Paris

Frankreich kürt Königinnen und Könige

Ein kleines Porzellanfigürchen in der Galette des Rois entscheidet in Frankreich, wer die Krone tragen darf. Dabei stammen 95% von ihnen aus dem Ausland.

Frankreich kürt Königinnen und Könige

Sie kommen vom Boulanger, der Tiefkühlkostkette, dem Supermarkt oder von Hobbybäckern: Die traditionellen Königskuchen, zu denen in Frankreich zu Beginn des Jahres Verwandte, Freunde, Unternehmen und Vereine einladen, um ihren König und ihre Königin zu krönen, sobald diese eine kleine, im Teig versteckte Figur gefunden haben. Jedes Jahr werden in Frankreich rund 30 Millionen Königskuchen verzehrt. Im Norden dominiert die mit Marzipan gefüllte Version, im Süden ein mit Hagelzucker oder kandierten Früchten verzierter Kranz aus Briocheteig mit Orangenblütenaroma.

Die Tradition des Königskuchens stammt aus dem Mittelalter. Allerdings wurde damals eine Bohne im Kuchen eingebacken. Um zu verhindern, dass sich jemand an ihr verschluckt, wurde sie im 19. Jahrhundert durch eine kleine Porzellanfigur ersetzt. Da es nach der Revolution 1789 undenkbar war, einen König zu feiern, wurde der Kuchen von Galette des Rois in Galette de la Liberté umbenannt und die Figur weggelassen. Präsident Valéry Giscard d’Estaing beschloss 1975, diese Tradition aufzugreifen. Deshalb enthalten die Galettes des Rois, die im Élysée-Palast serviert werden, seitdem keine Figuren mehr.

Einige „fèves“, wie die Figürchen heißen, sind bei Sammlern hochbegehrt. Neben traditionellen Figuren werden inzwischen auch von Hollywood-Filmen inspirierte „fèves“ angeboten, teils in Form eines bedruckten Porzellantalers. 95% stammen aus dem Ausland, vor allem aus Asien. Eines der wenigen Unternehmen, das seine „fèves“ noch in Frankreich herstellt, ist Panessiel aus Saint-Ismier bei Grenoble. Für die in diesem Jahr servierten Königskuchen hat Panessiel 900000 Figuren in Handarbeit produziert. Mit seinen sieben festen Mitarbeitern kommt die Firma auf einen Umsatz von 1,6 Mill. Euro pro Jahr.

Inflation und Energiekrise machen jedoch auch hier nicht Halt. Um Energie zu sparen, will Panessiel die Produktionszeiten der Öfen, in denen die Figuren gebrannt werden, so anpassen, dass Zeiten genutzt werden, in denen der Energieverbrauch und somit auch die Preise niedriger sind. Bisher hat das Unternehmen die höheren Kosten noch nicht an seine Kunden weitergegeben. Im Gegensatz zu den 33000 französischen Bäckern, die wegen der Inflation die Preise für ihre Galettes des Rois im Schnitt um 10% erhöht haben – obwohl die Inflation in Frankreich im letzten Jahr nur 5,2% betrug. Inzwischen kostet ein Königskuchen für sechs Personen in Pariser Bäckereien laut Informationen des Radiosenders France Info in der Regel 23,80 Euro, im Rest des Landes 15 Euro. Vor einem Jahr war er in der Hauptstadt für 21,80 Euro und außerhalb für 13,80 Euro zu haben. Allerdings sollen die Bäcker damit noch immer gute Gewinne machen. Normalerweise betrage die Marge bei einer Galette des Rois rund 70%, in diesem Jahr jedoch nur noch 40% bis 50%, vertraute ein Bäcker der Tageszeitung „Le Parisien“ an.

Angesichts der hohen Preise könnten jedoch noch mehr Verbraucher ihren Königskuchen künftig im Supermarkt oder bei der Tiefkühlkette kaufen, wo er im Schnitt nur 7 bis 10 Euro kostet. Dabei sind die Verkäufe in den Bäckereien seit Ausbruch der Covid-Pandemie nach Angaben des Bäckereiverbandes bereits um 40% bis 60% eingebrochen. 2020 betrug ihr Marktanteil bei den Königskuchen 45%, der von Supermärkten 41%.

Angesichts des drohenden Widerstands gegen die Rentenreform und des Streiks der Allgemeinmediziner ist die Furcht der Regierung groß, dass die Bäcker wegen der hohen Energiekosten ebenfalls zu Protesten aufrufen. In vielen Dörfern sind sie das einzige Geschäft, das noch verblieben ist. Das weiß auch der rechtsradikale Rassemblement National, der versucht, sich die Sorgen der Bäcker auf die Fahnen zu schreiben. Um ihm den Wind aus den Segeln zu nehmen, hat Präsident Emmanuel Macron der Bäckerzunft Hilfe versprochen, als er sie Anfang Januar zur Galette des Rois im Élysée-Palast empfangen hat. Für kleine Bäckereibetriebe soll der Anstieg der Gas- und Elektrizitätspreise auf 15% beschränkt werden, und finanziell in Schwierigkeiten geratene Bäcker sollen die Möglichkeit erhalten, Sozialabgaben und Steuern in Raten zu zahlen.