Investoren enttäuscht

„Nicht jetzt“ – Bayer-Chef vertagt Aufspaltung

Bayer-Chef Bill Anderson erteilt der von Investoren geforderten Aufspaltung eine klare Absage: „Nicht jetzt“. Jetzt soll erst einmal das neue Organisationsmodell eingeführt werden. Der Aktienkurs gibt weiter nach.

„Nicht jetzt“ – Bayer-Chef vertagt Aufspaltung

„Nicht jetzt“ – Bayer-Chef vertagt Aufspaltung

Einsparungen von 2 Mrd. Euro bis Ende 2026 – Neue Verteidigungsstrategie in Rechtsstreitigkeiten – Trüber Ausblick

ab Düsseldorf

Bayer wird sich absehbar nicht aufspalten. In den kommenden Jahren wird sich die Mannschaft auf die Einführung des neuen Organisationsmodells konzentrieren. Damit sollen die Kosten bis Ende 2026 um 2 Mrd. Euro gedrückt werden. Im Zusammenhang mit den anhängigen Klagen schlägt Bayer einen neuen Kurs ein.

Auf- oder Abspaltungsbefürwortern hat Bayer-Chef eine klare Absage erteilt. „Nicht jetzt“, laute die Antwort auf die Frage nach Strukturveränderungen, sagte Bill Anderson in der Bilanzpressekonferenz. Das bedeute nicht, dass es dazu niemals komme, jetzt sei jedoch der falsche Zeitpunkt. Das Hauptaugenmerk liege zunächst auf der Bewältigung der vier größten Herausforderungen des Konzerns – konkret: die Pharma-Pipeline, die Rechtsstreitigkeiten zu Glyphosat und PCB, die Verschuldung und die überbordende Bürokratie.

Mit vielen Worten skizzierte der seit Juni amtierende Bayer-Chef, warum weder ein Börsengang noch ein Verkauf von Consumer Health infrage komme. Ersteres nehme zu viel Zeit in Anspruch und binde zu viele Managementkapazitäten. Ein Verkauf sei dagegen mit erheblichen Kosten und Steuereffekten verbunden. Für die anderen beiden Divisionen gebe es diese Optionen derzeit ohnehin nicht. Im Pflanzenschutzgeschäft sprächen die anhängigen Rechtsstreitigkeiten dagegen, in der Pharmasparte die Patentabläufe der beiden umsatzstärksten Medikamente, Xarelto und Eylea.

Hohe Sonderlasten

Als er zu Bayer gekommen sei, habe er zwei Möglichkeiten gehabt: entweder die Struktur zu verändern oder die Performance zu steigern. Beides gleichzeitig sei nicht machbar. Letzteres nimmt Anderson bekanntermaßen mit dem neuen Organisationsmodell „Dynamic Shared Ownership“ (DSO) in Angriff. Damit sollen bis Ende 2026 Einsparungen von 2 Mrd. Euro erzielt werden.

Weitere Details gibt es aber weiterhin nicht. Zu den damit verbundenen Einmalkosten sagte Finanzchef Wolfgang Nickl, dass diese unter den Kosten für herkömmliche Effizienzprogramme liegen dürften. Er taxierte die Einmalkosten auf den Betrag der avisierten Einsparungen, also etwa 2 Mrd. Euro. Wann diese bilanziell verarbeitet werden, ließ Nickl offen.

Im neuen Geschäftsjahr rechnet Bayer nur mit Sonderlasten von 1 bis 2 Mrd. Euro. 2023 beliefen sich die Sonderlasten auf 7 Mrd. Euro, das Gros entfiel mit fast 6 Mrd. Euro auf Wertminderungen. Dahinter standen in erster Linie Abschreibungen auf Geschäfts- und Firmenwerte von Cropscience.

Klägeranwälten keine Munition liefern

Um die kostspieligen Rechtsstreitigkeiten in den Griff zu bekommen – allein 2023 wurden die Rückstellungen für die Rechtsfälle Glyphosat und PCB um weitere 889 (i.V. 791) Mill. Euro erhöht –, verfolgt Bayer jetzt eine neue Strategie. Zwar werde sich Bayer auch künftig energisch verteidigen. Doch auch außerhalb der Gerichtssäle werde Bayer künftig stärker aktiv werden. Das betrifft vor allem die „intensivere Zusammenarbeit mit anderen Akteuren im Bereich der Politik“. Konkreter wollte sich Anderson noch nicht äußern, um den Klägeranwälten keine Munition zu liefern.

