Matthias Fritton

„Frauen findet man genauso wie Männer“

Um in Führungsgremien für Diversität zu sorgen, braucht es Offenheit für Profile und Karrierewege außerhalb tradierter Muster, erläutert Matthias Fritton, Berater beim Headhunter Spencer Stuart.

„Frauen findet man genauso wie Männer“

Sabine Wadewitz

Herr Dr. Fritton, das Gesetz zur Frauenquote ist in Kraft, wo gehen Sie als Headhunter auf die Suche nach Frauen für Vorstandsposten?

Frauen findet man genauso wie Männer. Es empfiehlt sich allerdings, in der Rekrutierung breiter zu denken und unterschiedlichste Karrierewege zu berücksichtigen, gerade im Finanzsektor. Man darf nicht eng in tradierten Konzepten und bestehenden Geschäftsbereichen denken, um eine Vorstandsposition mit einer Frau zu besetzen.

Geben Sie ein Beispiel?

Um einen weiblichen Vorstand mit Verantwortung für ein Marktsegment zu finden, sollte man sich zum Beispiel auch in ganz anderen Bereichen der Banken nach Kandidatinnen umsehen. Möglich, dass Frauen ihr Know-how über Märkte schon vor ein paar Jahren erworben haben, so dass sie die nötige Erfahrung mitbringen, auch wenn sie aktuell nicht mehr in dem Segment tätig sind. Wir müssen über den Tellerrand hinausschauen. Man sollte in der Suche zudem intensiv Laufbahnen im Ausland berücksichtigen, kaum eine Branche ist so international wie das Banking.

Die Karrierewege von Frauen sind also oftmals weniger geradlinig, deshalb muss man genauer in die Vita hineinsehen?

Bislang haben Unternehmen und Banken über viele Jahrzehnte vor allem männlichen Kandidaten die Möglichkeit gegeben, ihr Potenzial im Vorstand unter Beweis zu stellen. Diese Chance müssen Frauen auch bekommen, diesbezüglich fehlt es noch an Gerechtigkeit.

Wird es mit Blick auf die Frauenquote eher externe Besetzungen geben, oder gibt es nun größere Aufstiegschancen für weibliche Führungskräfte in Unternehmen?

Nach meinem Eindruck sind die Banken derzeit mit viel Energie darum bemüht, die Aufstiegschancen weiblicher Führungskräfte zu verbessern. Es hat lange gedauert, aber inzwischen hat Frauenförderung einen hohen Stellenwert. Der Prozess wird mit hoher Dynamik und Ernsthaftigkeit vorangetrieben, um Frauen den Weg in den Vorstand zu ermöglichen. Somit werden wir nicht allein externe Besetzungen sehen, um die neuen gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen. Und das finde ich auch gut und richtig.

Seit mehr als 20 Jahren gibt es in der deutschen Wirtschaft die Selbstverpflichtung, die Gleichstellung voranzubringen, doch es hat wenig gebracht. Warum läuft das so langsam?

Die Erklärung dafür ist nicht monokausal, an vielen Stellen ist nun Bewegung zu erkennen, wo früher Gründe für Benachteiligung lagen. Sehr wichtig ist es, dass die Flexibilität in so praktischen Fragen wie der Gestaltung von Berufs- und Familienleben zugenommen hat. Noch wichtiger ist jedoch die größere Offenheit für Karrierewege und Profile, die nicht dem bisherigen bewährten – und sehr „männlichen“ – Karrierekonzept entsprechen, also ein Kulturwandel.

Was kann diesen kulturellen Wandel beschleunigen?

Die Erfolgsgeschichte jener Frauen, die nun in den Vorstand kommen, wird entscheidend dazu beitragen, traditionelle Denkweisen zu überwinden. Je mehr Anerkennung sich diese Managerinnen erwerben, umso mehr weitere Frauen werden in Top-Positionen aufsteigen. Ein gemischtes Team beginnt mit der ersten Frau im Vorstand. Der gelungene Auftakt wird ein Umdenken in Gang setzen, das die Offenheit für den Wandel unterstützt und nicht bei Gender Diversity endet.

Ist Teilzeitarbeit von Frauen immer noch ein Karrierekiller, oder gibt es ein anderes Rollenverständnis und Arbeitszeitreduzierung auch von Männern?

Natürlich wirkt sich das Thema Kindererziehung in der Karriere aus. Ein Job, der fünf Reisetage in der Woche verlangt – das ist ja im Banking nicht selten –, ist mit einem Familienleben für viele Frauen – aber auch Männer – nur schwer zu vereinbaren. Bisher haben sich dann häufig Frauen für die aktivere Rolle in der Kinderbetreuung entschieden und sich deshalb auf eine andere Position versetzen lassen. Das darf keine Sackgasse sein. Es ist entscheidend, das Talent einer weiblichen Führungskraft zu erkennen. Die Eignung für eine herausgehobene Tätigkeit lässt sich nicht allein aus der Zahl der Jahre in einer bestimmten Abteilung ablesen.

Fordern Männer inzwischen auch temporär mehr Flexibilität und weniger Reisetätigkeit ein, um sich um ihre Kinder zu kümmern?

Als ich ins Berufsleben gestartet bin, wäre es kaum denkbar gewesen, dass ein Mann in Elternzeit geht. Heute ist das zum Glück viel selbstverständlicher. Auch hier findet gegenwärtig eine steile Lernkurve im gesellschaftlichen Bewusstsein statt, zu der die jüngeren Generationen vor allem beitragen. Wer jungen Leuten zuhört, kann da viel lernen.

Im Thema Diversität geht es nicht allein um Geschlechtervielfalt, sondern auch um Internationalität und kulturelle Vielfalt. Wie stark wird das im Headhunting adressiert?

Hier hinkt Deutschland im Vergleich zu angelsächsischen Ländern hinterher. Meine Kolleginnen und Kollegen in den USA sind intensiv mit Diversity in einem breiten Spektrum beschäftigt, während wir uns in Deutschland noch weitgehend auf Gender Diversity beschränken. Die öffentliche De­batte jedoch macht deutlich, dass sich das Bewusstsein auch hierzulande verändert. Wir dürften schon bald eine vergleichbare Entwicklung wie in den USA sehen.

Gibt es in dem Thema Unterschiede zwischen Finanzindustrie und Realwirtschaft?

Mir persönlich sind keine sektorspezifischen Besonderheiten aufgefallen.

Die Allbright-Stiftung hat jüngst analysiert, dass auch jüngere Unternehmen und Börsenneulinge von männlicher Monokultur geprägt sind. Hat Sie das überrascht? Sie sprachen ja von Hoffnungen auf den Generationswechsel?

Das Ergebnis dieser Analyse fand ich überraschend und auch spannend. Man muss vermutlich unterscheiden zwischen der faktischen Wirklichkeit in Start-ups und der Teilnahme von Gründerinnen an den öffentlichen Debatten. Da zeigt die Studie offensichtlich auch in manchem jungen Unternehmen ein Missverhältnis zwischen Worten und Taten auf. Das heißt aber zugleich auch, dass junge Frauen sich auch dort nicht mit Ungleichbehandlung abfinden werden, und das ist doch bewundernswert.

Das Interview führte

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