Unterm StrichEnergiewende

Wind of Change im Offshore-Park

Die Windkraft-Offensive der EU wird kein Wind of Change für die Energiewende, sondern bestenfalls ein laues Lüftchen. Mit gravierenden Folgen für den Strompreis und die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie.

Wind of Change im Offshore-Park

Unterm Strich

Wind of Change im Offshore-Park

Von Claus Döring

Die Windkraft-Offensive der EU wird kein Wind of Change für die Energiewende, sondern bestenfalls ein laues Lüftchen. Mit gravierenden Folgen für den Strompreis und die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie.

Tiefrote Zahlen bei Windturbinenbauern wie Vestas oder Siemens Gamesa, Reißaus von Offshore-Windparkbetreibern wie Orsted oder Vattenfall aus geplanten Großprojekten. Die vermeintliche Boombranche Windenergie pfeift auf dem letzten Loch, RWE-Chef Markus Krebber spricht vom „perfekten Sturm“. Galoppierende Rohstoffkosten, Lieferkettenprobleme und steigende Zinsen lassen die ehrgeizigen Ausbauziele der Offshore-Windkraft weltweit zu Makulatur werden und gefährden insbesondere die Energiewende in Europa. Die Kluft zwischen den bisher installierten Kapazitäten und den Zielen wird immer größer, die Vision von den Meeren als „Kraftwerk Europas“ scheint vom Winde verweht. Nun stemmt sich die EU-Kommission mit einer Windkraft-Offensive gegen das drohende Scheitern ihres wichtigsten Projekts, der grünen Transformation (vgl. BZ vom 25. Oktober): Beschleunigte Genehmigungsverfahren, ein geändertes Auktionssystem zur Bevorzugung heimischer (europäischer) Produzenten und erleichterte Finanzierungen mit Kreditabsicherungen insbesondere durch die Europäische Investitionsbank (EIB) sind die drei Schwerpunkte des Aktionsplans der EU. Leider werden sie nicht viel bewirken.

Erstens: Selbst wenn es kurzfristig gelingt, die Genehmigungsdauer von neuen Windparks von bisher zehn Jahren zu halbieren, fehlt die Infrastruktur, um die dann größeren Mengen an Windenergie zu den Kunden zu bringen.  Die Achillesferse der Energiewende, nämlich der viel zu schleppende Ausbau der Netzinfrastruktur, bleibt.

Zweitens: Das geänderte Auktionsdesign, bei dem nicht allein der Preis, sondern auch Aspekte der Versorgungssicherheit zählen, soll subventionierte chinesische Anbieter – wie bisher – außen vor lassen. Doch die Kapazitäten der europäischen Anbieter reichen bei weitem nicht aus, um die ehrgeizigen Ausbauziele zu erreichen. Die europäische Wertschöpfungskette ermöglicht den Zubau von 7 Gigawatt (GW) im Jahr, nötig wären 30 GW. Schon jetzt ist man nicht nur bei Zulieferungen für die Turbinen auf China angewiesen, selbst für die Fundamente der Offshore-Windräder braucht man schon chinesische Unternehmen. Die EU steht vor einem Zielkonflikt: Entweder die ehrgeizigen Ziele des Windkraftausbaus eindampfen oder die europäische Souveränität aufgeben. Das Schicksal der europäischen Solarindustrie, die von der chinesischen Billigkonkurrenz völlig verdrängt wurde, ist das Menetekel an der Wand.

Drittens: Die vage Ankündigung eines Fördertopfs bei der EIB und die Aussicht auf Kreditabsicherungen werden wenig helfen. Für Investoren wie auch Kreditgeber – bei europäischen Projekten bis zu 80% des Investitionsvolumens – zählen Kostenkalkulationen und Ertragsaussichten. Die Rückkehr der Inflation hat angesichts der langen Fristen bis zur Inbetriebnahme gravierende Folgen. Bisher wurde bei Fremdkapitalfinanzierungen von Offshore-Projekten oft der Euribor plus 140 Basispunkte zugrunde gelegt. Der 1-Monats-Euribor war seit Februar 2015 negativ, noch Anfang 2022 mit minus 0,6% nahe seinem Allzeittief. Inzwischen liegt er bei 3,9%. Dass dies jede Kalkulation durch den Wind haut, liegt auf der Hand. In Kombination mit Kostensteigerungen für die Turbinen von 30% und mehr war absehbar, dass für den Fall von Festpreisvereinbarungen dann der Turbinenhersteller (wie Siemens Gamesa), bei variablen Preisen der Windparkbetreiber und bei Varianten dazwischen beide in die roten Zahlen rasseln würden. So viele Subventionen kann die EIB gar nicht leisten, um diese Verteuerungen auszugleichen, zumal bei perspektivisch und politisch gewollt sinkenden Preisen für Windenergie.

Fazit: Die Windkraft-Offensive der EU wird kein Wind of Change für die Energiewende, sondern bestenfalls ein laues Lüftchen. Mit gravierenden Folgen für den Strompreis und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie.

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