Stabwechsel im Institut der Wirtschaftsprüfer

IDW-Chef Naumann schlägt ein neues Kapitel auf

Der langjährige Vorstandssprecher des Instituts der Wirtschaftsprüfer, Klaus-Peter Naumann, geht in den Ruhestand. In seiner Ära hatte er einige regulatorische Umbrüche zu meistern. Es steht zu erwarten, dass er seine Expertise künftig an anderer Stelle einbringt.

IDW-Chef Naumann schlägt ein neues Kapitel auf

IDW-Chef Naumann schlägt ein neues Kapitel auf

Von Sabine Wadewitz, Frankfurt

Im Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) geht eine Ära zu Ende. Vorstandssprecher Prof. Dr. Klaus-Peter Naumann (64), seit Jahrzehnten die starke Stimme in der Interessenvertretung des Berufsstands, geht zum Jahresende in den Ruhestand – was vermutlich ein Unruhestand wird. Das Ruder übernimmt, wie schon länger bekannt, die Wirtschaftsprüferin und Steuerberaterin Melanie Sack, die sich als Stellvertreterin von Naumann seit einiger Zeit in Düsseldorf auf die neue Aufgabe vorbereitet hat.

Naumann hat in seiner Amtszeit grundlegende regulatorische Umbrüche fachlich begleitet und auch in den eigenen Reihen der Prüferzunft manche Woge glätten müssen. Nicht zuletzt stand der Berufsstand wiederholt in Bilanzskandalen am Pranger – mit dem Wirecard-Skandal als heftigstem Einschlag. Denn in jeder Unternehmensschieflage stellen die Stakeholder die Qualität der Abschlussprüfung in Frage, was auch die vom IDW erstellten Prüfungsstandards trifft. "Wenn es solche Skandale gibt, werde ich immer gefragt: Wo ist die warnende Stimme der Wirtschaftsprüfer?", sagt Naumann im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

Frühwarnfunktion

Die Kritik blieb aus seiner Sicht nicht ungehört. Der Berufsstand habe reagiert und eine "Frühwarnfunktion" entwickelt. "Wir sind als Wirtschaftsprüfer in den jeweiligen Mandaten zur Verschwiegenheit verpflichtet, können also gegenüber der Öffentlichkeit nichts sagen. Aber wir können über die Expertise des Berufsstands auf sich abzeichnende kritische Entwicklungen in bestimmten Märkten oder Branchen hinweisen. Die Märkte erhalten somit ein Signal, in welchen Segmenten es zu einzelnen Unternehmensschieflagen kommen könnte", erklärt er.

In der jüngeren Zeit habe sich das IDW etwa nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine sehr ausführlich zu Risiken geäußert, "als wir gemerkt haben, dass die Inflation anspringt und die Notenbanken mit Zinserhöhungen beginnen". Das IDW habe zum Beispiel dargelegt, was diese Entwicklung für die Ermittlung von Barwerten bedeute, insbesondere im Immobiliensektor. "Wir haben deutlich davor gewarnt, dass die Immobilienpreise unter Druck geraten könnten. Mit dieser Vorhersage haben wir ganz gut gelegen."

Bilanzierung im Umbruch

Die Prüfer haben auch die Finanzwirtschaft ins Visier genommen. "Mit Blick auf Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg haben wir als Wirtschaftsprüfer darauf hingewiesen, was diese Krisen für die Risikovorsorge der Banken und die Werthaltigkeit ihres Kreditportfolios bedeuten und wie die Häuser darauf reagieren müssen. Wir haben uns auch mit der Frage befasst, ob die tradierten Bewertungsmodelle, die Banken einsetzen, in solchen Krisenzeiten noch sinnvoll sind. Auch das war ein Thema, das wir im Sinne einer Frühwarnfunktion aufgegriffen haben", fasst Naumann das Szenario zusammen.

Neben dem Signal nach außen habe das IDW an den eigenen Berufsstand appelliert, in der Prüfung stets eine kritische Grundhaltung einzunehmen. "Die Prüfer müssen wissen, wo die besonders risikobehafteten Bereiche sind und wo sie besonders intensiv hinschauen müssen."

