Regulierung

Chinas Tech-Kampagne findet immer neue Opfer

Am Wochenende erließ der chinesische Staatsrat eine neue Verordnung, die zu gewaltigen Einschnitten im privaten Erziehungssektor führt. Für chinesische Technologieaktien ging es danach deutlich abwärts.

Chinas Tech-Kampagne findet immer neue Opfer

Von Norbert Hellmann, Schanghai

Der seit Monaten laufende Feldzug der Pekinger Regierung zur verschärften Regulierung von Internet- und Technologiefirmen greift immer weiter um sich. Am Wochenende erließ der chinesische Staatsrat eine neue Verordnung, die zu gewaltigen Einschnitten im privaten Erziehungssektor und bei Anbietern von Online-Schulungen und Nachhilfeunterricht-Diensten führt. Sie mündete am Montag in einer breiten Abverkaufswelle für chinesische Technologieaktien.

Drastischer Einschnitt

Mit praktisch sofortiger Wirkung ist es den entsprechenden Firmen verboten, Dienste, die in einem direkten Bezug zur Vermittlung von schulischen Lehrplaninhalten stehen, auf einer profitorientierten Basis zu betreiben. Damit wird ein ganz wesentlicher Ausschnitt ihres Geschäftsvolumens mit einem Handstreich zu einer gemeinnützigen Veranstaltung umfunktioniert. Gleichzeitig wird Start-up-Unternehmen in diesem Ausschnitt des Erziehungsbereichs untersagt, Kapital bei Finanzinvestoren einzuwerben oder ein Initial Public Offering (IPO) an der Börse anzugehen. Darüber hinaus werden sämtliche Schulungen für Kinder im Vorschulalter kategorisch verboten. Die neue Regulierung hat zum einen erziehungspolitische Hintergründe in einer Gesellschaft, in der Kinder praktisch vom Babyalter an mit Privatkursen traktiert werden, um im hochkompetitiven Schulwesen besser bestehen zu können. Sie scheint aber explizit auch auf die chinesische Boombranche mit Online-Schulungsdiensten, sprich auf Firmen im Bereich der Education Technology (Edutech) gemünzt zu sein.

Heißer Sektor

Chinas Edutech-Sektor ist eines der heißesten Segmente im Internetdienstesektor und wird auf ein gewaltiges jährliches Umsatzvolumen von umgerechnet von knapp 700 Mrd. Yuan (knapp 90 Mrd. Euro) veranschlagt. Die neue Verordnung läuft auf einen regelrechten Kahlschlag für die zahlreichen börsennotierten oder zum Börsengang anstehenden Edutech-Anbieter hinaus. Nachdem bereits am Freitagabend wesentliche Inhalte der neuen Regulierung durchgesickert waren, reagierten die an New Yorker Börsen notierten Sektorgrößen Tal Education Group, New Oriental Education & Technology Group und Gaotu Techedu Inc. mit dramatischen Kursverlusten von mehr als 50%. Die Panikwelle ergriff am Montag auch die chinesischen Festlandbörsen sowie den Hongkonger Markt an breiterer Front. Zuletzt ging man davon aus, dass eine Datenschutzoffensive, die den frisch an der New Yorker Börse notierten Fahrdienstriesen Didi in die Zange genommen hat, den Höhepunkt des Regulierungsfeldzugs gegen Techfirmen markieren würde. Nun aber fürchten die Anleger einen länger gestreckten Feldzug. Am Montag verkündete das Industrie- und Technologieministerium eine sechsmonatige „Rektifikationskampagne“ für die Internetindustrie, um gezielt gegen „Störungen der Marktordnung“, „Verstöße gegen Verbraucherinteressen“ und „Datensicherheitsverletzungen“ vorzugehen.

Meituan hart getroffen

Die neue Drohsalve des Ministeriums hat am Montag vor allem an der Hongkonger Börse breiten Eindruck auf die Tech-Anlegergemeinde gemacht. Neben einer Handvoll von Edutech-Werten, die um 30 bis 50% einbrachen, hat es den breit aufgestellten chinesischen Internetdienstleister Meituan besonders hart erwischt. Die Meituan-Aktie rutschte um 14% ab und erlitt damit den größten Tagesverlust seit ihrer Börseneinführung im September 2018. Der nach Tencent und Alibaba drittgrößte chinesische Techkonzern hatte im Februar ein Rekordhoch an der Börse verzeichnet, seitdem aber knapp 50% des Marktwerts eingebüßt. Auch Tencent, die zu den größten Anteilseignern bei Meituan zählt, musste im Hongkonger Börsenhandel bluten und verlor knapp 8%. Damit erreicht das nach Marktkapitalisierung größte chinesische Unternehmen ein 52-Wochen-Tief.

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