LeitartikelFrankreichs Wirtschaft

Macron – zweiter Akt der Reformen

Macron umgarnt jetzt konservative Wähler, bleibt jedoch wirtschaftspolitisch seinem liberalen Reformkurs treu. Beim Defizit- und Schuldenabbau setzt er auf Wachstum, weniger auf Einsparungen.

Macron – zweiter Akt der Reformen

Frankreich

Macron – zweiter Akt

Der Präsident umgarnt jetzt konservative Wähler, bleibt jedoch wirtschaftspolitisch seinem liberalen Kurs treu.

Von Gesche Wüpper

Mit der Regierungsumbildung und zahlreichen Ankündigungen umgarnt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wenige Monate vor den Europa-Wahlen konservative Wähler. Der Rechtsruck spiegelt sich in Plänen für Schuluniformen, einer strenger kontrollierten Bildschirmnutzung für Jugendliche, Staatsbürgerkunde und Pflichtdienst an der Nation wider. Wirtschaftspolitisch dagegen setzt Macron trotz der von ihm propagierten „industriellen, wirtschaftlichen, europäischen Wiederaufrüstung“ auf die Fortsetzung seines liberalen Kurses. Beim Defizit- und Schuldenabbau baut er auf Wachstum, weniger auf Einsparungen.

Nachdem er die Wirtschaft seit Ausbruch der Covid-Pandemie vor allem mit massiven Förderprogrammen gestützt hatte, will er sie nun mithilfe neuer Reformen ankurbeln. So will er noch im Frühjahr den Startschuss für den jeweils zweiten Akt von in früheren Jahren lancierten Reformen geben: Dem 2015 von ihm als Wirtschaftsminister auf den Weg gebrachten Gesetz zur Dynamisierung der Wirtschaft, in Frankreich besser bekannt unter dem Namen „Loi Macron“, und den seit seinem Amtsantritt 2017 vorgenommenen Reformen des Arbeitsmarktes.

Der Abbau von bürokratischen Hindernissen, die Vereinfachung von administrativen Prozessen und Normen sollen Unternehmern, Handwerkern und Bauern das Leben vereinfachen. Und sie so ermutigen, neue, innovative Projekte in Angriff zu nehmen. Eine Reform des Arbeitsmarktes wiederum soll Arbeitslose anregen, wieder eine Arbeit anzunehmen. Deshalb will Macron die Bedingungen für die Zahlung von Arbeitslosengeld verschärfen, sofern ein Arbeitssuchender Stellenangebote ablehnt. Das ist bereits durch Reformen der Arbeitslosenversicherung 2019 und 2022 verschärft worden.

Herzstück des haushaltspolitischen Kampfes sei der Kampf für die wirtschaftliche Aktivität, die Schaffung von Arbeitsplätzen und Wohlstand, meint Macron. Die Aussagen von Frankreichs Staatsoberhaupt dürften bei einigen Verfechtern strenger Haushaltsregeln Stirnrunzeln ausgelöst haben. Denn Macron setzt weiterhin vor allem auf Wachstum, um die Staatsfinanzen in den Griff zu bekommen. Zwar hat er versprochen, das Haushaltsdefizit bis 2027, dem Ende seiner zweiten Amtszeit, von zuletzt 4,9% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf 3% zu senken. Doch seit seinem Amtsantritt 2017 hat sich Macron nicht gerade einen Namen als vom Defizitabbau besessener Staatschef gemacht.

Dabei gehören das hohe Defizit und die hohe Staatsverschuldung, die Ende des dritten Quartals 112% des BIP betrug, zu den Schwachpunkten der zweitgrößten Volkswirtschaft der Eurozone. Zwar ist sie Anfang Dezember einer Herabstufung durch S&P entgangen, doch die einflussreiche Ratingagentur beurteilt den Ausblick wegen der Unsicherheiten bezüglich der öffentlichen Finanzen weiter negativ, so dass eine Herabstufung Ende des Frühjahrs nicht ausgeschlossen werden kann.

Auch deshalb wäre es riskant für Macron, beim Defizitabbau einseitig auf Wachstum zu setzen. Zumal die Prognose der Regierung, auf der das Haushaltsgesetz für 2024 beruht, mit 1,4% sehr optimistisch erscheint. Andere Ökonomen rechnen eher mit 0,8%, und auch andere Vorzeichen verschlechtern sich. So ist die Arbeitslosenquote zuletzt wieder gestiegen, nachdem sie seit 2015 von 10% auf 7% gesunken war.

Die Regierung hat bereits Einsparungen von 12 Mrd. Euro für das Haushaltsgesetz 2025 angekündigt. Und Macron hat gerade die geplante Erhöhung der Strompreise sowie die Eigenbeteiligung an Arztkosten verteidigt. Das allein wird jedoch nicht reichen. Frankreichs Ausgaben müssen weiter sinken. Die Krux für Macron und seine neue Regierung besteht nun darin, den geeigneten Zeitpunkt zu finden. Sie muss entscheiden, ob sie unpopuläre Maßnahmen wie Sparmaßnahmen vor den Europa-Wahlen wagt oder das Risiko einer Abstufung durch S&P eingeht. Beides wäre eine Steilvorlage für das rechtsextreme Rassemblement National (RN).

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