Infrastrukturinvestitionen

Die Finanziers der Stadtwerke

Stadtwerke suchen Kapital, Geldgeber langfristig lukrative Assets. Kooperationen seien da nur logisch und dürften zunehmen, sagen Experten. Langfristinvestoren kaufen sich zunehmend auf Projektebene bei Kommunalgesellschaften ein und helfen beispielsweise beim Aufbau grüner Energienetze.

Die Finanziers der Stadtwerke

dwo Düsseldorf – Energiewende und Digitalisierung fordern den kommunalen Strom- und Wärmeversorgern, Netzbetreibern und Infrastrukturanbietern nicht nur technologisch viel ab. Auch finanziell stellen die Megatrends die öffentlichen Träger vor scheinbar unlösbare Aufgaben. Verlässliche Zahlen sind von Verbandsseite wie Marktbeobachtern schwer zu bekommen; die Initiative Deutsche Infrastruktur (IDI) argumentierte vergangenen Herbst allein für den Stromnetzausbau mit 52 Mrd. Euro Investitionsbedarf von 2019 bis 2030 nach Netzentwicklungsplan. Die Finanzierungslücke auf dem Weg zum flächendeckenden Glasfasernetz war demnach 2019 etwa doppelt so hoch.

Gerade Stadtwerke mit ihrem meist heterogenen Geschäftsmodell stehen wegen der Dekarbonisierung von Strom und Wärme, E-Mobilität oder dem Bedarf an Energie- und Datennetzen vor einer neuen Geschäftswelt, in der sie auf externes Kapital angewiesen sind, wie Branchenkenner im Gespräch mit der Börsen-Zeitung sagen. Viele der rund 900 deutschen Stadtwerke müssten trotz Eigenkapitalquote unter 40 % und klammer kommunaler Haushalte gleich mehrere große Herausforderungen in dieser Dekade meistern, resümiert Timo Poppe, Geschäftsführer der Investmentgesellschaft Palladio Kommunal. Die Investitionslücke als „Riesenproblem“ sah er in seinen acht Jahren als Vorstand des Bremer Energieversorgers SWB aufkommen. Seit diesem Jahr berät er im Joint Venture mit Palladio Partners kapitalhungrige Stadtwerke und will sie zur Finanzierung von Infrastrukturprojekten mit heimischen Langfristinvestoren zusammenbringen.

Direkte Beteiligungen an Stadtwerken seien dabei gar kein Thema, stattdessen der Aufbau langlebiger Infrastrukturgesellschaften, in die Palladio mit 49 % einsteigt. Neben dem laut Poppe aktuell noch rele­vantesten Bereich Glasfaser geht es unter anderem um die maroden Abwasserkanäle aus den 60er Jahren, CO2-neu­tralen Nahverkehr – und natürlich um grüne Energie und die nötigen Netze, die rasant an Bedeutung gewinnen. Demnach „werden wir im Sinne der Klimaziele auch um eine noch häufig verschwiegene Wärmewende nicht herumkommen, das wird das nächste Topthema und kostet richtig viel Geld“, sagt Poppe.

Von Geldgebern zu Strategen

Den Bedarf an externem Kapital sehen demnach nicht nur die allermeisten der gut 60 Stadtwerke-Chefs, mit denen er im vergangenen halben Jahr gesprochen habe. Auch Steffen Apfel, Partner bei PwC Deutschland und Leiter des Bereichs M&A im Energiesektor, hält es für „vorteilhaft, über Partnerschaften nachzudenken. Und die können auch branchenfremd sein.“ Gerade für die Energiebranche ist der Berater überzeugt von zunehmendem Einfluss institutioneller Anleger.

Tatsächlich ist es für diese in der anhaltenden Niedrigzinsphase interessant, die Investitionslücke zu füllen. Schließlich finden sie gerade in regulierten Energiegeschäften trotz sinkender Renditen noch attraktive – weil sichere und konjunkturell robuste – Assets. Auch Apfel setzt dabei auf gemeinsam gegründete Projektgesellschaften, besonders um den Aufbau regionaler Infrastruktur voranzubringen. Von reinen Finanziers würden Investoren zu strategischen Partnern, die Energiewende und Digitalisierung mitgestalten wollten. Erst das aktive Management generiere letztlich auch Mehrwert. Eine „Privatisierungswelle“ kommunaler Unternehmen oder gar ihr Verkommen zu Spekulationsobjekten fürchtet der Berater dagegen nicht. „Es gibt im Moment keine Städte, die ihre Anteile verkaufen.“

Zwar machten mit dem Oldenburger Kommunalversorger EWE und der Mannheimer MVV Energie in den vergangenen anderthalb Jahren zwei Schwergewichte der Branche Schlagzeilen infolge großer Anteilserwerbe der ausländischen Investoren Ardian und First Sentier Investors. Doch diese Anteile kamen bereits aus privater Hand, und die Fälle sind aus Sicht der Experten ohnehin keine Blaupausen für kleinere Unternehmen. Der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) beobachtet denn auch keinen Trend zur verstärkten Beteiligung privater Investoren an Kommunalgesellschaften. Kooperationen habe es hier indes immer schon gegeben.

Die Angst vor Heuschrecken

Und sie werden zunehmen, ist Apfel sicher. „Mittlerweile sieht man in der kommunalen Community, dass die Zusammenarbeit funktioniert und Vorteile mit sich bringt.“ Auch Poppe hofft darauf, wenngleich er noch gegen Vorbehalte und „emotionale Restriktionen“ einiger kommunaler Gesellschafter kämpft. „Gerade unter dem Begriff Öffentlich-Privater Partnerschaften wurde in Deutschland in den Neunzigern viel Schindluder betrieben. Damit müssen wir aufräumen und saubere und transparente Modelle salonfähig machen“, sagt er und verweist auf seine Geldgeber, hauptsächlich Pensionskassen und Versicherungen. „Das sind keine Heuschrecken, vor denen man Angst haben muss. Das müssen wir den kommunalen Trägern noch näherbringen.“