LeitartikelAutomobilkonzern

VW-Chef Blume im Kreuzfeuer

Der Sack Probleme, die VW-Chef Oliver Blume von Herbert Diess geerbt hat, leert sich nur langsam – und hält Blume auch 2024 im Kreuzfeuer.

VW-Chef Blume im Kreuzfeuer

Blume im Kreuzfeuer

Volkswagen

Der Sack Probleme, die VW-Chef Oliver Blume von Herbert Diess geerbt hat, leert sich nur langsam – und hält Blume im Kreuzfeuer.

Für den US-Wettbewerber General Motors soll 2024 das "Jahr der Umsetzung" werden, wie Konzernchefin Mary Barra verkündet hat. Ford-Chef Jim Farley rät den Investoren, Tesla zu vergessen, weil die Zukunft der Branche das Flottengeschäft sei (oder um abzulenken, wie viel Geld Ford mit jedem verkauften E-Auto verliert). Die von Doppel-CEO Oliver Blume geleiteten Autobauer VW und Porsche stimmen die Anleger derweil auf ein schwieriges Jahr ein – geprägt von Sparanstrengungen, Preiskämpfen und schwachen Absatzmärkten.

Die Gemengelage für Deutschlands größten Autobauer ist komplex. Zwar hat der VW-Konzern die Auslieferungen 2023 über alle Marken um mehr als ein Zehntel auf 9,24 Millionen Fahrzeuge gesteigert. Von den Rekordjahren 2018 und 2019 mit je knapp 11 Millionen Pkw sind die Wolfsburger aber weit entfernt. Wann wieder ein vergleichbares Niveau erreicht werden kann, lässt sich nicht abschätzen. Denn im wichtigsten Markt China schwächelt VW. Während der Absatz in Nordamerika um knapp 18% und in Europa sogar um fast 20% geklettert ist, blieb in China 2023 nur ein kümmerliches Plus von 1,6%. Dabei sind die Auslieferungen im Reich der Mitte kräftig gewachsen. Bei den Auslieferungen rein batterieelektrischer Autos (BEV) legte VW in China zwar um 23% zu und damit etwa so kräftig wie der Gesamtmarkt. Doch Rivalen wie Tesla (+37%) oder gar BYD (+61%) haben noch einmal eine ganz andere Dynamik gezeigt.

Vor diesem Hintergrund kommt der jüngste Skandal zu Zwangsarbeit bei chinesischen Zulieferern von Volkswagen zur Unzeit. Ein einzelnes Bauteil hat dafür gesorgt, dass tausende Fahrzeuge des VW-Konzerns in den USA vom Zoll aufgehalten wurden. Immerhin dürfte es keine horrende Strafe setzen. Denn der Dax-Konzern hat die US-Behörden selbst informiert, nachdem er Kenntnis von der problematischen Herkunft des Bauteils hatte. Das grundlegende Problem mit der Produktion in der Uiguren-Provinz ist lange bekannt. Der ehemalige Vorstandschef Herbert Diess hatte es auf dem Tisch, ohne es zu adressieren.

Ein weiteres Problem, das Blume nun auf die Füße fällt, sind strategische Fehlentscheidungen in der Modellpolitik von Diess – bei Hardware wie auch Software. Für Letztere hätten von Beginn an Partner gesucht werden müssen, um schneller voranzukommen. Erstere wirkte bei ID.3 und ID.4 schnell in die Jahre gekommen. Zudem sind die Autos viel zu teuer in der Produktion, um sie zu wettbewerbsfähigen Preisen anbieten zu können. Blume hat mit seinem Sofortprogramm zwar schon viel bewegt. Der ID.3 hat ein Facelift erhalten und die Konfigurations-Optionen wurden ausgedünnt. Bei der Software ist es immerhin gelungen, dass der Porsche Macan, dessen Hardware seit über einem Jahr fertig war, endlich in den Verkauf gehen kann. Insgesamt hat die Unentschlossenheit von Diess aber dazu geführt, dass die Modellvielfalt und damit die Komplexität durch separate E-Auto-Linien weiter gestiegen ist, obwohl das Gegenteil vonnöten war. Smarter hatte es etwa BMW angestellt, die ihre klassischen Modellreihen elektrifiziert hat. Ein 5er BMW und ein i5 teilen zahlreiche Komponenten und laufen vom gleichen Band. Bei VW werden Golf und ID.3 nicht einmal im selben Werk gefertigt.

Auch hier steuert Blume nach. Sein Problem sind die langen Produktzyklen der Branche. Während er strategisch umsteuert, muss der 55-Jährige die vom Vorgänger eingebrockte Suppe auslöffeln. Dessen Bilanz fällt in der Nachbetrachtung vernichtend aus. Trendwende in China: verpennt. Software: aufs falsche Pferd gesetzt. Elektrifizierung: zu radikal beim Design, zu zaghaft bei der Effizienz. Blume hat die Designchefs der Marken VW und jüngst von Audi ausgetauscht. Zudem ist der Porsche-Designchef Michael Mauer zugleich Designchef des VW-Konzerns. In China wurde umgesteuert und bei Software setzt VW nun auf Partner. Doch bis sich Erfolge einstellen, wird es dauern. Wenn also mit Blick auf 2024 Durchhalteparolen kommen, sollte das nicht verwundern. Blumes Problem? Eine Eigenschaft, die gerade in dieser Phase nottäte, ist insbesondere bei den Eigentümerfamilien Porsche und Piëch traditionell kaum vorhanden: Geduld.

Von Sebastian Schmid
BZ+
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