im Börsenwert, sondern auch in der Exitstrategie aus dem Konglomerat überholt hat und mit der Abtrennung der Gesundheitssparte (Healthineers) und anschließend der Elektrosparte (Siemens Energy) nun als „Vorbild“ für GE bezeichnet wird, mag am Konzernsitz am Wittelsbacher Platz etwas Genugtuung auslösen, zumal soeben auch das japanische Elektro-Konglomerat Toshiba seine Aufspaltung in drei Teile angekündigt hat.

Doch das Pure Play nach dem Geschmack des Kapitalmarktes hat eben auch zur Folge, dass die schwächeren Familienmitglieder nicht länger von den stärkeren Geschwistern mitgezogen werden. Die unterschiedliche Dynamik in der Kursentwicklung der inzwischen drei Siemens-Titel im Dax40 zeigt es (vgl. BZ vom 10. November). Das muss unterm Strich auch für die schwächeren Konzernteile kein Nachteil sein. Via Spin-off in die Selbständigkeit entlassen zu werden kann große Kräfte freisetzen und bietet die Chance, dass besser zum jeweiligen Geschäft passende Investoren gefunden werden. Damit ist nicht allein die Branchenfokussierung gemeint, sondern vor allem auch die Anlagestrategie, also beispielsweise Value- oder Growth-Investoren.

Am Ende winkt Private Equity

Dass die Fokussierung auch das Risiko erhöht, von unerwarteten Marktschwankungen oder zu spät erkannten technologischen Veränderungen aus der Bahn geworfen zu werden, liegt auf der Hand. Wenn filetiert ist, was filetiert werden kann, hat der auf kurzfristigen Erfolg ausgerichtete Kapitalmarkt ausgedient. Dann schlägt die Stunde der Investoren mit längerem Atem, aber auch hohen Renditeerwartungen, sprich Private Equity. Nach einem Delisting dank Financial Engineering und Managementmethoden à la Jack Welch wieder auf Vordermann gebracht, folgt einige Jahre später die Wiedergeburt als börsennotiertes Unternehmen.

c.doering@boersen-zeitung.de

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