Wettbewerbsfähigkeit

Standort Deutschland setzt seine DNA aufs Spiel

Der Standort Deutschland büßt schon seit längerem seine Attraktivität ein. Dabei sind die Probleme bekannt – sie werden nur nicht angepackt.

Standort Deutschland setzt seine DNA aufs Spiel

Standort D setzt seine DNA aufs Spiel

Die Probleme sind bekannt. Sie müssten aber angepackt werden.

Von Alexandra Baude, Frankfurt

Deutschland rutscht immer weiter ab. Als Wirtschaftsstandort spielt es nicht erst seit kurzem, sondern schon seit geraumer Zeit nicht mehr in der obersten Liga mit. Das Tragische ist, dass die Problemfelder bereits ebenso lange bekannt wie ohne Erfolg bzw. noch unbearbeitet sind: Bürokratie, Regulierung, Steuern, Arbeitskräfte, Digitalisierung, um einmal nur die drängendsten Baustellen zu nennen.

Kein Wunder, dass Deutschland im aktuellen Ranking des IMD World Competitiveness Center (WCC) auf Rang 22 abgerutscht ist. Seit 35 Jahren erstellt das zur privaten Wirtschaftshochschule IMD im schweizerischen Lausanne gehörende Institut die Liste der wettbewerbsfähigsten Volkswirtschaften der Welt, seit einigen Jahren ergänzt um Rankings für Digitalisierung und Fachkräfte. Das Jahr 2014 kann man mit Blick auf die Rankings des IMD als Höhepunkt bezeichnen: Rang 6 im WCC, Platz 14 (2023: 23) im globalen Digital-Ranking und Nummer 5 (12) im Wettbewerb um Talente. Seitdem geht es bergab.

Ursachen liegen tiefer

Vordergründig waren es in diesem Jahr die Rezession, hohe Energiepreise und die schwache Wirtschaftsleistung, weswegen die größte Euro-Volkswirtschaft direkt hinter China gerutscht ist. Agilität, Anpassungsfähigkeit der Politik an aktuelle wirtschaftliche Bedingungen, ein guter Zugang zu Märkten und Handelspartnern, eine günstige Handelsbilanz, robuste Versorgungsketten und eine stabile einheimische Energieproduktion sowie ein gutes Bildungssystem gehören zu den Faktoren, die in dem IMD-Ranking den Unterschied ausmachen.

Anderes Ranking, gleiches Ergebnis

Noch verheerender liest sich das Urteil im Standortranking der Stiftung Familienunternehmen. Diese stehen immerhin für 90% aller deutschen Unternehmen, 55% der erzielten Umsätze und etwa 57% aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse hierzulande. Und mehr als 60% von ihnen bewerten den Standort Deutschland mit der Note 4, 5 oder 6. Noch investieren die Familienunternehmen überwiegend in heimischen Gefilden, aber mehr als ein Drittel plant in den kommenden fünf Jahren die Investitionen einzuschränken. Ursächlich sind vor allem die Regulierungsdichte (90%) sowie die Energiepreise und das maue Fachkräfteangebot (je 80%). Es folgen hohe Arbeits- und Lohnkosten sowie Steuern. Digitalisierung, Finanzierung und Infrastruktur haben hingegen einen weniger starken Einfluss auf die Investitionsentscheidungen.

Abwanderung droht

Als attraktive Investitionsstandorte gelten die USA, Polen, Indien und China. In einer DIHK-Umfrage sind es insbesondere Nordamerika, die MENA-Region und der Asien-Pazifik-Raum – allerdings ohne China –, die Investitionen anziehen. Die Argumente der Unternehmen für die Investitionsentscheidungen lesen sich ähnlich: Neben der Erschließung neuer Märkte und Kundennähe sind dies eine geringere staatliche Regulierung am Auslandsstandort, Investitionsanreize und niedrigere Energiekosten.

IRA zeigt Wirkung

"Der Inflation Reduction Act der USA beginnt bereits seine Wirkung zu entfalten", erklärte der DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. Aussichten auf den Aus- und Aufbau von klimafreundlichen Technologien regen auch deutsche Unternehmen zu mehr US-Geschäft und Investitionen in den Staaten an. Die USA punkten aber auch mit niedrigen Energiepreisen: Die deutsche Industrie zahlt laut einer Studie der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (VBW) im Schnitt rund zweieinhalbmal mehr als Konkurrenten in den USA oder China. Auch Kanada, Südkorea, die Türkei und Mexiko haben deutlich niedrigere Preise als die meisten europäischen Länder. Innerhalb Europas wiederum liegt Deutschland nur geringfügig über dem Durchschnitt – wichtige Konkurrenzländer wie Frankreich etwa weisen allerdings deutlich niedrigere Industriestrompreise aus. Ähnlich verhält es sich mit den Gaspreisen. Bis 2030 erwartet die VBW zwar einen Rückgang der Gaspreise, der zur Angleichung des europäischen Gaspreisniveaus an dasjenige in Asien führen dürfte. In den Ländern Amerikas sowie in der Türkei dürften die Gaspreise aber weiter deutlich unterhalb des europäischen Niveaus bleiben.

Daher, so wird allenthalben gewarnt, drohe eine Abwanderung insbesondere von energieintensiver Produktion an kostengünstigere Standorte im Ausland. Was wiederum schwerwiegende Folgen auch für nachgelagerte Branchen hätte. Und sich somit gravierend auf Wertschöpfung, Beschäftigung und Wohlstand hierzulande auswirken würde. Etwas, das sich Deutschland nicht leisten kann, wie Ifo-Präsident Clemens Fuest mahnt. Dass Energie so teuer ist, liegt vor allem an der Klima- und Energiepolitik der Bundesregierung. Nach dem Aus der Kernkraft soll auch die Kohleverstromung schrittweise beendet werden. Noch ist aber unklar, ob Wind- und Sonnenenergie eine stabile Stromversorgung sicherstellen können.

Ebenfalls in staatlichen Händen läge eine Entlastung bei den Steuern. So liegt die nominelle Steuerbelastung für Kapitalgesellschaften bei durchschnittlich etwa 30%. Im OECD-Durchschnitt sind es 23,1%, in der EU lediglich 21,2%.

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