Der testierte Jahresabschluss ist immer so gut wie die zugrundeliegenden Bilanzierungsregeln. Den Übergang zur internationalen Rechnungslegung nach IFRS beschreibt Naumann rückblickend persönlich als "total spannend, weil ich längere Zeit als Technical Adviser die deutsche Delegation beim Standardsetzer IASC begleitet habe" – das war die Vorgängerorganisation des International Accounting Standards Board (IASB). Die Bilanzierung nach IFRS biete den Kapitalmärkten umfangreichere Informationen als eine Rechnungslegung nach deutschem HGB. "Das ist heute vollständig akzeptiert, es war damals aber ein Paradigmenwechsel", erinnert er sich. "Die IFRS-Rechnungslegung ist natürlich viel komplexer und schwieriger."

Der deutsche Gesetzgeber hat aus seiner Sicht klug reagiert mit einer Modernisierung des HGB, damit die Lücke zwischen den beiden Rechnungslegungswelten nicht zu groß wird. Somit habe man am Ende einen relativ stabilen Zustand erreicht: "Die kapitalmarktorientierten Unternehmen nutzen IFRS in ihren Konzernabschlüssen, die nicht kapitalmarktorientierten bleiben bei HGB."

In einer anderen Welt

In den letzten Jahren seiner Amtszeit durfte sich der wortgewaltige Interessenvertreter dann noch mit der Nachhaltigkeitsberichterstattung befassen. Das Thema vollzieht sich aus seiner Sicht in einer Dynamik, die über alles hinausgeht, was man in der finanziellen Berichterstattung gesehen habe. "Was doppelte Buchführung ist, hat uns der italienische Mathematiker Luca Pacioli schon im Mittelalter erzählt. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung aber hat sich rasant innerhalb von nur wenigen Jahren entwickelt. Es ist eine völlig andere Art der Berichterstattung. In der Finanzberichterstattung nutzt man überwiegend monetäre Größen. In der Nachhaltigkeitsberichterstattung gibt es in deutlich größerem Umfang nicht nur finanzielle Größen, sondern unterschiedliche Daten, zum Beispiel Mengenangaben, und auch verbale Ausführungen etwa zur Biodiversität. Und man findet oft keine Kausalitäten zu anderen Größen. Man bewegt sich in Teilen in eine andere Rechnungslegungswelt", fasst Naumann das Szenario zusammen.

Am Ende sei es wichtig, "dass wir die nachhaltigkeitsbezogene Berichterstattung immer in ihren Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage der Unternehmen betrachten. Dann wird sich das finanzielle und nachhaltigkeitsbezogene Reporting zu einem neuen Ganzen zusammenfinden und im Zusammenwirken neue, wertvolle Informationen an die Märkte geben." Und auch in der Nachhaltigkeitsberichterstattung werde es darum gehen, dass man die Regeln nicht nur in Europa vereinheitliche, sondern weltweit.

Aktive Governance

Gefragt war die Expertise von Naumann auch in der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex, wo er seit 2015 Mitglied ist. "Wir als Prüfer haben gesehen, dass der Aufsichtsrat im Kräftedreieck zwischen Vorstand, Aufsichtsrat und Abschlussprüfer immer wichtiger wird", gibt er die Sichtweise seines Berufsstands wieder. Dabei hält er es für wichtig, "in dem Zusammenspiel nicht bei formalen Regeln stehen zu bleiben, sondern sie inhaltlich mit Leben zu füllen".

Das setze voraus, dass Aufsichtsräte aktiv das Zusammenwirken mit dem Abschlussprüfer einforderten. "Da sehen wir in der Unternehmenswirklichkeit noch große Unterschiede, wie aktiv und eigenständig ein Aufsichtsrat seine Rolle wahrnimmt. Je besser er das tut, umso besser kann er den Abschlussprüfer herausfordern, und beide kommen dauerhaft in den Dialog. Das halte ich für maßgeblich, um den Nutzen der Abschlussprüfung zu steigern", resümiert er. Es wäre wenig überraschend, wenn Naumann künftig auf der anderen Seite des Tisches dieses Rollenverständnis eines Aufsichtsrats in eigener Person mit Leben füllt. Doch erstmal geht er in Urlaub.

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