Autoindustrie

China hängt bei Elektroautos den Rest der Welt ab

Chinas Position als weltgrößter Markt für Elektroautos bleibt unangefochten. Mit BYD profiliert sich ein chinesischer Hersteller als erster Tesla-Jäger. Die europäischen Produzenten sollten aber nicht zu früh abgeschrieben werden.

China hängt bei Elektroautos den Rest der Welt ab

China hängt bei Elektroautos den Rest der Welt ab

Unangefochten größter Einzelmarkt – Deutschland erwartet 2024 Anteilsverluste – BMW: Nachfrage nach Verbrennern hat Höhepunkt erreicht

Chinas Position als weltgrößter Markt für Elektroautos bleibt unangefochten. Mit BYD profiliert sich ein chinesischer Hersteller als erster Tesla-Jäger. Die europäischen Produzenten sollten aber trotz aktuell schwierigen Geschäftsumfelds nicht zu früh abgeschrieben werden, meint der Investmentmanager Capital Group.

ste Hamburg

Der chinesische Autokonzern BYD hat im vierten Quartal 2023 mit rund 526.400 vollelektrischen Autos (BEV) erstmals mehr Elektro-Neufahrzeuge verkauft als der US-Elektroauto-Pionier Tesla im gleichen Zeitraum. Zugleich steht China nach einem Anstieg des BEV-Absatzes im vergangenen Jahr um 21% auf 5,14 Millionen Fahrzeuge als Einzelmarkt für Elektroautos global weiter unangefochten an der Spitze. Nach Schätzungen des Center of Automotive Management (CAM) wurden 2023 mit rund 9 Millionen weltweit 29% mehr rein batterieelektrische Autos verkauft als im Jahr zuvor. Der Weltmarktanteil Chinas verringerte sich zwar um 4 Prozentpunkte. Mit 57 (i.V. 61)% des globalen BEV-Absatzes rangiert der größte Einzelmarkt aber weiterhin deutlich vor weiteren automobilen Kernregionen wie Europa (Europäische Union, Europäische Freihandelszone und Großbritannien) und den USA, die nach aktuellen Projektionen 2023 auf rund 2 (+27%) Millionen bzw. 1,2 (+50%) Millionen neu zugelassene Elektro-Pkw kamen. Auf Europa und die USA entfielen damit etwa 22 bzw. 13% aller weltweiten BEV-Verkäufe.

BYD auf Überholspur

Der chinesische Marktführer BYD, der im vergangenen Jahr Volkswagen als langjährigen Primus an der Spitze in China ablöste, fand allein im Schlussabschnitt 2023 international mehr Käufer für seine E-Fahrzeuge als alle Marken in Deutschland im Gesamtjahr zusammengenommen. Bei einem Anstieg der Neuzulassungen um 11% auf 524.000 BEV erhöhte sich der Marktanteil reiner Elektro-Pkw in Deutschland 2023 nur marginal auf 18,4 (17,7)%. Die schwache Konjunktur, die vorzeitige Beendigung der Kaufprämie für E-Autos sowie weiterhin fehlende preisgünstige Modelle lassen Fachleute von schrumpfenden Neuzulassungszahlen in Deutschland in diesem Jahr ausgehen: CAM-Experte Stefan Bratzel etwa rechnet für 2024 mit 430.000 bis 480.000 BEV-Verkäufen. Weltweit hingegen wird ein Anstieg des Auslieferungsvolumens um immer noch mehr als ein Fünftel auf rund 11 Millionen neue E-Fahrzeuge erwartet.

China habe technologisch einen Sprung nach vorne gemacht und bei der Produktion von Elektrofahrzeugen und bei der Batterietechnologie mittlerweile die Pole-Position inne, konstatiert Christophe Braun vom Investmentmanager Capital Group mit Verweis auf die starke finanzielle Unterstützung der E-Fahrzeugentwicklung durch die chinesische Regierung in den vergangenen Jahren. In puncto Technologie sei China bei E-Fahrzeugen Analysteneinschätzungen zufolge heute drei Jahre voraus. Günstigere Arbeitskosten, Fortschritte in der Softwareentwicklung und Chinas Reichtum an wichtigen Mineralien für E-Auto-Batterien verschafften den chinesischen Autoherstellern einen strategischen Vorteil. Europäische Hersteller, so Braun, würden zumindest im Moment zunehmend abgehängt.

"Rennen nicht entschieden"

"Insgesamt sehen sich die großen europäischen Automobilhersteller aktuell mit dem wohl schwierigsten und kompliziertesten Geschäftsumfeld ihrer Geschichte konfrontiert", so der Anlagemanager. Sie hätten einen erheblichen Kostennachteil, und es seien umfangreiche Investitionen erforderlich, um mit den chinesischen E-Fahrzeugherstellern, aber auch mit Tesla mithalten zu können. Die Herausforderung sei erkannt, wie die massiven Investitionspläne für den Ausbau der Elektromobilität bei Volkswagen, Mercedes-Benz, BMW und Stellantis zeigten, und es wäre "ein Fehler, die europäischen Automobilhersteller zu früh abzuschreiben". Noch sei das Rennen um die globale Marktführerschaft bei Elektrofahrzeugen nicht entschieden.

Der Capital-Group-Experte sieht die deutschen Premiumhersteller BMW, Mercedes-Benz und Porsche "gut positioniert, um im Bereich Elektrofahrzeuge erfolgreich zu sein". BMW etwa geht davon aus, dass die Nachfrage nach Fahrzeugen des Konzerns mit Verbrennungsmotoren im vergangenen Jahr ihren Höhepunkt erreicht hat. "Der Wendepunkt für Verbrennungsmotoren war letztes Jahr", zitierte Bloomberg BMW-Finanzvorstand Walter Mertl am Montag aus einer Telefonkonferenz mit Journalisten. "Das künftige Mengenwachstum wird vor allem von batterieelektrischen Fahrzeugen kommen." Der Münchener Autobauer, der laut Mertl bis zum Ende des Jahrzehnts bei seinen Elektroautos höhere Renditen erwartet als bei den Verbrennern, will 2024 eine halbe Million batteriebetriebene Autos absetzen, was etwa einem Fünftel seiner gesamten Auslieferungen entsprechen würde.

VW rückt vor

Laut der aktuellen CAM-Analyse entfielen 2023 mehr als 80% des weltweiten BEV-Absatzes auf zehn E-Autohersteller. Allein die drei größten – Tesla, BYD und Volkswagen – vereinigten dabei zusammen einen Anteil von 46% aller Neuzulassungen auf sich. Tesla blieb mit einer Absatzsteigerung um 38% auf 1,81 Millionen BEV weltweiter Marktführer bei reinen Elektroautos, BYD rückte durch ein Wachstum um 73% auf 1,58 Millionen aber näher. Zwar schob sich mit dem VW-Konzern den Angaben zufolge erstmals ein deutscher Hersteller unter die ersten drei der globalen BEV-Rangliste, weil sich der E-Autoabsatz 2023 überdurchschnittlich um knapp 35% auf rund 771.000 Fahrzeuge erhöhte. Der Abstand zu Tesla und BYD vergrößerte sich jedoch. Verwiesen wird auf den nur leicht auf 8,3 (6,9)% gestiegenen BEV-Verkaufsanteil. Die Wolfsburger hatten sich für 2023 ursprünglich eine Quote von 10% zum Ziel gesetzt.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.