Strom und Gas

Die europäische Energiekrise und ihre Lösung

Der Strompreis ist in Deutschland auf Rekordniveau gestiegen und auch die Notierungen am europäischen Spotmarkt für Erdgas nehmen Kurs aufs Allzeithoch. Die Energiekrise dürfte sich weiter verschärfen.

Die europäische Energiekrise und ihre Lösung

Die europäischen Energiemärkte spielen wieder einmal verrückt. Die Strompreise in zentralen Ländern wie Deutschland und Frankreich befinden sich auf Rekordniveau, und auch auf dem europäischen Spotmarkt für Erdgas wird schon wieder Kurs auf das Allzeithoch genommen. Ab der Jahreswende dürfte sich aufgrund des EU-Ölboykotts auch noch dieser Energieträger verknappen.

Die europäische Energiekrise könnte sich damit noch einmal deutlich verschlimmern. Davon gehen jedenfalls die Marktteilnehmer aus, da beispielsweise die Kontrakte für Strom zur Lieferung im kommenden Jahr in Deutschland und Frankreich Allzeithochs erreicht haben. Mit seinem Rekordhoch von 562 Euro je Megawattstunde für den Übernachtkontrakt ist Strom momentan bereits vierzehnmal so teuer wie im Durchschnitt des Jahres 2020.

Die Gründe für die Misere beim Strom liegen in der wetterbedingten und politisch gewollten Verknappung des Angebots. Deutschland hat bereits einen Großteil seiner Atom- und Kohlekraftwerke abgeschaltet und setzt auf erneuerbare Energien, wobei witterungsbedingt die Windstrommenge wie auch schon im Vorjahr hinter den Erwartungen zurückbleibt. Die Dürre sorgt dafür, dass der Rhein als zentrale Verkehrsader Deutschlands für Massenguttransporte wie Brennstoff für die verbleibenden Kohlekraftwerke weitgehend ausfällt, in Frankreich verknappt sie das für die Kernkraftwerke erforderliche Kühlwasser. Dort leidet die auf 48,5% gesunkene Verfügbarkeit der Kernenergie mit ihrer zentralen Bedeutung für das Land auch unter dem maroden Zustand der Technik. Mit der bislang noch geplanten Abschaltung der letzten deutschen Atomkraftwerke zum Jahresende würde sich die Stromknappheit in Deutschland noch einmal drastisch verschärfen, mit der unweigerlichen Folge weiterer Preisanstiege. Nicht viel besser sieht es beim Erdgas aus. Wie der Grafik zu entnehmen ist, erhält Deutschland derzeit aus Russland nur einen Bruchteil der normalen Liefermenge. Dass die deutschen Gasspeicher inzwischen zu 78,2% gefüllt sind, spendet nur geringen Trost, weil die Bundesnetzagentur vorrechnet, dass die Mengen nur bei Unterstellung günstiger Szenarien ausreichen. Wenn es schlecht läuft, wenn beispielsweise die Gaslieferungen über Nord Stream1 ganz ausbleiben, gleichzeitig aber der Verbrauch nur um 5% gesenkt werden kann, sind die Speicher bereits Mitte Dezember wieder leer und Deutsch­land hat kein Erdgas mehr. Aber selbst wenn der Gasverbrauch um 20% reduziert wird – was für ein Industrieland bereits drastische Einschnitte mit sich bringt – und Gazprom die über Nord Stream1 transportierte Menge von derzeit 20% wieder auf 40% der Kapazität hochfährt, können die Speicher Anfang März komplett leer sein, wenn die Heizperiode noch nicht beendet ist. Bereits vorher dürfte der Gaspreis noch weiter durch die Decke gehen und weit über das gegenwärtige Niveau von 245 Euro je Megawattstunde – verglichen mit rund 20 Euro vor zwei Jahren – hinausgehen.

Dramatische Folgen

Für Strom, Gas und Erdöl sind also in Europa und Deutschland weitere kräftige Preisanstiege zu erwarten – mit dramatischen Folgen bis hin zur weitgehenden Deindustrialisierung Deutschlands. Dies ist allerdings nur eines der möglichen Szenarien. Denkbar ist auch, dass die EU ihre Sanktionen gegen Russland im Energiebereich aufhebt oder erheblich abschwächt. Das ist sehr viel wahrscheinlicher, als es derzeit klingt, denn ein Teil der Strafmaßnahmen ist bereits aufgehoben bzw. gelockert worden, ohne dass dies an die große Glocke gehängt wurde. So wurden die Sanktionen gegen Düngerexporte aus Russland und Weißrussland unauffällig zurückgenommen, und es lassen sich auch wieder Tankschiffe mit russischem Öl in London versichern. Mittlerweile wird sogar bei den Grünen der Bau neuer Kernkraftwerke diskutiert, und von anderen wird die Inbetriebnahme von Nord Stream2 gefordert. Sollte sich all das realisieren, ist sogar ein deutlicher Preisrückgang an den Energiemärkten in den Karten – und Deutschland könnte ein Industrieland bleiben.