Assekuranz

Reform von Solvency II soll Versicherer nicht belasten

Die Vorschläge zur Reform des Eigenmittelstandards für Versicherer Solvency II sollten im anstehenden Beratungsverfahren der EU noch geändert werden, um vor allem die deutschen Lebensversicherer nicht unnötig zu belasten.

Reform von Solvency II soll Versicherer nicht belasten

Von Thomas List, Frankfurt

Die seit 2016 für Versicherer in der Europäischen Union geltende Solvency-II-Richtlinie wird im Moment überarbeitet. Dabei geht es insbesondere darum, das Niedrigzinsumfeld zu berücksichtigen, die kurzfristige „übermäßige“ Volatilität der Solvabilität, also Eigenmittelausstattung der Versicherer abzumildern und Anreize für langfristige und nachhaltige Investitionen zu schaffen. Dazu haben zuerst die europäische Versicherungsaufsicht EIOPA im Juni 2021 und darauf aufbauend die EU-Kommission im September 2021 Vorschläge vorgelegt, die seither diskutiert werden. Der Rat könnte sich bis Mitte, das EU-Parlament bis Ende 2022 mit der Reform beschäftigen. Der Trilog von Kommission, Rat und Parlament könnte im ersten Halbjahr 2023 stattfinden. Bei einer üblichen Implementierungsdauer von 18 Monaten könnten die neuen Solvency II-Vorschriften frühestens für das Jahr 2024 angewendet werden.

Unterschiedliche Ergebnisse

Die Vorschläge von EIOPA und EU-Kommission wirken sich stark unterschiedlich auf die Eigenmittel der Lebensversicherer aus. Dies liegt insbesondere an den einzelnen Parametern zur Berechnung der Solvabilität. Ein erster Faktor ist die Extrapolation der risikofreien Zinsstrukturkurve. Im Rahmen der Altersvorsorge gehen die deutschen Lebensversicherer jahrzehntelange Verpflichtungen ein, die zumindest in der Vergangenheit mit hohen Garantien unterlegt wurden. Zur Modellierung dieser Garantien sind sog. Zinsstrukturkurven erforderlich. Diese sind aber schwer zu erstellen, da den langfristigen Garantien nicht entsprechende Langläufer auf den Kapitalmärkten gegenüberstehen. Deshalb wird bei Laufzeiten über 20 Jahren eine Extrapolation bis zum Erreichen der sog. Ultimate Forward Rate (UFR) vorgenommen, mit der die langen Laufzeiten abgezinst werden. EIOPA und die EU-Kommission schlagen vor, dass dieses Abzinsung früher und schneller vorgenommen wird.

Unnötige Verschärfung

Für den Versicherungsverband GDV bringen die vorliegenden Vorschläge zur Extrapolation eine „un­nö­tige Verschärfung“, die „ganz er­hebliche“ Belastungen verursachen wer­de, so Uwe Ludka, Vorsitzender des GDV-Ausschusses Finanzregulierung in er Fachveranstaltung des Verbandes. Für die europäischen Le­bens- sowie Schaden- und Unfallversicherer lägen die Belastungen bei 61 Mrd. Euro (EIOPA) bzw. 73 Mrd. Euro (Kommission, allerdings inklusive Berücksichtigung von Negativzinsen im Zinsrisikoszenario), zeigen bei der Veranstaltung vorgelegte Zahlen (s. Grafik). Etwa 30 Mrd. Euro von den 73 Mrd. Euro entfallen auf die deutschen Lebensversicherer, so Ludka. Wesentlich für diese Be­lastungen ist der Konvergenzparameter „Faktor A“, der die Geschwindigkeit der Annäherung an den langfristigen Gleich­gewichtszinssatz UFR beschreibt. Je höher Faktor A ist, um so schneller wird der ab dem 60. Jahr angenommene Gleichgewichtszinssatz von zurzeit 3,45% erreicht. ­EIOPA und die Kommission wollen ihn auf 10 (bisher 20) festlegen, der GDV schlägt zur Verringerung der Belastungen 15 vor.

Die über alle Einzelfaktoren von der Kommission errechnete Entlastung bei der Kapitalausstattung von etwa 8 Mrd. Euro könne in der Ge­samtsicht für alle europäischen Versicherer richtig sein, konzediert Ludka. Für die deutschen Lebensversicherer ergebe sich aber auch hier eine Belastung „im höheren einstelligen Mrd.-Euro-Bereich“. Diese würde sich durch die vom GDV vorgeschlagene Änderung des Faktor A (auf 15) „im Wesentlichen neutralisieren“, sagte Ludka auf Nachfrage.

All diese Zahlen sind allerdings stark stichtagsabhängig. Das vorliegende Zahlenwerk bezieht sich auf den 30. Juni 2020. Bei den aktuell höheren Zinsen wäre die Belastung geringer, so Götz Treber, Leiter GDV-Kompetenzzentrum Unternehmenssteuerung und Regulierung bei derselben Veranstaltung. Die Vorschläge würden aber auch zu volatileren Ergebnissen führen.

Die Volatilitätsanpassung (VA) soll verhindern, dass sich eine erhöhte Volatilität an den Märkten in der Bewertung langfristiger Versicherungsgarantien niederschlägt. Konkret ist die VA eine Anpassung der risikofreien Zinskurve, mit der Auswirkungen kurzfristiger übertriebener Anleihe-Spreads auf die Kapitalausstattung der Versicherer abgemildert werden sollen. Die Abschläge waren bisher immer relativ groß, sollen aber im Zuge der Reform reduziert werden. Umstritten ist allerdings, ob es bei der aktuellen Risikokorrektur in Form eines festen Abzugs bleiben soll oder ob, so der Kommissionsvorschlag, ein prozentualer Abzug vorzuziehen wäre. Der GDV will beim festen Abschlag bleiben, weil ein prozentualer Abzug in Stresszeiten stärker wirke und damit eine Krise verschärfen könnte.

Keine „grünen“ Incentives

Der Kommissionsvorschlag zur Reform von Solvency II enthält keine Vorschläge zur Förderung „grüner“ Investitionen. Mit Verweis auf den risikobasierten Ansatz von SolvencyII wird dies sowohl von EIOPA (so Chair Petra Hielkema im Interview dieser Zeitung am 26. März) als auch vom GDV begrüßt. Für Teuber würde eine Incentivierung grüner Anlagen ein Abweichen von diesem Ansatz bedeuten. „Eine solche Incentivierung müsste an anderer Stelle gemacht werden.“ Allerdings könne es durchaus sein, dass sich der Klimawandel auf das tatsächliche Risiko auswirkt. „Das müsste dann natürlich über alle Bereiche hinweg abgebildet werden“, betonte Teuber.

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