Wohnungen

Ampel-Regierung rückt Bausektor in den Fokus

Erstmals seit 1998 gibt es wieder ein eigenständiges Bundesbauministerium. Für die Branche bedeutet das eine Aufwertung. Die Ampel-Regierung will vor allem Wohnungsbau und energetische Sanierung voranbringen.

Ampel-Regierung rückt Bausektor in den Fokus

hek Frankfurt – Steigende Preise, lebhafte Nachfrage und stark verteuerte Materialien kennzeichnen die Konjunkturlage der Bauwirtschaft in Deutschland. Die Aufträge sind im September auf einen Rekord geklettert. Mit der Wiedereinrichtung eines eigenständigen Bauministeriums geht eine alte Forderung der Branche in Erfüllung. „Endlich ist Baupolitik kein Anhängsel eines anderen Ministeriums mehr“, zeigt sich der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) zufrieden.

Für die nächsten Jahre kann die Branche mit anhaltend hohen Bestellungen rechnen. Dafür spricht, dass die rot-gelb-grüne Koalition den Bau von 400 000 neuen Wohnungen pro Jahr anstrebt, davon 100 000 öffentlich geförderte Einheiten. Zudem erfordert die geplante Beschleunigung der CO2-Reduktionen hohe Investitionen in die energetische Sanierung von Gebäuden und in anderen Bereichen.

Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland knapp 306 400 Wohnungen gebaut. Im Vergleich zum Tief von 2009/10 entspricht das beinahe einer Verdopplung (siehe Grafik). Doch um das Regierungsziel zu erreichen, müssten die Fertigstellungen nochmals um fast ein Drittel im Vergleich zu 2020 steigen. Das stellt eine Herausforderung für die Bauwirtschaft dar, der bisher schon Fachkräftemangel und Kapazitätsengpässe zu schaffen machen.

Wohnungssuchende hoffen, dass die neue Regierung ihr Ziel mit mehr Nachdruck verfolgt als die alte, die mit ihrer „Wohnraumoffensive“ gescheitert ist. Diese sah binnen einer Legislaturperiode 1,5 Millionen neue Wohnungen vor. Dafür wären im Durchschnitt 375 000 Einheiten im Jahr erforderlich gewesen.

Ihre Erwartungen an die neue Regierung wird die Branche am Donnerstag auf einer Pressekonferenz von HDB und Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) präsentieren. Auf Wohlgefallen dürfte der Plan stoßen, die lineare Abschreibung für neue Wohnungen von 2 auf 3% zu erhöhen. Das macht Bauen attraktiver. Ähnliches gilt für das Versprechen, endlich die Bürokratie zurückzudrängen, Normen zu standardisieren, serielles Bauen voranzubringen sowie Planung und Genehmigung zu beschleunigen. Allerdings haben das auch schon frühere Regierungen versprochen – ohne durchschlagenden Erfolg.

Darüber hinaus hat die Koalition eine neue Wohngemeinnützigkeit mit steuerlicher Förderung und Investitionszulagen, ein Bund-Länder-Programm für studentisches Wohnen und eine höhere finanzielle Unterstützung des sozialen Wohnungsbaus angekündigt. Auch in dem geplanten „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ wird die Baubranche eine wichtige Rolle spielen. Denn ohne eine erhebliche Ausweiterung ihrer Kapazitäten ist das Wohnungsziel nicht zu erreichen.

Erste Vorschusslorbeeren haben Branchenvertreter bereits verteilt. „Der Koalitionsvertrag der Ampel lässt uns aufgrund vieler investiver Impulse positiv auf die kommenden Jahre blicken“, sagt ZDB-Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa mit Blick auf Investitionen in Verkehrsinfrastruktur und die Erhöhung der linearen Abschreibung.

Im September sammelten die Betriebe des Bauhauptgewerbes nach Angaben des Statistischen Bundesamtes, angetrieben durch Großprojekte, Bestellungen von 9,1 Mrd. Euro ein. Das waren 19,6% mehr als im Vorjahresmonat.

Kräftige Preiserhöhungen

Gut die Hälfte des Anstiegs geht auf höhere Preise zurück. Inflationsbereinigt verbleibt aber immer noch ein kräftiges Plus von 8,6%. Im Vergleich zum Vormonat August steht preis-, saison- und kalenderbereinigt ein Zuwachs von 6,2% in den Büchern. Für die ersten neun Monate ergibt sich ein realer Auftragszuwachs von 2,3% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die Verteuerung der Bauleistungen siedeln Wirtschaftsforscher zwischen 5,3% und 7,1% an. Aus den Auftragsdaten ergibt sich eine Teuerungsrate von 5,7% für Januar bis September.

Kaum gewachsen sind dagegen die Umsätze. Nach neun Monaten steht laut Statistischem Bundesamt ein Anstieg um 0,9% in den Büchern. Hier schlägt das schlechte Wetter im ersten Quartal durch. Preisbereinigt verbleibt also ein Rückgang im bisherigen Jahresverlauf. Andererseits ist die Beschäftigtenzahl um 1,6% gestiegen. Für September meldet das Bundesamt eine Umsatzausweitung um 6,1%.

Zu schaffen machen den Baufirmen nach wie vor Engpässe bei Zulieferungen und Materialverteuerungen. Der Materialmangel habe die Produktion der Bauunternehmen auch im September gebremst, konstatierte HDB-Hauptgeschäftsführer Tim-Oliver Müller unlängst. Bauholz habe sich seit Januar um 103% verteuert, Betonstahlmatten um 70%, Bitumen um 39%. Im Oktober sind die Erzeugerpreisindizes aber gesunken. Der ZDB glaubt, dass die Einkaufspreise für Stahl- und Holzprodukte den Peak überschritten haben. Besonders der gewerbliche Hochbau sei von den Knappheiten betroffen.

Die Materialverteuerung führt der Bauindustrieverband auf begrenzte Liefer- und Transportkapazitäten zurück. Aufgrund jahrelang stagnierender Preise seien Kapazitäten abgebaut und Investitionen gekürzt worden. Hinzu kämen unterbrochene Lieferketten durch Hafensperrungen, Personalmangel auf Containerschiffen und in Häfen, Hamsterkäufe sowie steigendes Kaufinteresse von Investoren, die sich gegen Inflation absichern wollen.

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