Maschinenbau

Energiewende hilft Großanlagenbau

Für deutsche Hersteller großer Industrieanlagen ist durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine im vergangenen Jahr ein wichtiges Abnehmerland weggebrochen. Im Rest der Welt sorgte die hohe Nachfrage nach Klimaschutztechnologien jedoch für einen insgesamt stabilen Auftragseingang.

Energiewende hilft Großanlagenbau

kro Frankfurt

Die globalen Bemühungen um eine stärkere Digitalisierung und Dekarbonisierung industrieller Prozesse haben die Geschäfte deutscher Großanlagenbauer im vergangenen Jahr nach dem Wegbrechen des wichtigen Russlandmarktes stabilisiert. Der Gesamt-Auftragseingang der Branche, zu der etwa Hersteller von Kraftwerken, Stahlfabriken und Chemieanlagen zählen, ging 2022 nur leicht um 0,8 % auf 21 Mrd. Euro zurück, wie die Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) am Montag mitteilte. Dabei verdoppelten sich die Bestellungen aus dem Inland, vor allem dank großer Aufträge für die Netzanbindung von Offshore-Windparks in der deutschen Nordsee. Zugleich legte auch die Nachfrage aus der Petrochemie sowie aus der Öl- und Gasindustrie stark zu.

Die Auslandsorders gingen hingegen um ein Fünftel zurück, was fast ausschließlich an der Beendigung von Geschäftsbeziehungen mit Russland aufgrund des Angriffs auf die Ukraine lag. Es sei positiv, dass die Nachfrage aus den verschiedenen Auslandsmärkten durch den Wegfall des Russlandsgeschäfts nun breiter gefächert sei, sagte der Vizevorsitzende der Arbeitsgemeinschaft, Hannes Storch, bei der Vorstellung der Jahreszahlen. Tatsächlich kamen 2021 noch 35 % aller Auslands-Auftragseingänge im Großanlagenbau aus Russland − so viel wie aus keinem anderen Land.

Diese starke Abhängigkeit von einem Land gebe es so nun nicht mehr, sagte Storch. Stattdessen stammte die Nachfrage 2022 wieder vermehrt aus den Industrieländern, wobei die USA mit 15 % beziehungsweise Bestellungen von insgesamt 2,2 Mrd. Euro den größten Anteil auf sich vereinten. So sei etwa in West Virginia ein Stahlwerk in Auftrag gegeben worden. Auch im Mittleren Osten, darunter in Saudi-Arabien meldeten die Mitgliedsunternehmen Zuwächse, genauso wie in bevölkerungsreichen Schwellenländern wie Brasilien und Indien. In China verringerte sich die Nachfrage hingegen um 11 %. „Der chinesische Markt hat für uns umsatztechnisch eine relativ geringe Bedeutung“, sagte Storch. In der Arbeitsgemeinschaft herrsche auch generell eine Skepsis darüber, „dass wir hier zu deutlich größeren Neuanlagen oder Großprojekten in China kommen können“, so Storch. „Wir sehen China weiterhin als Kunde für Nachhaltigkeitstechnologie, aber durchaus auch chinesische Anlagenbauer als zunehmende Konkurrenz im internationalen Umfeld.“

Abkehr von Festpreisen

Die Hoffnungen der Mitgliedsunternehmen aus dem Großanlagenbau ruhen auch in Zukunft auf den weltweiten Ambitionen zur Eindämmung des Klimawandels. Die Branche sieht sich hierbei in einer Schlüsselposition, etwa indem sie Anlagen zur CO2-freien Energieerzeugung, zum Wertstoff-Recycling, zur Produktion synthetischer Kraftstoffe und zur Abscheidung und Speicherung von CO2 anbietet. Allerdings machen den Firmen zurzeit starke Preisschwankungen, die Inflation, anhaltende Probleme bei der Beschaffung und Logistik sowie der Fachkräftemangel zu schaffen. „Wir sehen eine extreme Volatilität im Markt“, sagte Storch mit Blick auf die Preisentwicklung. Die Firmen würden daher zunehmend dazu übergehen, Projekte nach dem tatsächlichen Aufwand und nicht mehr in Form von pauschalen Festpreisvereinbarungen abzurechnen. „Ich glaube, dass die allermeisten Mitgliedsunternehmen hier ihren Weg gefunden haben, das entsprechend umzusetzen“, sagte Storch.

Quereinsteiger willkommen

Um die Lieferkettenprobleme in den Griff zu bekommen, würden zudem neue Einkaufsquellen − vor allem im Inland und europäischen Ausland − erschlossen und zusätzliche Vorräte angelegt. Dem Mangel an qualifiziertem Personal begegnen die Unternehmen darüber hinaus unter anderem mit der verstärkten Ansprache von Quereinsteigern oder Studienabbrechern.

Die getroffenen Maßnahmen stimmen die Branche mit Blick auf das laufende Jahr zumindest schon mal zuversichtlich. Die meisten Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft würden laut einer Umfrage von Februar mit konstanten oder steigenden Umsätzen rechnen. Hier war es 2022 wegen des hohen Bestellaufkommens aus dem Vorjahr zu einer deutlichen Steigerung von 14 % auf 15 Mrd. Euro gekommen. Auch in Hinblick auf den Auftragseingang seien die Firmen überwiegend optimistisch. 46 % rechneten demnach mit einer Zunahme der Bestellungen. 40 % gehen hingegen von gleichbleibend hohen Aufträgen aus und 14 % von einer Abnahme.