Fed-Spitze

Tauziehen um den Chef­sessel bei der US-Noten­bank

Eine zweite Amtszeit Jerome Powells an der Spitze der Fed galt lange als wahrscheinlich. In den vergangenen Wochen türmten sich jedoch immer neue Hindernisse im Weg des Fed-Chefs auf – und immer wieder werden auch neue Namen genannt.

Tauziehen um den Chef­sessel bei der US-Noten­bank

Von Peter De Thier, Washington

Die meisten Ökonomen und Fed-Beobachter bescheinigen US-Notenbankchef Jerome Powell, während seiner knapp vier Jahre im Amt einen guten Job gemacht zu haben. Insbesondere habe er während der Coronavirus-Pandemie mit einer ultralockeren Geldpolitik, die klar konzipiert und transparent gewesen sei, die Wirtschaft souverän durch eine der tiefsten Rezessionen, wenn auch die kürzeste, in der Geschichte des Landes geführt. Umso erstaunlicher ist es, dass Powells Stuhl zu wackeln scheint und nicht sicher ist, dass Präsident Joe Biden ihn für eine zweite Amtsperiode nominieren wird. Zwar räumen die meisten Experten ihm gute Chancen ein, bis 2026 im Amt zu bleiben. Der perfekte Sturm aus ethischen Verstößen innerhalb der Notenbank und der wachsenden Kritik an Powells Strategie zur Inflationsbekämpfung könnte ihm in den kommenden Wochen allerdings noch zu schaffen machen.

Nötig hat der schwerreiche Investmentbanker, der eine zweite Amtszeit mit 69 Jahren antreten würde, den Job nicht. Doch ähnlich wie 2011, als Powell nach Washington kam, um für ein symbolisches Jahresgehalt von einem Dollar bei Verhandlungen um die Anhebung der Schuldengrenze zu vermitteln, sieht er die Spitzenposition bei der Fed als Herausforderung, die er unbedingt meistern will. Das weiß vor allem US-Finanzministerin Janet Yellen zu schätzen, die seine Vorgängerin an der Spitze der Fed war und Powell das Vertrauen ausgesprochen hat.

Seitdem Yellen im Januar ihre neue Position in der Biden-Regierung antrat, war die Zusammenarbeit zwischen dem Treasury, dem US-Finanzministerium, und der Zentralbank eng, vertrauensvoll und intensiv. Allein die Tatsache, dass sie dem Präsidenten riet, den Republikaner an Bord zu behalten, dürfte Powells Chancen auf eine Verlängerung seiner Amtszeit deutlich erhöhen. Dennoch haben sich bedeutende Hürden aufgetürmt – die jüngsten in Form von zwielichtigen Wertpapiergeschäften, an denen zwar nicht Powell selbst, aber führende Notenbanker während der Pandemie Geld verdienten.

Zwar sind die beiden regionalen Fed-Präsidenten Eric Rosengren und Robert Kaplan nun von der Bildfläche verschwunden. Die jüngsten Enthüllungen, wonach Powells Stellvertreter Richard Clarida noch am Tag vor der Zinssenkung im März vergangenen Jahres in Aktienfonds investierte, sind aber ein Makel, der auch dem obersten Währungshüter noch lange Zeit anhaften wird. Durchaus nachvollziehbar ist daher auch die Kritik der demokratischen Senatorin Elizabeth Warren, die es für untragbar hält, dass der Fed-Chef seine Untergebenen nicht besser im Griff hatte und ihnen während des Coronajahres nicht einfach den Aktienhandel strikt verboten hat.

Zwar neigt die Senatorin immer mal wieder zu Übertreibungen, etwa als sie Powell einen „gefährlichen Mann“ nannte und ihm jegliche Kompetenz für sein Amt absprach. Sie hat aber mehrere Demokraten auf ihrer Seite. Diese fordern ebenso wie Warren Ermittlungen durch die Börsenaufsichtsbehörde Securities and Exchange Commission (SEC), die feststellen soll, ob Clarida Insider-Regeln verletzt hat.

Unabhängige Beobachter wie Jeff Hauser, Gründer des „Revolving Door Project“, gehen sogar noch weiter. Hauser hat Biden aufgefordert, den engen Verflechtungen zwischen der Wall Street und der Notenbank einen Riegel vorzuschieben, und weist darauf hin, dass sogar der Notenbankchef selbst vergangenes Jahr nicht weniger als 26 verschiedene Aktiengeschäfte tätigte.

Kritische Geldpolitik

Darin aber besteht nicht Powells einziges Problem. Kritisiert wird er von Mitgliedern beider Parteien auch wegen seiner Geldpolitik. Selbst Republikaner meinen, dass er die Folgen der hohen Inflation unterschätzt und mit seiner Behauptung, die steigende Teuerungsrate sei vorübergehend, das Problem verharmlost. Sie meinen, die Drosselung der Anleihekäufe (Tapering) hätte viel früher beginnen müssen.

Einige Demokraten hingegen werfen Powell vor, zu weich in Sachen Bankenaufsicht zu sein. Warren und andere progressive Mitglieder ihrer Partei kritisieren die unter seiner Ägide durchgeführten Stresstests als wirkungslos. Sie sind der Auffassung, dass Powell als früherer Investmentbanker Interessenkonflikte hat und deswegen bei jener Branche, in der er ein Vermögen verdiente, bewusst ein Auge zudrücke.

Während der letzten Wochen haben sich für den amtierenden Fed-Chair die Probleme zweifellos gehäuft. So gesehen ist es kein Wunder, dass immer wieder auch der Name Lael Brainards genannt wird, die seit 2014 im Vorstand der US-Notenbank sitzt. Elizabeth Warren und andere progressive Demokraten würden die gebürtige Hamburgerin gerne an der Spitze der US-Notenbank sehen.

Brainard (59), eine Demokratin, leitete vorher im US-Finanzministerium die Abteilung für internationale Wirtschaftsbeziehungen. Sie hatte eine Schlüsselrolle während der europäischen Schuldenkrise inne und verstärkte den Druck auf China, den Yuan zu flexibilisieren. Ausgeschlossen ist es nicht, dass die Finanzexpertin den Zuschlag bekommt. Das wahrscheinlichere Szenario ist nach Ansicht der meisten Analysten allerdings ein Gespann Powell-Brainard, wonach er den Vorsitz behält und die Hamburgerin die Nachfolge von Randal Quarles übernimmt, dessen Amt als zweiter Vize-Vorsitzender, der für Finanzmarktregulierung zuständig ist, am 13. Oktober abläuft. Die Nominierung obliegt allein Biden, und der dürfte seine Entscheidung in den kommenden Wochen bekannt geben. Ungeachtet der Kritik seitens mehrerer Senatoren dürfte dann klar sein, dass der Bankenausschuss mitziehen und Bidens Kandidaten bestätigen wird.

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