Madrid

Sánchez’ Ärger mit den Notenbanken

Die Kritik der EZB an der geplanten Sondersteuer für Banken ist bei der spanischen Regierung übel aufgestoßen. Vor allem EZB-Vize Luis de Guindos bekam von Ministerpräsident Pedro Sánchez sein Fett weg.

Sánchez’ Ärger mit den Notenbanken

Das Ritz Hotel in Madrid ist seit seiner Eröffnung 1910 durch Alfonso XIII., den Urgroßvater des heutigen Königs Felipe VI., eines der Zentren der Geschäftswelt der spanischen Hauptstadt. Der Prunkbau neben der Börse und dem Prado-Museum hat mit der jüngsten, aufwendigen Reform durch die Mandarin-Oriental-Gruppe zwar an altem Charme verloren, kann dafür aber mit einer noch lu­xuriöseren und moderneren Ausstattung aufwarten. In den Festsälen mit goldverziertem Stuck an den hohen Decken veranstaltet das Foro Nueva Economía regelmäßig Auftritte führender Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft zum Frühstück, an dem Dutzende Unternehmer, Politikerinnen und Journalisten teilnehmen. Donnerstag vergangener Woche war die Bühne für den Präsidenten der Bundesbank, Joachim Nagel, bestellt, der nach eigenen Angaben zum zweiten Mal in Madrid war. Gut gelaunt beantwortete er die – vorab ausgewählten – Fragen. Zur Unverbindlichkeit bei vielen Themen, die sich für Notenbanker gebührt, gesellte sich die höfliche Zurückhaltung des Besuchers bei Angelegenheiten des Gastlandes. So wand sich Nagel bei der Frage nach der umstrittenen Bankensteuer in Spanien geschickt heraus, bis ihm schließlich sein Kollege Pablo Hernández de Cos aus dem Publikum zur Seite sprang. Der Gouverneur des Banco de España kündigte an, dass die Europäische Zentralbank (EZB) eine von seiner Notenbank beantragte Stellungnahme zu der Sondersteuer für die Banken abgeben werde, und zwar „sehr bald“.

Wohl kaum einer der Zuschauer beim Frühstück im Ritz rechnete damit, dass dieses Gutachten aus Frankfurt bereits am Nachmittag desselben Donnerstags erscheinen würde. Die Stellungnahme der EZB platzte mitten in eine Parlamentssitzung, in der über die Bankensteuer debattiert wurde. Zufall oder nicht – manche Politiker und Beobachter sahen darin eine mögliche Einflussnahme der Notenbanker auf die Politik. Die EZB geht in der sechsseitigen Stellungnahme bei aller diplomatischen Verschnörkelung recht hart mit dem Plan der Linksregierung in Spanien ins Gericht. Sie empfiehlt „eine gründliche Analyse“ der Folgen der geplanten Sonderabgabe von 4,8% auf Zinsüberschuss und Provisionen. Das kann man durchaus als Vorwurf an die zuständigen Minister sehen, weil eine solche gründliche Prüfung im Vorfeld nach Ansicht der Notenbanker nicht stattgefunden haben soll.

Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez rechtfertigt die auf zwei Jahre begrenzte Abgabe mit den Gewinnen, welche die Banken dank der steigenden Zinsen erzielen. Seine Finanzministerin und stellvertretende Chefin der Sozialistischen Arbeiterpartei, María Jesús Montero, reagierte zunächst sehr gelassen auf die Empfehlungen aus Frankfurt, von denen sie sich nicht von der geplanten Steuer abbringen lassen will. Doch als der EZB-Vize Luis de Guindos am Tag nach der Stellungnahme seines Hauses auf einer Veranstaltung in Madrid erklärte, die EZB wolle der Regierung ja nur helfen, wurde es Sánchez zu bunt. Wenige Stunden nach den Äußerungen von de Guindos erinnerte der Ministerpräsident den Notenbank-Vize an dessen Vergangenheit. „Ich habe gehört, dass Herr de Guindos nur helfen will. Er war Wirtschaftsminister der Regierung der (konservativen Volkspartei) PP und Urheber der Rettung der Finanzbranche, welche die spanische Gesellschaft keinen Euro kosten sollte. Davor war er Verantwortlicher bei Lehman Brothers, und heute ist er Vizepräsident der EZB. Ich bin Herrn de Guindos ohne Zweifel für die Bereitschaft zu helfen dankbar“, sagte Sánchez ironisch auf einem Gipfel in Portugal. Der Minister für die Sozialversicherung, José Luis Escrivá, wurde in der Kritik noch deutlicher und spekulierte, dass die EZB dieses Dokument mit der „Copy-and-Paste-Taste“ erstellt hätte.

Einmal mehr sprang Wirtschaftsministerin Nadia Calviño als Feuerlöscher ein, bevor die Polemik zwischen Madrid und Frankfurt sich ausbreiten könnte. Der Gesetzentwurf sei derzeit im Parlament, wo noch Änderungsanträge „zur Verbesserung“ der Bankensteuer möglich seien, versicherte die ehemalige Generaldirektorin der EU-Kommission auf einer Veranstaltung mit Investoren – nicht im Madrider Ritz, sondern am Finanzplatz London.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.