Bilanzskandal

Gerichts­prozess gegen Ex-CEO von Wirecard

Nach einer Prüfung von sechs Monaten hat das Landgericht München die Anklage gegen den früheren Wirecard-Chef Markus Braun und zwei weitere Tatverdächtige zur Hauptverhandlung zugelassen.

Gerichts­prozess gegen Ex-CEO von Wirecard

Von Stefan Kroneck, München

Mehr als zwei Jahre nach dem 2020 aufgeflogenen Bilanzskandal um Wirecard müssen sich der frühere Vorstandschef des pleitegegangenen Zahlungsabwicklers, Markus Braun, und andere Tatverdächtige vor Gericht verantworten. Das Oberlandesgericht München (OLG) teilte mit, dass die zuständige 4. Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts München I die Anklage der Staatsanwaltschaft „unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen“ habe. Für die Prüfung der Anklage benötigte das Gericht sechs Monate.

Mitte März hatten die Strafermittler aus der bayerischen Landeshauptstadt gegen den 53-Jährigen gebürtigen Wiener und zwei weitere Beschuldigte Anklage erhoben (vgl. BZ vom 14. März). Neben Braun sitzen Oliver Bellenhaus, Ex-Statthalter der Konzerntochtergesellschaft in Dubai, sowie Stephan Freiherr von Erffa, der ehemalige Chefbuchhalter und stellvertretende Finanzchef, auf der Anklagebank. Die Strafermittler werfen dem Trio gewerbsmäßigen Bandenbetrug, Untreue, unrichtige Darstellung und Marktmanipulationen in mehreren Fällen vor.

Der ehemalige Wirecard-Vorstand Jan Marsalek hält sich derweil in Russland versteckt. Die Behörden in Moskau lieferten den 42-jährigen Österreicher bisher an die deutsche Justiz nicht aus. Gegen ihn liegt ein internationaler Haftbefehl vor.

Gegen Braun und die beiden anderen Beschuldigten zeichnet sich ein Mammutprozess mit einer Vielzahl von Verhandlungstagen ab – ähnlich wie im Fall von Rupert Stadler (59). Aufgrund der Dieselabgasmanipulationen bei Volkswagen läuft gegen den ehemaligen Audi-CEO seit zwei Jahren vor dem Landgericht München ein Strafprozess.

Unklar ist noch, wann der Gerichtsprozess gegen Braun beginnt. „Der Vorsitzende der 4. Strafkammer wird in Kürze Termine zur Hauptverhandlung bestimmen“, berichtet das Oberlandesgericht. Bei Prozessen dieses Umfangs mit einer drohenden mehrjährigen Freiheitsstrafe greift für die Justiz der Beschleunigungsgrundsatz mehr denn je. Das heißt, die Verfahrensbeteiligten sind angehalten, den Prozess so schnell wie möglich zu eröffnen. Im konkreten Fall könnte das bedeuten, dass die Hauptverhandlung noch in diesem Jahr, spätestens vermutlich im Februar oder März des kommenden Jahres beginnen könnte. Der Hauptangeklagte in der Causa Wirecard sitzt seit Sommer 2020 in Untersuchungshaft. Er bestreitet die Vorwürfe.

Der Zusammenbruch des einstigen Dax-Aufsteigers Wirecard hatte seinerzeit für Aufsehen gesorgt. Der Finanzplatz Deutschland erlitt einen erheblichen Reputationsschaden, da unter anderem die Finanzaufsicht BaFin bei der Kontrolle versagt hatte.

Im Juli 2020 hatte die Staatsanwaltschaft darüber informiert, ihre Ermittlungen auf den Verdacht des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs ausgeweitet zu haben. Allein für den besonders schweren Fall des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs droht den drei Angeklagten eine Freiheitsstrafe laut Strafgesetzbuch von bis zu zehn Jahren. Der Zahlungsabwickler aus Aschheim bei München war im Juni 2020 nach der Aufdeckung eines Finanzlochs in Milliardenhöhe implodiert. Das Unternehmen befindet sich seitdem in einem Abwicklungsprozess unter Regie des Insolvenzverwalters Michael Jaffé.

Gegen Marsalek liegt unterdessen noch keine Anklage vor. Nach ihm fahndet die Staatsanwaltschaft München weiterhin. Der als einstiger Vertrauter Brauns geltende Manager war unter anderem für die Asien-Aktivitäten von Wirecard zuständig. Die Ermittler hegen den Verdacht, dass er an dem bandenmäßigen Betrug ebenfalls beteiligt war.

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