Billionenstreit

US-Haushaltsgesetz auf der Kippe

Selten stand in der Debatte über ein US-Haushaltsgesetz so viel auf dem Spiel wie dieses Jahr. Selbst in Reihen der Demokraten halten einige Bidens Billionenpläne für überflüssig – oder gar gefährlich.

US-Haushaltsgesetz auf der Kippe

Von Peter De Thier, Washington

Noch nie in der Geschichte debattierte der US-Kongress ein Haushaltsgesetz, von dem wirtschaftlich und politisch so viel abhängt wie von Präsident Joe Bidens 3,5 Bill. Dollar schwerem Budgetentwurf. Schaffen es die Demokraten, das Gesetz durch den Senat zu bringen, verliehe dies der angeschlagenen Biden-Präsidentschaft nicht nur neuen Schwung. Gleichzeitig gelänge es Biden, mehr seiner politischen Prioritäten in ein Gesetzeswerk zu packen als jedem seiner 45 Vorgänger. Allerdings würde es die Staatsschulden noch weiter nach oben treiben und es könnte die Inflation, die ohnehin schon Sorgen bereitet, weiter anheizen.

Zu jenen Prioritäten, die zur Geltung kommen sollen, zählen der Ausbau des Sozialstaats, der Kampf gegen den Klimawandel und mehr Investitionen in die Infrastruktur. Das Ausgabengesetz wäre damit umfassender als selbst Präsident Franklin Delano Roosevelts „New Deal“, mit dem „FDR“ die Folgen der Weltwirtschaftskrise abfederte und den Sozialstaat ausbaute. Scheitert der Vorstoß, wäre dies für den Präsidenten und die Demokraten ein herber Rückschlag, der weite Kreise ziehen würde und sie 2022 ihre Mehrheiten im Kongress kosten könnte.

Aus verteilungspolitischer Sicht ist der Budgetentwurf, der auf eine Überwindung des immer größeren Einkommensgefälles abzielt, durchaus verdienstvoll. So wollen die Demokraten Ärmere steuerlich entlasten. Auch soll nach europäischem Vorbild Kindergeld eingeführt werden. Ein für viele Bürger unerschwinglicher Studium soll möglich werden, indem Studenten staatliche Universitäten zwei Jahre lang gebührenfrei besuchen dürfen. Zudem soll in ärmeren Gegenden und Regionen verstärkt in das Bildungswesen investiert werden.

Kampf gegen Klimawandel

Eine starke sozialpolitische Komponente weist auch der gesundheitspolitische Teil des Haushalts auf. So wollen die Demokraten die staatliche Krankenversorgung Medicare um jene zahnärztliche und augenärztliche Versorgung erweitern, die derzeit Millionen von Amerikanern versagt bleibt. Auch sollen die unter der Gesundheitsreform Obamacare beschlossenen Subventionen für Krankenversorgung erhöht werden.

Den dritten Eckpfeiler des Gesetzes bildet der Kampf gegen Klimawandel, gepaart mit Infrastrukturinvestitionen. Schließlich hat der Präsident das erklärte Ziel, bis 2030 die CO2-Emissionen um 50% zu senken und sicherzustellen, dass 80% des Stroms aus erneuerbaren Quellen kommt. Dazu sind Investitionen in dreistelliger Milliardenhöhe vorgesehen. Auch müssten Umweltsünder Bußgelder zahlen und Haushalte sowie Industrien, die umweltfreundlich umrüsten, beispielsweise durch die Installation von Solarpaneelen und die Verwendung erneuerbarer Energien, in den Genuss von Steuernachlässen kommen.

Das Gerangel dauert nun schon seit Monaten an, und ein Ende ist nicht in Sicht. Dabei ist das Ziel der Demokraten klar definiert: Da sie sowohl im Senat als auch im Repräsentantenhaus die Mehrheit besitzen, sind sie nicht auf die Zustimmung der Republikaner angewiesen. Die Republikaner lehnen vor allem die geplanten Steuererhöhungen ab, mit denen das Gesetz teilweise finanziert werden soll. So wollen Biden und seiner Parteifreunde den Spitzensteuersatz für die Einkommensteuer von derzeit 37 auf 39,6% und die Unternehmenssteuer von 21 auf 26,5% anheben.

Gleichwohl kann die Oppositionspartei nicht, wie in anderen Fällen, durch einen „Filibuster“, eine endlose Debatte im Senat, ein Gesetz zu Falle bringen. Über das sogenannte „Reconciliation“-Verfahren, das die Mehrheitspartei maximal dreimal im Jahr einsetzen darf, können die Demokraten die Debatte blockieren.

Das aktuelle Problem besteht vielmehr darin, dass nicht alle Demokraten an Bord sind. Besonders prekär ist das im Senat, wo die Mehrheit hauchdünn ist. Widerstand leistet vor allem Senator Joe Manchin, ein moderater Demokrat aus dem konservativen West Virginia. Ihm ist wie vielen anderen das Paket schlichtweg zu teuer.

Für überflüssig halten Gegner den Haushaltsentwurf, der mitten im Aufschwung die Wirtschaft zusätzlich stimulieren würde, nicht nur mit Blick auf die potenziell inflationären Folgen. Besorgt sind sie auch über die Tatsache, dass auf einen Schlag die Staatsverschuldung von etwa 28,5 Bill. auf 32 Bill. Dollar steigen würde und die Schuldenquote sich der Marke von 150% nähern würde. Auch würde das Budget an der Neuverschuldung gemessen das Loch im öffentlichen Haushalt weiter aufreißen und zur höchsten Defizitquote seit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg führen.

Zweistelliges Defizit

Im Krisenjahr 2020 hatte der Fehlbetrag 3,1 Bill. Dollar erreicht, und im Juli sagte die Budgetbehörde Congressional Budget Office (CBO) für dieses Jahr einen Passivsaldo von 3,0 Bill. Dollar sowie eine Defizitquote von 13,4% voraus. Sollte das neue Ausgabengesetz verabschiedet werden, dann würden diese Zahlen noch deutlich höher ausfallen. Die Demokraten sind nun am Zuge, und bereits diese Woche dürfte sich zeigen, ob sie sich mit den Republikanern auf ein billigeres Budget einigen oder im Alleingang einen Haushalt verabschieden werden, der aber angesichts des internen Widerstands auch unterhalb der von Biden anvisierten 3,5 Bill. Dollar liegen dürfte.

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