Madrid

Spaniens Stress mit den streitenden Nachbarn

Der Krach zwischen Marokko und Algerien strahlt auch auf Spanien aus – künftige Gaslieferungen stehen auf dem Spiel. Dies ist aber nicht die einzige Bewährungsprobe für Spaniens neuen Außenminister José Manuel Albares.

Spaniens Stress mit den streitenden Nachbarn

Die Westsahara war die letzte Kolonie Spaniens, bis 1975 die Marokkaner mit dem „Grünen Marsch“ das große Gebiet der Wüste entlang der Atlantikküste unter ihre Kontrolle brachten. Bis heute ist ein Teil der Westsahara in der Hand der Frente Polisario, der autoritären Befreiungsbewegung des sahrauischen Volkes. Der ungelöste Konflikt um die Region bereitet der früheren Kolonialmacht Spanien alle paar Jahre reichlich Kopfschmerzen. In letzter Zeit hat das Thema gleich in mehreren Belangen Folgen für die spanische Wirtschaft verursacht.

Das gilt vor allem für die Energiepreise. Abgesehen von den globalen Faktoren, die überall die Strom- und Gaspreise in die Höhe schießen lassen, erschweren nun auch noch politische Spannungen in der Nachbarschaft das Problem. Denn Spanien bezieht fast die Hälfte seines Erdgases aus Algerien, mit dem es seit Jahrzehnten eine enge Zusammenarbeit pflegt. Doch im August brach Algerien nach monatelangen Spannungen die Beziehungen zum Nachbarn Marokko ab. Als Grund führten beide Seiten gegenseitige Provokationen an. Zu diesen trug auch die Frente Polisario bei, die von Algerien beschützt wird und ihren Hauptsitz jenseits der Grenze der Westsahara auf algerischem Gebiet hat. Als Konsequenz der neuen Verstimmung kündigte Algerien an, den Vertrag für die Nutzung einer Gaspipeline durch Marokko nicht über den 31. Oktober hinaus zu verlängern. Die 1400 Kilometer lange Fernleitung bringt Gas von Algerien über Marokko und die Meerenge von Gibraltar nach Spanien und Portugal. Rabat darf etwa 7% des Rohstoffes aus der Leitung für sich behalten, was einen erheblichen Teil des eigenen Bedarfs deckt.

Spaniens neuer Außenminister José Manuel Albares reiste daher in der vergangenen Woche nach Algier, um sich mit den algerischen Partnern zu besprechen. Mit dabei waren die Vorsitzenden des Stromversorgers Naturgy, Francisco Reynés, und des staatlich kontrollierten Betreibers der Gasleitungen in Spanien Enagás, Antonio Llardén. Die Algerier wollen die Iberische Halbinsel fortan über Medgaz versorgen, eine 757 km lange Pipeline durch das Mittelmeer, die Spanien ohne den Umweg über Marokko erreicht. Jedoch gibt es Zweifel, ob die Kapazitäten ausreichen, um die Mengen aus der Leitung über Marokko aufzufangen. Der Transport per Schiff ist allerdings erheblich kostspieliger. Albares erhielt von seinem Gegenüber Ramtane Lamamra das Versprechen, dass man die Gaslieferungen garantiere. In Madrid hofft man nun darauf, dass sich Algier und Rabat doch noch zusammenraufen und die Pipeline durch Marokko weiter betreiben werden.

Beinahe zur gleichen Zeit erklärte das Gericht der Europäischen Union (EuG) das Abkommen der EU mit Marokko über Fischfangrechte und Agrargüter in der Westsahara für ungültig. Man habe den Willen des sahrauischen Volkes nicht berücksichtigt. Kläger war die Frente Polisario. Betroffen von der Entscheidung sind 92 spanische Fischkutter, die vor der Küste der Westsahara im Atlantik auf Fang gehen. Andersherum freuen sich Landwirte in Südspanien darüber, dass nun billigere Importe aus dem Nachbarland erst einmal vom Markt verschwinden könnten. Die EU und Marokko sind um eine Lösung bemüht, die dem Urteil gerecht wird.

Außenminister Albares verdankt seinen Posten übrigens auch dem Konflikt um die Westsahara. Im Juli wurde der außenpolitische Berater des spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez im Rahmen einer größeren Regierungsumbildung zum Chefdiplomaten ernannt. Seine Vorgängerin Arancha González Laya war offenbar über den jüngsten diplomatischen Konflikt mit dem Nachbarland Marokko gestolpert. Sie hatte die Behandlung des Polisario-Führers Brahim Ghali in einem spanischen Krankenhaus ermöglicht. Aus Protest zettelten die marokkanischen Behörden den Sturm von Tausenden Menschen in die spanische Exklave Ceuta an. Mittlerweile hat sich die Lage beruhigt, und Rabat hat seine zuvor abgezogene Botschafterin wieder nach Madrid zurückgeschickt. Die Feindschaft der beiden wichtigen Nachbarn im Maghreb wird aber auch in nächster Zeit von Albares größtmögliches diplomatisches Geschick erfordern.

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