Infrastrukturgüterindustrie

China wird zur Achillesferse von Siemens

Siemens ist mit Bremsspuren im schnelldrehenden Teil des Geschäfts in China konfrontiert. Die hochprofitablen Digital-Industries-Aktivitäten meldeten im dritten Quartal einen Auftragseinbruch. Der Vorstand senkt seine erst im Mai angehobene Prognose für die Kernsparte.

China wird zur Achillesferse von Siemens

China wird zur Achillesferse von Siemens

Hohe Lagerbestände und ausbleibende Erholung der industriellen Produktion lassen im dritten Quartal die Aufträge in hochprofitablen Aktivitäten einbrechen

Siemens ist mit Bremsspuren im schnelldrehenden Teil des Geschäfts in China konfrontiert. Die hochprofitablen Digital-Industries-Aktivitäten meldeten im dritten Quartal einen Auftragseinbruch. Der Vorstand senkt seine im Mai angehobene Prognose für die Kernsparte. Die übergreifenden Konzernziele bleiben aber gültig. Extrem unzufrieden zeigt Siemens sich mit der Energy-Beteiligung.

mic München

Die abkühlende Weltkonjunktur hat nun auch Siemens erwischt. „In China erholt sich der Markt für die industrielle Produktion langsamer als erwartet“, sagte Vorstandsvorsitzender Roland Busch bei der Vorlage der Zahlen des dritten Quartals. Die Industriekunden hätten ihr Bestellverhalten wegen der entspannten Situation bei den Lieferketten normalisiert. Außerdem bauten Distributoren ihre Lagerbestände ab. Finanzvorstand Ralf Thomas zufolge sind sie doppelt so hoch wie normal. Er wies darauf hin, dass dies auch Folgen für die Produktion hierzulande haben könne, wenn der eigene Export oder jener der Siemens-Kunden nach China leide.

In der Folge sank der Auftragseingang der Kernsparte Digital Industries im dritten Quartal um 35%. Das Verhältnis von Auftragseingang zu Umsatz betrug nur noch 0,77. Thomas betonte zugleich, dass der Auftragsbestand mit 12,5 Mrd. Euro trotzdem noch sehr hoch sei. So war im Geschäftsjahr 2020/2021 rund die Hälfte an der Tagesordnung.

Spartenprognose gesenkt

Allerdings schrumpfte in China auch das kurzzyklische Geschäft – also jene Bestellungen, die direkt ausgeliefert und verrechnet werden. Diese Aktivitäten sind hochprofitabel. Der starke Rückgang neuer Aufträge im chinesischen Automatisierungsgeschäft, der in der zweiten Hälfte des dritten Quartals eingesetzt habe, habe auch diese „Book-and-bill“-Geschäfte betroffen, sagte Thomas im Gespräch mit Analysten. 20 bis 40% der Quartalsumsätze speisten sich aus derartigen Aufträgen. Er betonte, man sehe keine Stornierungen bereits erteilter Aufträge über das übliche Niveau von 1 bis 2% hinaus. Dies bedeute impliziert, dass das Siemens-Preisniveau akzeptiert werde.

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Siemens senkte daher die Prognose von Digital Industries für das Geschäftsjahr 2022/2023 (30. September). Der Umsatz soll nun um 13 bis 15% statt um 17 bis 20% steigen. Die Ergebnismarge wird um einen halben Prozentpunkt niedriger bei 22 bis 23% erwartet. Thomas warnte vor einem erratischen Geschäftsverlauf in den nächsten Quartalen. Es könne nicht gut vorausgesagt werden, wie sich die Bevorratung in den Vertriebskanälen entwickle.

Smart Infrastructure auf Kurs

Siemens hielt dagegen an der Prognose für die zweite Kernsparte Smart Infrastructure fest. Die Sparte mache weniger als 10% ihrer Umsätze in China, aber 40% im gut laufenden US-Markt, erklärte Thomas. Digital Industries erwirtschafte dort nur 12 bis 15% der Erlöse, aber 25% in China. Im Untersegment Automatisierung betrage der Anteil sogar 30%. Mit dem guten Geschäftsverlauf in den übrigen Konzernteilen begründete Thomas auch, dass aus seiner Sicht die Jahresprognose unverändert bleibt. Das Ergebnis pro Aktie vor Kaufpreisallokation soll in einer Bandbreite von 9,60 Euro bis 9,90 Euro landen, nachdem Siemens im bisherigen Geschäftsjahr die Prognose zweimal angehoben hatte.

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Allerdings wird nicht nur wie bisher eine positive Neubewertung des Energy-Anteils in Höhe von 1,6 Mrd. Euro herausgerechnet, sondern auch der Anteil am operativen Energy-Verlust. Dieser dürfte nach neun Monaten rund 1,2 Mrd. Euro betragen, also rund 1,50 Euro pro Aktie. Inklusive dieses Verlusts würde Siemens also deutlich unter dem Jahresziel landen.

Thomas begründete das Ausklammern aller Energy-Effekte damit, dass man den Geschäftsverlauf der Beteiligung nicht beeinflussen könne. Seiner Rechnung nach hat Energy inklusive aller Faktoren in den ersten neun Monaten 902 Mill. Euro netto zum Ergebnis der Siemens AG beigetragen. Die Reduzierung der Beteiligung von 32% auf 25,1% im dritten Quartal durch eine Übertragung an den Siemens-Pensionsfonds habe einen Gewinn von 318 Mill. Euro gebracht. Der Buchwert je Energy-Aktie betrage per Ende Juni 10 Euro.

Siemens will Energy-Anteil reduzieren

Busch kündigte an, Siemens werde den Energy-Anteil weiter zurückfahren. Es gebe aber ein gewisses Limit, wie hoch das Investment des Pensionsfonds in einem Asset sein dürfe. Auf die Frage, wie er mit der Führung des Unternehmens zufrieden sei, antwortete er: „Wir sind nicht zufrieden.” Über die Zukunft von Energy-Chef Christian Bruch entscheide der Aufsichtsrat von Siemens Energy. Siemens ist dort unter anderem mit Finanzvorstand Thomas vertreten. Er verwies auch auf die unklare Situation im Offshore-Segment. Mit Blick auf die Gesamtlage sagte er: „Da erwarten wir uns möglichst bald Klarheit.“

Mit Blick auf das dritte Quartal insgesamt sprach Busch von einer starken Leistung. Der Anstieg des Auftragseingangs um 15% resultiert vor allem aus Großaufträgen in der Bahntechnik. Der Umsatz stieg auf vergleichbarer Basis um 10% auf 24,2 Mrd. Euro. Das Ergebnis des industriellen Geschäfts sank zwar um 4% auf 2,8 Mrd. Euro, jedoch hatte eine Veräußerung in der Vorjahresperiode 0,7 Mrd. Euro eingebracht.