Madrid

Politische Posse blamiert spanische Notenbank

Die Posten in Staatsorganen teilen sich in Spanien die beiden führenden Parteien untereinander auf. Bei der Neubesetzung des Regierungsbeirats des Banco de España kam es nun zu einem peinlichen Einwand gegenüber einem renommierten Wirtschaftsexperten.

Politische Posse blamiert spanische Notenbank

Spanien ist nicht das einzige demokratische Land, in dem es ein politisches Geschacher um die Besetzung staatlicher Institutionen gibt. Traditionell teilen die beiden großen Parteien, die Sozialisten (PSOE) und die konservative Volkspartei (PP), die Posten unter sich auf, gemäß den aktuellen Machtverhältnissen. Oft werden verdiente Politiker und ehemalige Minister und Mitarbeiter berücksichtigt, oder man sucht ideologisch nahestehende Experten, etwa in der Justiz.

Doch ist dieses ungeschriebene – und viel kritisierte – System ins Straucheln geraten. Seit vier Jahren schon blockieren die Konservativen die Erneuerung des Selbstverwaltungsorgans der Justiz. Der CGPJ kann seitdem keine führenden Richter mehr ernennen. Das hat zur Folge, dass beim Obersten Gerichtshof Spaniens derzeit 19 von 79 Stellen unbesetzt sind.

Das jüngste Opfer des parteipolitischen Machtpokers ist die spanische Notenbank. Die Regierung ernennt den Gouverneur, dessen Stellvertreter und die sechs Mitglieder des Regierungsbeirats. Ein ungeschriebenes Gesetz sieht auch hier vor, dass sich Sozialisten und Konservative die Kandidaten aufteilen. Vor zwei Wochen wurden die Namen der zwei Auserwählten bekannt, die mit Zustimmung des Gouverneurs des Banco de España, Pablo Hernández de Cos, zwei Vertreter des Rats nach Ablauf deren Mandats ersetzen sollten. Die Konservativen gaben dem anerkannten Volkswirt Antonio Cabrales, derzeit Professor an der Universidad Carlos III in Madrid, ihre Unterstützung, auch wenn dieser parteipolitisch als unabhängig gilt.

Doch kurz nachdem der Name bekannt wurde, fand das Online-Medium „The Objective“ einen Aufruf aus dem Jahre 2018, in dem Cabrales eine katalanische Separatistin unterstützte. Clara Ponsatí war Erziehungsministerin in der Regierung des katalanischen Ministerpräsidenten Carles Puigdemont, als das vom Verfassungsgericht verbotene Referendum und die folgende Unabhängigkeitserklärung im Oktober 2017 stattfanden. Wie Puigdemont floh Ponsatí vor der spanischen Justiz ins Ausland. Die Wirtschaftsprofessorin wurde von ihrer früheren Universität Saint Andrews in Schottland wieder in den Lehrstuhl aufgenommen. Im April 2018 unterzeichneten 55 Akademiker aus dem Wirtschaftsbereich einen Brief an die Leitung der prestigeträchtigen Uni, in dem sie den „Respekt für die Prinzipien der akademischen Freiheit“ in Bezug auf Ponsatís „schwierige Situation“ unterstrichen. Die spanische Justiz verlangte nämlich deren Auslieferung. Cabrales wollte damals lediglich Solidarität mit seiner früheren Kollegin aus Zeiten an der Universitat Pompeu Fabra in Katalonien zeigen, zitierten spanische Medien aus dessen Umfeld.

Doch in der aufgeheizten spanischen Politik gibt es kaum ein größeres Reizthema als die Unabhängigkeitsbestrebungen in Katalonien. Aus der konservativen Ecke hagelte es Kritik. Für die PP war es unhaltbar, dass der von ihr validierte Kandidat für die Notenbank auch nur den Anschein von Nähe zu den katalanischen Separatisten haben könnte.

Cabrales verstand die Situation und erklärte Stunden nach seiner Ernennung seinen Rücktritt. An seiner Stelle wurde Fernando Fernández in den Rat des Banco de España berufen, ein früherer Chefökonom von Banco Santander und beim IWF, unter anderem. Die politische Posse um die Neubesetzung hat dem Ansehen der Notenbank nicht gerade gutgetan.

Das Hickhack um Cabrales überdeckte die andere Neubesetzung, die von den Sozialisten unterstützt wurde. Die Ökonomieprofessorin Judith Arnal war bis Dezember Kabinettschefin der spanischen Wirtschaftsministerin Nadia Calviño. Auch wenn die Fachexpertise Arnals für den Posten bei der Notenbank unbestritten ist, hat die Personalie einen politischen Beigeschmack. So haben sich Hernández de Cos und der Banco de España kritisch über die auf zwei Jahre angelegte Sonderabgabe auf die Zinsüberschüsse und Provisionen der spanischen Banken geäußert, welche die Regierung von Calviño aufgrund der vermeintlichen Übergewinne durch die Zinserhöhungen in der Eurozone verteidigt. Die neuen Ratsmitglieder haben nun sechs Jahre Zeit, um ihre Unabhängigkeit unter Beweis zu stellen.