Regionalbanken und EU-Institutionen

Ziemlich beste Feinde

Deutschlands Regionalbanken und Europas Institutionen haben ein spannungsreiches Verhältnis. Statt sich in allgemeinen Kontroversen zu verausgaben, gibt es gute Gründe, sich auf konkrete Streitpunkte zu konzentrieren.

Ziemlich beste Feinde

Die Europäische Union zählt 24 Amtssprachen. Und trotzdem gibt es für bestimmte Gruppen, die den Dialog mit EU-Kommission und EU-Parlament suchen, immer wieder Verständigungsprobleme. Genau davon können Sparkassen und Volksbanken in Deutschland ein Lied singen. Wahrscheinlich braucht es weniger Geschick, um dem Papst ein Doppelbett zu verkaufen, als einen EU-Beamten vom Sinn regulatorischer Erleichterungen für Regionalbanken zu überzeugen.

Insofern ist verständlich, dass Sparkassen und Genossenschaftsbanken mit den europäischen Institutionen hadern. Die Entscheidung der EU, sich beim „financial repair“ in Reaktion auf die Bankenkrise 2007/08 nicht nur auf die großen Akteure zu konzentrieren, sorgt seither für großen Aufwand in kleinen Banken. Und die Tatsache, dass Umfang und Kleinteiligkeit der Vorgaben für das Bankgeschäft – allen Ansagen zum Trotz – bis heute kräftig steigen, lässt sich anschaulich ablesen an den stetig zunehmenden Kosten, die Aufsichtsbehörden Banken in Rechnung stellen. Denn wo es mehr Geld für Prüfer und Prüfungen braucht, sind auch mehr Sparkassler und Volksbanker erforderlich, die Datenfelder füllen müssen, statt Kredite zu bearbeiten.

Die Hoffnung, dass das Verständnis der EU-Gesetzgeber für regionale Banken wächst, weil sie gerade in Krisen ihre Bedeutung unter Beweis stellen, hat sich bislang nicht erfüllt. Sparkassen und Kreditgenossen haben in der Pandemie für eine zügige Verteilung von Liquiditätshilfen gesorgt und viele Flüchtlinge aus der Ukraine mit Konten versorgt. Im politischen Brüssel schenkt man ihnen trotzdem nicht mehr Gehör. Zumindest ist das die Wahrnehmung derer, die mit den Finanzmarktdossiers zu tun haben – nicht nur der Lobbyisten.

So weit, so schlecht. Es gibt freilich auch die Perspektive der EU-Institutionen. Sie haben wiederum Grund, mit manchem zu hadern, was ihnen seitens der Regionalbanken vorgetragen wird. Etwa mit der Behauptung, Regionalbanken seien pauschal krisenfest. Warum, so fragen sich EU-Beamte, hatten sie dann in den vergangenen Jahren reichlich zu tun mit Beihilfeverfahren gegen Landesbanken und Sparkassen. Zudem waren unter den Problemfällen, die in Brüssel anstrandeten, mit Italiens Vicenza und Spaniens Banco Popular jede Menge Volksbanken und andere regionale Institute beteiligt.

Auch verfängt bei den Berufseuropäern nicht die gebetsmühlenartige Klage gegen jede Form des Meldewesens. Wenn etwa Vertreter kleiner Banken in Debatten über Taxonomie nur über Reporting-Anforderungen klagen, setzen sie sich dem Verdacht aus, es mit der grünen Transformation nicht so ernst zu nehmen. Oder sie müssen erklären, wie sie nachhaltige Investments finanzieren wollen, ohne bestimmte Daten zu erheben.

Kurzum: Beide Seiten tragen dazu bei, dass das Verhältnis zwischen europäischen Gesetzgebern und Regionalbanken – gelinde formuliert – nicht spannungsfrei ist. Leider kann man nicht einfach sagen: Dann ist das halt so. Denn immerhin handelt es sich bei Sparkassen und Volksbanken um einen zen­tralen Bestandteil der Finanzierung von Deutschlands Wirtschaft.

Die Aussichten, dass sich die Stimme der Regionalbanken in der EU künftig lauter durchsetzt, sind zwar überschaubar, denn viele EU-Länder mit einem deutlich höheren Konzentrationsgrad in der Kreditwirtschaft fremdeln mit dem Thema. Daher finden sich im EU-Parlament kaum Mehrheiten für Erleichterungen. Immerhin aber hat sich die EU zuletzt in einzelnen Punkten bewegt, sei es bei den Übergangsfristen für Kredite an Firmen ohne Rating, beim KMU-Faktor für die Kapitalanforderungen oder bei der Einführung der Kategorie „nichtkomplexer“ Institute.

Genau das sind Punkte, an denen es sich anzusetzen lohnt, um die regulatorischen Belastungen regionaler Institute zu begrenzen. Statt sich in allgemeinen Kontroversen zu verausgaben, gibt es gute Gründe, für höhere Schwellenwerte „non-komplexer“ Banken zu kämpfen – gerade in Zeiten anziehender Inflation. Auch dürfte die Chance groß sein, EU-Abgeordnete zu überzeugen, den Spielraum der Aufsichtsbehörden eng zu halten und in Richtlinien und Verordnungen nur noch so viele delegierte Rechtsakte vorzusehen wie nötig.

In anderen Worten: Dass Europas Institutionen und Deutschlands Regionalbanken Busenfreunde werden, ist recht unwahrscheinlich. Aber sie müssen ja auch nicht in alle Ewigkeiten ziemlich beste Feinde bleiben.

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