Energiekrise

Britische Aufsicht bereitet sich auf Riesenpleite vor

Der Regulierer Ofgem kümmert sich um Abwickler, sollte ein großer Energieversorger zahlungsunfähig werden. Unterdessen ging ein Unterseekabel in Betrieb, das Strom für 1,4 Millionen Haushalte liefert.

Britische Aufsicht bereitet sich auf Riesenpleite vor

hip London

Der britische Energieregulierer Ofgem hat Medienberichten zufolge bereits eine Firma gebeten, sich als Abwickler bereitzuhalten, sollte demnächst ein großer Versorger zahlungsunfähig werden. Die Strategieberater von Teneo könnten einen angeschlagenen Versorger vorübergehend führen, wenn er nicht unter dem „Versorger letzter Instanz“-Modell des Regulierers an einen Wettbewerber weitergereicht werden kann, berichtet die „Times“. Der rasant steigende Gaspreis hat dazu geführt, dass bereits eine ganze Reihe von Unternehmen seine Leistungsversprechen an die Kunden nicht einhalten konnte. Nach Zählung des „Guardian“ verließen dieses Jahr bereits zwölf kleinere Firmen den Markt. Es handelt sich in der Regel um Energievertriebsfirmen ohne eigene Produktion. Ofgem muss deshalb 2,2 Millionen Kunden bei anderen Anbietern unterbringen. Zuletzt verabschiedeten sich Enstroga, Igloo Energy und Symbio Energy.

Zu den Gründen für die Verteuerung von Erdgas gehört, dass der größte britische Erdgasspeicher 2017 von der British-Gas-Mutter Centrica stillgelegt wurde. Seitdem findet keine nennenswerte Lagerhaltung im Land mehr statt, durch die sich Preisspitzen glätten ließen. Zudem lieferten die Offshore-Windkraftwerke, auf die man zum Erreichen der Klimaziele gesetzt hatte, in den vergangenen Monaten wegen ruhigen Wetters nicht genug Strom. Trockenheit dämpfte den Output von Wasserkraftwerken. Deshalb musste mehr Gas eingesetzt werden, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Windarm und trocken

Wie der schottische Versorger SSE mitteilte, produzierte seine Erneuerbare-Energien-Sparte zwischen April und September rund ein Drittel weniger Strom als erwartet. Der vergangene Sommer sei in weiten Teilen Großbritanniens und Irlands einer der windärmsten gewesen, verlautbarte die FTSE-100-Gesellschaft. Zudem habe es sich im Einzugsbereich ihrer Wasserkraftwerke um einen der trockensten Sommer der vergangenen 70 Jahre gehandelt. Ein Feuer sorgte zu allem Unglück auch noch dafür, dass vorübergehend kein Atomstrom aus Frankreich durch ein Unterseekabel importiert werden konnte. Eine der wenigen guten Nachrichten der vergangenen Tage ist, dass ein Unterseekabel aus Norwegen nach sechs Jahren Bauzeit in Betrieb genommen wurde. Der britische Netzbetreiber National Grid und die norwegische Statnett ließen sich das 1 400-Megawatt-Projekt, das 1,4 Millionen Haushalte versorgen kann, 1,4 Mrd. Pfund kosten. Das Kabel erstreckt sich vom größten norwegischen Wasserkraftwerk bis nach Blyth in Northumberland. Es soll in erster Linie Ökostrom liefern und damit dazu beitragen, die britische Klimabilanz zu verbessern.

Die britischen Verbraucher werden zwar durch eine Preisobergrenze vor allzu großer Volatilität geschützt, aber der Regulierer kommt nicht umhin, sie immer wieder an die Gegebenheiten im Großhandel anzupassen. Deshalb wird der Preis für Strom und Gas für einen durchschnittlichen Vertragskunden ab diesem Monat um 139 Pfund auf 1 277 Pfund pro Jahr steigen. Die jährlichen Energiekosten von Prepaidkunden steigen erhöhen sich im Schnitt um 153 Pfund auf 1 309 Pfund. Wer von einem der zahlungsunfähigen Anbieter an einen anderen Versorger übertragen wurde, muss mit einem heftigen Aufschlag rechnen, denn meist lagen die Lockangebote dieser Firmen deutlich unterhalb der bisherigen Obergrenze.

Auch am Freitag bildeten sich vor Tankstellen mancherorts lange Schlangen. Dem Betreiberverband PRA (Petrol Retailers Association) zufolge sitzt mehr als ein Viertel (27%) der unabhängigen Tankstellen immer noch auf dem Trockenen. Die auch für leere Supermarktregale verantwortliche Lkw-Fahrerknappheit führt dazu, dass viele nicht bzw. nicht mit allen Kraftstoffsorten beliefert wurden. Alarmistische Medienberichte sorgten dafür, dass sich Autobesitzer vorsorglich eindeckten und die Knappheit dadurch verschärften. Die Automobile Association (AA) hat indes erste Anzeichen für eine Besserung der Lage ausgemacht. „Wir glauben, dass wir die Kurve gekriegt haben“, sagte AA-Präsident Edmund King. In Nordirland und Schottland habe sich die Versorgungssituation bereits entspannt.

Wertberichtigt Seite 8