Bis Ende Januar waren ausweislich des Geschäftsberichts in den USA 54.000 Klagen im Zusammenhang mit dem Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat anhängig. Die Rückstellungen für diesen Verfahrenskomplex beliefen sich zum Bilanzstichtag auf 6,3 Mrd. Dollar.

Im Zusammenhang mit der Chemikalie PCB hat sich Bayer mit einer Reihe von Bundesstaaten wegen Umweltschäden verglichen, weitere Klagen sind anhängig. Zugleich sind aber auch zahlreiche Einzelkläger auf den Zug aufgesprungen. Im Risikobericht warnt Bayer ausdrücklich vor möglichen finanziellen Nachteilen aus den noch anhängigen oder möglichen künftigen Klagen.

Schulden bleiben vorerst hoch

Dem Problem der hohen Finanzschulden – die Nettoverschuldung belief sich Ende 2023 auf 34,5 Mrd. Euro – will Bayer vor allem mit der Kürzung der Ausschüttung auf die Mindestdividende von 0,11 Euro je Aktie begegnen. Ziel sei es, das Rating bis Ende 2026 „in Richtung eines Single-A-Ratings zu bekommen“. Mit Bonitätsnoten von „BBB“ von S&P und „Baa2“ von Moody's ist Bayer momentan meilenweit entfernt, zumal Moody's den Ausblick erst im November auf negativ zurückgenommen hatte.

Im laufenden Turnus wird an dieser Stelle aber noch nicht mit größeren Fortschritten gerechnet. Die Nettoverschuldung wird Ende 2024 bei 32,5 bis 33,5 Mrd. Euro gesehen. Zudem soll künftig wieder höherer Cashflow in den operativen Einheiten erwirtschaftet werden. Immerhin konnte Bayer im Schlussquartal kräftige Mittelzuflüsse generieren, sodass sich der freie Cashflow im Gesamtjahr auf 1,3 Mrd. Euro summierte. Das war zwar ein Rückgang um annähernd 58 %, doch hatten die Leverkusener im Sommer noch vor einer Nullrunde gewarnt.

Prognose enttäuscht

Dank guter Geschäfte im Schlussquartal konnte Bayer die Prognose im abgelaufenen Turnus erfüllen, teils sogar übererfüllen. Gleichwohl prangt in der Konzernbilanz ein Verlust von 2,9 Mrd. Euro. Der Umsatz ging im abgelaufenen Geschäftsjahr um 6,1% auf 47,6 Mrd. Euro zurück, das bereinigte operative Ergebnis vor Abschreibungen (Ebitda) gab um 13,4% auf 11,7 Mrd. Euro nach. Entsprechend verringerte sich die Konzernmarge auf 24,6%. Für den Rückgang waren die Divisionen Cropscience und Pharma verantwortlich, deren operative Ergebnisse sich um 26,6% bzw. 11,6% verringerten. Einzig die kleinste Division Consumer Health baute das bereinigte Ebitda um gut 3% auf 1,4 Mrd. Euro aus.

Bessere Zeiten lassen aber weiter auf sich warten, denn der Ausblick auf den laufenden Turnus fällt ernüchternd aus. Bei einem mehr oder weniger gleichbleibenden Umsatz (−1 % bis +3 %) wird im operativen Ergebnis mit einem Rückgang auf 10,4 bis 11 Mrd. Euro gerechnet, ein Minus von 9% in der Mitte der Spanne. Noch größer fällt der erwartete Rückgang im bereinigten Ergebnis je Aktie aus: Nach 6,39 Euro (−19,5%) im abgelaufenen Turnus stehen für 2024 nur noch 4,95 bis 5,35 Euro im Plan.

Die Investoren quittierten die mauen Aussichten mit einem Kursabschlag an der Börse um 7,6%.

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