Softwarekonzern

SAP bewegt sich auf schmalem Grat

SAP kommt erlösseitig gut voran. Doch die schon mehrfach enttäuschend ausgefallene Ergebnisentwicklung wird nun noch durch die Inflation bedroht.

SAP bewegt sich auf schmalem Grat

Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern? An das berühmte Zitat von Konrad Adenauer dürfte sich mancher SAP-Kunde in diesen Tagen erinnert fühlen, als er erfahren hat, dass das Walldorfer Softwarehaus am Preis der Cloud-Angebote schrauben will. „Ich höre auch, dass der ein oder andere Wettbewerber sehr aggressiv beim Preis unterwegs ist, wenn der Kunde live ist und eine Vertragserneuerung ansteht. Wir verfolgen da eine andere Philosophie“, hatte CEO Christian Klein im Interview zum Jahreswechsel kräftigen Preisanhebungen noch eine klare Absage erteilt. Nun soll es für die Cloud-Dienste Berichten aus Anwenderkreisen zufolge zu mehr oder weniger automatisierten, jährlichen Anhebungen kommen. Dem Vernehmen nach sollen es mehr als 3% pro Jahr sein.

Laut SAP ist diese Darstellung zwar nicht ganz korrekt. Allerdings habe sich der Konzern für eine „moderate Erhöhung der Subskriptionsgebühr für Cloud-Services entschieden“. Damit verhalte man sich analog zum Verhalten der Wettbewerber und sei im konstruktiven Austausch mit den verschiedenen Anwendergruppen. In jedem Fall muss sich SAP aufgrund der global angezogenen Teuerungsraten etwas einfallen lassen. Denn auf der Kostenseite ist man ohnehin schon alert: Bei dem Softwarekonzern gilt faktisch ein Einstellungsstopp. Dass der Stellenaufbau dieses Jahr deutlich zurückgefahren werden soll, war ohnehin geplant. Mittlerweile werden aber allenfalls noch punktuell Teams erweitert. SAP habe die Mannschaft an Bord, mit der der Konzern ins Jahr 2023 gehen wolle, lautet die offizielle Linie. Zugleich prüft der Konzern, an welchen Stellen auf Leistungen Dritter verzichtet werden kann. Schon länger avisiert war, dass ab nächstes Jahr Kosten zur Cloud-Harmonisierung wegfallen, die im vergangenen Quartal immerhin noch 100 Mill. Euro ausgemacht haben. Doch ist das Gros dieser Effekte eben bereits eingepreist. Für den dramatischen Anstieg der Inflation und dessen Weiterungen gilt dies eben nur zum Teil.

An sich läuft es für SAP – wenn man von der katastrophalen Kursentwicklung absieht – sogar besser als geplant. Im Cloud-Wachstum liegt der Konzern über den selbst formulierten Erwartungen. Das Kernprodukt S/4Hana verdoppelt die Erlöse auf Jahressicht derzeit. Gerade bei diesem hatten Investoren sich lange besorgt über die langsame Migration von Kunden in die Cloud gezeigt. Finanzvorstand Luka Mucic hat wohl auch deswegen für die Mittelfristplanung bereits eine Anpassung nach oben für einen späteren Zeitpunkt im Jahr angekündigt. SAP scheint den zunächst oft holprigen Weg der Kunden in die Cloud ordentlich geglättet zu haben.

Im Gegensatz dazu hat sich der direkte Weg, auf dem sich SAP in Richtung größerer Profitabilität zu bewegen schien, in eine holprige Schotterpiste verwandelt. Eigentlich soll die Marge spätestens 2023 wieder stärker anziehen. Wird für 2022 noch ein Rückgang des operativen Ergebnisses um 4 bis 8% prognostiziert, soll es im nächsten Jahr prozentual zweistellig zulegen. Bis 2025 wird ein operativer Gewinn von mindestens 11,5 Mrd. Euro angepeilt. Das entspricht einem Durchschnittswachstum von 9% per annum – die rückläufige Entwicklung 2022 eingerechnet. Dagegen soll der Umsatz im Schnitt „nur“ um 7% steigen.

Die Inflation, die die Kosten auf verschiedenen Ebenen treibt, stellt daher eine enorme Herausforderung dar. Europas größtem Softwarekonzern kommt allerdings entgegen, dass der Euro sich gegenüber dem Dollar deutlich abgeschwächt hat. Die USA sind für SAP mit Abstand der größte Einzelmarkt. In der Cloud steht das Land sogar für mehr als die Hälfte der globalen Erlöse. US-Wettbewerber wie Oracle haben daher noch mehr Gegenwind, da sie in Dollar bilanzieren und zudem einen noch höheren Anteil ihrer Kostenbasis im Greenback haben. Das ist ein Vorteil, den SAP in der diffizilen Lage nutzen muss. Jede preisliche Anpassung sollte ein geringeres Ausmaß als bei den Wettbewerbern haben. Denn das Drehen an der Preisschraube ist auch für SAP nicht ohne Risiko. Der Konzern muss genug schrauben, um die Margenziele erreichen zu können, ohne das Wachstum abzuwürgen. Denn auch die Kunden durchpflügen ihre Ausgabenseiten. In vergangenen Krisen haben die Unternehmen zwar selten an IT-Projekten gespart, weil sie sich von diesen meist mehr Effizienz erhofft hatten. Aber dass sich historische Gewissheiten nur bis zu einem gewissen Grad in die Zukunft fortschreiben lassen, wurde 2022 schon mehrfach bewiesen. Der Softwarekonzern wandelt daher auf schmalem Grat.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.