Immobilienkrise

Ohrfeige für Chinas Großbanken

­Chinas Bankenriesen erweisen sich seit Jahren als gut geölte Profitmaschine. Im Durchschnitt liegt ihr Börsenmarktwert aber bei nur noch etwa 40% ihres Buchwerts.

Ohrfeige für Chinas Großbanken

Staatskontrollierte Bankenriesen erweisen sich seit mehr als fünfzehn Jahren als gut geölte Profitmaschine, die weder von heimischen Konjunkturschwankungen noch von globalen Finanzkrisen aus dem Rhythmus zu bringen ist. Auch die diesjährige Wachstumsdelle im Reich der Mitte hinterlässt in ihren Zahlenwerken keine größeren Spuren. Der Reigen der Halbjahresergebnisse lässt sich auf dem Papier denn auch gut an. Die führenden Kreditinstitute, angefangen mit ICBC, haben allesamt mittlere einstellige Gewinnzuwächse und stabile Kennziffern zum Anteil notleidender Kredite am Darlehensbestand vorgelegt. Hier spricht man von der Non-Performing-Loan-(NPL)-Ratio, als von den chinesischen Banken bevorzugter Maßstab für die Kreditqualität.

Die NPL-Ratio hat sich in den vergangenen fünfzehn Jahren meist in der Bandbreite zwischen 1 und 2% aufgehalten, was im internationalen Vergleich wenig ist und damit für Solidität des heimischen Bankensystems sprechen soll. Freilich handelt es sich um eine ziemlich gestaltbare Größe, weil sich die Banken ziemlich große Freiheiten bei den Kriterien nehmen, die ein säumiges Darlehen zu einem offiziell notleidenden Kredit machen. Auch gehen bereits abgeschriebene Posten nicht in die Rechnung ein.

Gegenwärtig liegen die Großbanken bei NPL-Quoten zwischen 1,4 und 1,6%, was man als unspektakulär ansehen darf. Interessanter ist freilich der Blick auf die Kreditqualität bei Immobilienfirmen, also derjenigen Unternehmenskaste, die gegenwärtig mit dramatischen Überschuldungs- und Liquiditätsproblemen von sich reden macht. Hier zeigen die NPL-Quoten der Großbanken bereits deutlich nach oben und liegen bei Werten zwischen 3 und 5% auf einem bereits ungemütlicheren Niveau. Auch ist die Risikovorsorge der Institute für Finanzierungen im Immobiliensektor sehr kräftig nach oben geschnellt.

Chinas Finanzregulatoren sorgen mit ziemlich strengen Regeln dafür, dass sich Immobilienfirmen für den Großteil ihres Finanzierungsbedarfs nicht an herkömmliche Kreditinstitute wenden dürfen, sondern Anleihemärkte und Schattenbankkanäle beanspruchen. Damit dürfte selbst eine Pleitewelle bei großen Bauträgern keine dramatischen Konsequenzen für die Großbanken haben. Allerdings gibt es andere Kollateralschäden der Immobilienentwicklermisere zu bedenken. Dazu gehört die im Juni aufgekommene und längst noch nicht bereinigte Hypothekenboykottwelle seitens chinesischer Wohnungskäufer.

Millionen Chinesen drohen ihre Hypothekenkredite für die vorausbezahlten Objekte nicht weiter zu bedienen, weil die versprochenen Wohnungen von den klammen Bauträgern nur verzögert oder gar nicht erst angegangen werden. Hier geht es wohlgemerkt nicht um schmucke Apartmentkomplexe für betuchte Rentner, sondern um die für Chinas Ballungsgebiete typischen Hochhausanlagen mit einer Bewohnerzahl in der Kapazitätsgröße einer Fußballarena. Gegenwärtig sind ein paar Tausend solcher Immobilienprojekte von der Bauträgerkrise kompromittiert.

Auch wenn Banken die Immobilienfirmen nicht direkt mit Großkrediten versorgen, arbeiten sie mit diesen zusammen, so dass die Wohnungsinteressenten mit einer fertigen Hypothekenfinanzierungslösung gelockt werden können. Diese Verquickung führt dazu, dass die Wachstumsdynamik des für die chinesischen Banken bislang margenstarken und nicht sonderlich riskanten Hypothekenkreditgeschäfts unzertrennbar mit dem Schicksal von großen Immobilienfirmen verbunden ist. Und um diese wieder flottzukriegen, sind die Banken wohl oder übel auch dazu gezwungen, gerade auch an besonders gefährdete Adressen neue Kredite zu vergeben, damit diese ihre rückständigen Bauprojekte wieder aufnehmen können.

Bislang wurden Banken von den Finanzregulatoren dazu angehalten, den Immobiliensektor zu meiden, nun werden sie im Interesse des Staates und zur Abstützung der Konjunktur geradezu genötigt, ihm mit frischen Krediten beizustehen. Welche Risiken damit verbunden sind, wird man den Bilanzen chinesischer Banken kaum so rasch ansehen können. Ein Blick auf ihre Bewertung am Aktienmarkt gibt allerdings indirekten Aufschluss. Chinesische Bankaktien haben in diesem Jahr zwar keine spektakuläre Baisse erlebt, aber ihre Gewinne machen wenig Eindruck auf die Anleger. Im Durchschnitt liegt ihr Börsenmarktwert bei nur noch etwa 40% ihres Buchwerts – ein historisches Tief. Das ist eine regelrechte Ohrfeige des Marktes, der damit auf sehr prägnante Weise seine Einschätzung zur Kreditqualität im heimischen Bankwesen abgibt.

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