Eurogruppen-Präsident

Donohoes schwieriges letztes Halbjahr

Für Paschal Donohoe hat bereits das letzte Halbjahr als Eurogruppen-Präsident begonnen. Von ESM-Spitze bis Bankenunion gibt es für ihn noch eine Menge zu tun. Aber wie geht es für ihn ab 2023 weiter?

Donohoes schwieriges letztes Halbjahr

Von Andreas Heitker, Brüssel

Paschal Donohoe kann mit Niederlagen umgehen. Er ist Fußball-Fan. Sein Verein ist Tottenham Hotspurs aus der englischen Premier League. Ein erfolgreicher Club, der aber immer wieder für Enttäuschungen gut ist. Anfang August teilt Donohoe im Kurznachrichtendienst Twitter das Motivationsvideo der Spurs zu Saisonbeginn, das den Titel trägt: „Etwas wagen ist etwas tun“ (To Dare is to Do). „Auf geht‘s. Wieder mal“, schreibt der Präsident der Eurogruppe dazu. „Dieses vertraute Gefühl der Hoffnung. Aber dieses Jahr wird es anders sein. Ich weiß, es wird.“

Fast scheint es, als gibt der 47-Jährige damit auch seine Gefühle für die im zweiten Halbjahr anstehende Arbeit in der Eurogruppe wieder: Neues Spiel, neues Glück. Aber dieses Mal werden wir es schaffen, werden die Rückschläge aus dem Sommer vergessen machen! Für Donohoe sind Erfolge in den nächsten Monaten auch wichtig. Es sind nämlich schon die vorerst letzten seines Mandats, das Mitte Januar ausläuft. Ob es einen zweiten Term geben wird, ist noch unklar.

„Ulysses“ in der Eurogruppe

Rückblick: 16. Juni 2022. Treffen der Euro-Finanzminister in Luxemburg. Es stehen wichtige Entscheidungen an – zunächst in einer Sitzung des Board of Governors des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und dann in der Eurogruppe. Donohoe, der die beide Treffen leitet, hat den Ministern eine Ausgabe des Romans „Ulysses“ in ihrer jeweiligen Landessprache als Ge­schenk mitgebracht. Donohoe, verheiratet, zwei Kinder, ist nicht nur ein Fußball-, sondern auch ein Bücherfan. Der 2022 gefeierte 100. Jahrestag der Erstveröffentlichung von „Ulysses“ hat für ihn eine große Bedeutung.

Der Eurogruppen-Chef, der der bürgerlich-liberalen Volkspartei Fine Gael angehört und seit mittlerweile fünf Jahren Finanzminister seines Landes ist, hat zuweilen gar versucht, Inspirationen für seine heutige Arbeit aus dem Roman zu ziehen, wie er verschiedentlich erzählt hat. Für ihn geht es um die europäischen Identitäten der Hauptfiguren und um irische Kultur in einem europäischen Rahmen. Der irische Schriftsteller James Joyce beschreibt in dem Meisterwerk in 18 Episoden und über Hunderte Seiten einen Tag im Leben seines Protagonisten Leopold Bloom. Es geht auch hier um den 16. Juni. Es passte halt perfekt.

Sollte Donohoe mit seinen Büchergeschenken allerdings die Hoffnung verbunden haben, dass der europäische Geist, den er in dem Roman erkannt hat, auch die tagesaktuellen Entscheidungen seiner Ministerkollegen positiv beeinflusst, so trog diese Hoffnung (wie so oft): Weder gelang an dem Tag die eigentlich erwartete Einigung auf einen neuen ESM-Chef – trotz wochenlanger interner Kompromisssuche –, noch glückte eine Verständigung zu einem langfristigen Fahrplan hin zu einer Bankenunion.

Der 16. Juni verdichtete damit noch einmal das ganze Dilemma der bisherigen zweijährigen Amtszeit von Paschal Donohoe an der Spitze der Eurogruppe: Der Ire zeigt viel Engagement, setzt die richtigen Themen und hat als selbst ernannter „Brückenbauer“ auch einiges für den Zusammenhalt zwischen den Eurostaaten in der schwierigen Corona-Phase getan. Er erhält gute Haltungsnoten, hat seinen eher glücklosen und durchsetzungsschwachen Vorgänger Mario Centeno schnell vergessen gemacht und hat auch nicht viel mit der etwas überheblichen Amtsführung seines Vorvorgängers Jeroen Dijsselbloem zu tun.

Wenn es aber um entscheidende Schritte geht, die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion weiter zu vertiefen, hat auch der aktuelle Eurogruppen-Chef recht wenig auf der Habenseite zu verbuchen. Beispiel Bankenunion: Hier wurden Verständigungen jetzt erst einmal auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben, obwohl Donohoe das Thema schon bei seinem Amtsantritt ganz nach oben auf seine Prioritätenliste gehoben hatte. Doch die Blockaden konnte auch er mit seinen zielorientierten Kompromissvorschlägen der vergangenen Monate zu den Themen Einlagensicherung, Umgang mit Staatsanleihen oder Krisenmanagement nicht lösen.

Die Hoffnung des Spurs-Fans

Nun läuft also schon das letzte halbe Jahr seiner Amtszeit. Zu seiner Zukunft hat sich Donohoe bislang nicht geäußert. In der Eurogruppe geht man allgemein davon aus, dass der frühere Sales- und Marketing-Direktor von Procter & Gamble eine breite Unterstützung erhält, sollte er seinen Hut auch für die nächsten zweieinhalb Jahre in den Ring schmeißen. Die Unterstützung dürfte dann auch von Ländern kommen, die 2020 noch seiner damaligen Konkurrentin, der Spanierin Nadia Calviño, die Stimme gaben.

Eine Entscheidung wird für Dezember erwartet. Viel wird dabei von Weichenstellungen abhängen, die zuvor in der irischen Innenpolitik getroffen werden. Denn in Dublin wird noch für 2022 eine Regierungsumbildung erwartet. Laut irischer Presse könnte dies dazu führen, dass Donohoe und Michael McGrath im Dezember ihre Zuständigkeiten tauschen: Donohoe würde dann das Ministerium für Öffentliche Ausgaben übernehmen. Eurogruppen-Chef kann aber nur ein aktueller Finanzminister aus dem Euroraum sein. In Dublin gibt es daher schon Überlegungen, ob man Donohoes mögliches neues Ressort nicht so zurechtschneiden könnte, dass es auch für die Eurogruppe passen könnte.

Für den Spurs-Fan Donohoe ist das alles Zukunftsmusik. Er selbst muss sich erst einmal auf die Nüsse konzentrieren, die er vorher noch zu knacken hat. Dazu gehören wichtige Personalentscheidungen: Neben der Wahl des neuen ESM-Chefs steht auch die Nachfolge von Elke König an der Spitze der Bankenabwicklungsbehörde SRB noch auf der Agenda. Und dann gibt es natürlich auch noch die Debatte über eine Reform der Haushalts- und Schuldenregeln, die wieder an Fahrt aufnimmt. Und hier ist das Konfliktpotenzial bestimmt nicht kleiner als beim Thema Bankenunion.

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