Nach der Karriere

Ehemalige Topmanager in Start-ups gefragt

Frühere Dax- und andere Konzernvorstände beraten junge deutsche Unternehmen. An ihren Erfahrungen sind auch US-amerikanische Technologiefirmen interessiert.

Ehemalige Topmanager in Start-ups gefragt

Von Joachim Herr, München

Das jüngste Beispiel ist Tom Enders: Der ehemalige Vorstandschef von Airbus soll Vorsitzender des Verwaltungsrats von Lilium werden. Das Unternehmen, das an einem Flugtaxi arbeitet, strebt an die Technologiebörse Nasdaq in New York. Enders, der seit Anfang dieses Jahres schon im Beirat von Lilium ist, zeigt sich vom Geschäftsmodell angetan: „Wie sollen wir die Luftfahrt voranbringen, wenn nicht mit frischen Ideen und mutigen Jungunternehmern?“

Nicht nur der 62 Jahre alte Enders ist als ehemaliger Manager in der Start-up-Szene gefragt. Reinhold Achatz, früherer Forschungsvorstand von Thyssenkrupp, zum Beispiel ist Berater von IQM. Das junge deutsch-finnische Unternehmen entwickelt einen Quantencomputer. Oder das Münchner Software-Unternehmen Konux, das an sensorbasierten Systemen arbeitet: Es hat den ehemaligen Bahn-Vorstand Volker Kefer (65) in den Vorstand geholt.

Und im Aufsichtsrat von Auto1, nach eigenen Angaben der größte Gebrauchtwagenhändler in Europa und seit Februar an der Börse, sitzen Gerhard Cromme (78, früher Thyssenkrupp und Siemens) und Gerd Häusler (70), der ehemalige Vorstands- und später Aufsichtsrats­vorsitzende der Bayerischen Landesbank.

Für die jungen Unternehmen zahle es sich aus, erfahrene und vielseitig vernetzte ehemalige Topmanager als Berater und Unterstützer an ihrer Seite zu haben, sagt Nicolas von Rosty, der Deutschlandchef der Personalberatung Heidrick & Struggles. „Diese verfügen unter anderem über Souveränität, Resilienz und Ruhe in Krisen, die die Erfahrung an der Spitze großer Organisationen mit sich bringt.“ Noch wichtiger seien allerdings die Glaubwürdigkeit und das Netzwerk der gestandenen Manager.

„Jenseits der Zwänge“

Gründe für deren Engagement ist nach Meinung von Rostys Spaß an Neuem: „Viele erfolgreiche Ex-Manager verspüren eine wachsende Lust, sich in neuen Geschäftsfeldern nochmals einzubringen.“ Für sie sei es reizvoll, in einer Kultur jenseits der Zwänge globaler Konzerne zu agieren. In jungen, sich schnell entwickelnden Unternehmen ließen sich Fortschritte direkt erkennen. „Alter schützt nicht davor, auch in der digitalen Welt einen willkommenen Wertbeitrag zu leisten“, meint von Rosty.

US-amerikanische Technologieunternehmen holen sich ebenfalls den Rat früherer deutscher Manager. So ist der einstige Bahn-Chef Rüdiger Grube (69) seit Mai im europäischen Advisory Board Berater des IT-Unternehmens Servicenow, das Bill McDermott (früher SAP) als CEO führt. Andere Beispiele sind der ehemalige Daimler-Konzernchef Dieter Zetsche (68) und Barbara Kux (67, früher unter anderem Philips und Siemens) im Beraterstab des Softwareunternehmens Adobe sowie die drei früheren Dax-Vorstandsvorsitzenden Stefan Heidenreich (58, Beiersdorf), Harald Krüger (55, BMW) und Peter Löscher (63, Siemens) im europäischen Beirat des SAP-Konkurrenten Salesforce.

Gut fürs eigene Profil

Nach von Rostys Ansicht profitieren sowohl die Unternehmen als auch die Manager von dieser Art von Zusammenarbeit – eine Win-win-Situation: „Die amerikanischen Unternehmen sichern sich das Netzwerk der deutschen Räte.“ Und die erfahrenen „Silberrücken“ erweiterten ihre Kenntnisse im Digitalgeschäft und damit auch „ihr persönliches Profil“.

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