Top-Management

Das Fieber steigt bei Credit Suisse

Etliche Top-Manager der Credit Suisse verlassen die Bank oder haben dies schon getan. Mal mehr, mal weniger freiwillig. Ein Aktionärstreffen am Freitag wird zum Spießrutenlauf für die Bankführung.

Das Fieber steigt bei Credit Suisse

Von Daniel Zulauf, Zürich

In der Credit-Suisse-Führungsetage herrscht Hektik pur. Das zeigen die Wechsel im Top-Management, welche die Bank am Mittwoch zusammen mit einem schon in der vergangenen Woche vorangekündigten Quartalsverlust mitgeteilt hat. Der langjährige Finanzchef David Ma­thers wird die Bank offiziell auf eigenen Wunsch verlassen, um einer neuen Herausforderung nachzugehen. Einen Nachfolger für den 57-jährigen Briten kann die Bank aber nicht präsentieren. Bis es so weit ist, soll er die Arbeit fortsetzen. Mathers ist seit 24 Jahren für die Credit Suisse tätig, die Hälfte davon als Finanzchef.

Im Urteil eines Kenners der Bank, der nicht genannt werden will, steht außer Frage, dass der gewiefte Zahlenmann eine erhebliche Mitschuld an jüngsten Großpleiten der Bank trägt. Das Magazin „Bilanz“ bezeichnete ihn unlängst als eine Art „Schattenchef“. Sein Abgang kommt kaum freiwillig. Die Credit-Suisse-Führung muss am Freitag vor ihre Aktionäre treten, wenn auch nur im Rahmen einer virtuellen Generalversammlung.

Das anstehende Aktionärstreffen wird zum Spießrutenlauf für die Bankführung. Eine Gruppe von Eigentümern unter Führung der Genfer Anlagestiftung Ethos verlangt mit Blick auf die Vorgänge rund um die Geschäfte mit dem Lieferkettenfinanzierer Greensill eine Sonderprüfung. Die Führung der Credit Suisse wehrt sich dagegen mit dem Argument, dass eine solche Prüfung die Bemühungen des Instituts zur Eintreibung offener Forderungen in Milliardenhöhe unterlaufen könnte. Verschiedene Aktionärsvertreter haben bereits angekündigt, der Bankleitung die Entlastung zu verweigern.

Mathers’ mutmaßliche Entlassung könnte als Versuch gewertet werden, die frustrierten Aktionäre zu beruhigen und auf die Seite des Verwaltungsrates zu ziehen. Ähnliches gilt für den ebenfalls abtretenden Chefjuristen Romeo Cerutti. Er ist seit zehn Jahren in dieser Rolle für die Großbank tätig und macht unter anderem im Zusammenhang mit der Affäre um die Beschattung des früheren Credit-Suisse-Top-Managers Iqbal Khan eine wenig überzeugende Figur.

„Alles Gute für die Zukunft“

Während CEO Thomas Gottstein David Mathers’ Verabschiedung immerhin explizit bedauert, gibt es für Cerutti nur ein „alles Gute für die Zukunft“. Das sind deutliche Zeichen, dass hier längst überfällige Personalentscheidungen unter erheblichem Zeitdruck nachgeholt werden. An Ceruttis Stelle tritt der frühere UBS-Chefjurist Markus Diethelm, der im November des vergangenen Jahres nach 13-jähriger Tätigkeit für die UBS in der gleichen Funktion ausgeschieden war. Diethelm war mitverantwortlich für die riskante Verteidigungsstrategie der UBS im Steuerprozess in Frankreich, der den Konzern im schlechten Fall eine Strafe in Milliardenhöhe kosten könnte.

Auch Helman Sitohang muss seinen Posten als CEO der Region Asien-Pazifik räumen. Er wird ersetzt durch den Credit-Suisse-Veteranen Edwin Low, der derzeit als Co-Chef der asiatischen Investment Bank mit Sitz in Singapur tätig ist. Der vom früheren Credit-Suisse-Chef Tidjane Thiame in die Geschäftsleitung beförderte Sitohang wird ebenfalls mit den schiefgelaufenen Greensill-Geschäften in Verbindung gebracht. Der Manager hat aber offensichtlich gute Verbindungen in seiner Region und soll als Betreuer von „Kernkunden“ weiterhin für die Bank tätig bleiben.

Das Top-Management der Credit Suisse wurde im Zug der Greensill- und der milliardenschweren Archegos-Pleite schon im vergangenen Jahr durchgeschüttelt. US-Bundesstaatsanwälte haben den Besitzer und den Finanzchef des im Frühjahr 2021 zusammengebrochenen Vermögensverwalters Archegos Capital Management nun wegen Erpressung und Betrugs angeklagt. Bill Hwang und Patrick Halligan hätten Archegos missbraucht, um Aktien zu manipulieren und Maklerfirmen zu belügen. Die Pleite kostete große globale Banken wie Credit Suisse, Nomura Holdings, Morgan Stanley und Deutsche Bank mehr als 10 Mrd. Dollar.

Gefeuert bei der Credit Suisse wurden zuletzt die Risikochefin und der Leiter des Assetmanagements. Im Verwaltungsrat kam es zum Rücktritt des Leiters des Prüfungsausschusses, und am Freitag tritt auch der bisherige Lead Independent Director und Roche-Chef Severin Schwan nicht mehr zur Wiederwahl an. In der Asset-Management-Division kam es aufgrund des Greensill-Debakels zu zehn Entlassungen auf tieferen Managementstufen.

Blicke richten sich auf CEO

Die Vermutung lieg nahe, dass der Verwaltungsrat unter der Leitung von Axel Lehman auch CEO Thomas Gottstein in Frage stellt. Auf der Telefonkonferenz zum Quartalsabschluss gab dieser auf eine entsprechende Journalistenfrage eine ausweichende Antwort. Neu zur Bank stößt im Oktober Francesca McDonagh, die derzeit als Chefin der Bank of Ireland tätig ist. Die „Irish Times“ vermutet, dass ihr Wechsel in die Schweiz als künftige CEO der Region Europa und Mitglied der Konzernleitung im Zusammenhang mit einem staatlich verordneten Lohndeckel für irische Bankmanager steht.

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