„Acting in concert“-Vorwurf

Investor Enkraft zwingt RWE in Zwickmühle

Vor der Abstimmung zur Abspaltung der Braunkohle von RWE bringt der grüne aktivistische Investor Enkraft Impactive den Stromkonzern in eine bedrohliche Zwickmühle. Die Stimmen der Kommunen dürften wegen „Acting in concert“ nicht zugelassen werden, heißt es im Brief an Aufsichtsratschef Werner Brandt.

Investor Enkraft zwingt RWE in Zwickmühle

cru/ab Frankfurt/Düsseldorf

Die Aktionäre von RWE werden am Donnerstag in der Hauptversammlung aller Voraussicht nach eine Abspaltung der Braunkohlesparte, die auch der Vorstand um CEO Markus Krebber nicht will, mehrheitlich ablehnen. Das empfehlen ihnen zumindest die einflussreichen Stimmrechtsberater von ISS und Glass Lewis. Doch erhöht der kleine grüne aktivistische Investor Enkraft Impactive den Druck. Das Family Office aus Unterhaching bei München, das auf erneuerbare Energien spezialisiert ist und die Braunkohleabspaltung fordert, bringt den Vorstand des Essener Stromkonzerns vor dem Aktionärstreffen mit einem neuen Brief an Aufsichtsratschef Werner Brandt in eine Zwickmühle.

Der Vorstoß richtet sich gegen die Stimmrechte der Ruhrgebietsstädte mit addiert 14% der Anteile, die traditionell meist den Vorstand unterstützen und dabei nach eigenen öffentlichen Aussagen koordiniert vorgehen. Enkraft legt RWE in dem Schreiben nahe, die Stimmen der Kommunen bei der Hauptversammlung nicht zuzulassen, weil sie koordiniert vorgingen („Acting in concert“), aber keine entsprechende Stimmrechtsmitteilung gemacht hätten. „Wir regen überdies an, etwaig auf der Hauptversammlung beschlossene Dividendenzahlungen an solche Aktionäre, die Gesellschafter des VkA (Verband der kommunalen RWE-Aktionäre) sind oder von solchen Gesellschaftern kontrolliert werden, bis zur endgültigen Klärung des Sachverhalts zurückzustellen“, schreibt Enkraft-Geschäftsführer Benedikt Kormaier an RWE-Aufsichtsratschef Brandt. Der Brief vom 25. April (Montag), der der Börsen-Zeitung vorliegt, wurde in Kopie an die Finanzaufsicht BaFin geschickt.

„Acting in concert“-Vorwurf

Laut Enkraft folgt aus der Tatsache, dass die Kommunen keine entsprechende Stimmrechtsmitteilung über ihr vermeintlich abgestimmtes Verhalten gemacht haben, als rechtliche Konsequenz, dass sie keine Stimme auf der Hauptversammlung und gegebenenfalls keine Dividende erhalten dürfen – solange die Mitteilung nicht erfolgt ist.

Der Kurs der RWE-Aktie reagierte am Montag mit einem Plus von 1,6% auf 40,23 Euro. Damit hat sich der Börsenwert des Konzerns seit März 2018 auf 27 Mrd. Euro verdoppelt.

Für RWE eröffnet die durch das Schreiben verursachte Zwickmühle zwei Handlungsalternativen: Der Konzern kann entweder die Stimmen der Kommunen wie gefordert nicht zulassen, weil RWE vermutlich schon vor der Hauptversammlung weiß, dass man alle Abstimmungspunkte durchbekommt – auch ohne die Stimmen der Kommunen. Der Nachteil: Der Konzern gäbe dann implizit zu, dass auch aus der Sicht von RWE ein „Acting in concert“ vorliegt, so dass der Konzern in diesem Fall die Dividende nicht auszahlen kann.

Oder RWE ignoriert das Schreiben von Enkraft, lässt die kommunalen Stimmen zu und zahlt die Dividenden. Wenn dann jedoch im Nachhinein die BaFin oder ein Gericht feststellen sollte, dass es sich tatsächlich um „Acting in concert“ handelt, wäre die Hauptversammlung ungültig.

Nach Ansicht von Enkraft legen öffentlich zugängliche Informationen nahe, dass sich bis zu 90 der über den VkA verbundenen Städte und Gemeinden, Kreise, Verbände und weiteren Unternehmen – darunter etwa Essen, Dortmund und Duisburg – im VkA seit Jahren über die Ausübung der von ihnen jeweils kontrollierten Stimmrechte aus Aktien der RWE auf deren Hauptversammlungen abstimmen. „Ein solcher als sogenanntes Acting in concert zu bezeichnender Sachverhalt löst kapitalmarktrechtliche Mitteilungspflichten nach §§ 33 Absatz 1 Satz 1, 34 Absatz 2 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) aus, die – soweit ersichtlich – bis heute von keinem der Gesellschafter des VkA ordnungsgemäß erfüllt wurden“, warnt Enkraft-Chef Kormaier im Brief an RWE-Aufsichtsratschef Brandt.

„Mit einer Stimme sprechen“

Infolge dieses Verstoßes bestünden „die Stimmrechte aus sämtlichen Aktien, die von Gesellschaftern des VkA gehalten oder kontrolliert werden, gegenwärtig nicht“ und dürften „nach § 44 Absatz 1 Satz 1 WpHG auch bei den Abstimmungen auf der anstehenden Hauptversammlung am 28. April 2022 nicht berücksichtigt werden“.

Koordinieren die Kommunen ihr Abstimmungsverhalten? Tatsächlich wurde im Zusammenhang mit dem Zusammenschluss der ehemals regionalen RWE-Kommunalverbände Westfalen und Rheinland im VkA am 24. Juni 2021 durch das Online-Magazin „Der Neue Kämmerer“ unter Berufung auf den Geschäftsführer des RWE-Kommunalverbandes Westfalen, Wolfgang Kirsch, berichtet, dass mit dem neu entstehenden VkA „die kommunalen Aktionäre des Energieversorgers RWE an Rhein und Ruhr ihre Kräfte [bündeln]“ und „künftig mit einer Stimme sprechen wollen“, um „durch das Zusammengehen eine noch bessere Vertretung der kommunalen Aktionäre gegenüber RWE“ zu begründen.

RWE erklärte, den Sachverhalt zu prüfen. RWE halte sich im Übrigen an die vorliegenden Stimmrechtsmitteilungen. Die jüngsten Stimmrechtsmeldungen aus dem Kreis der kommunalen Aktionäre stammen aus dem Jahr 2018. „Aus unserer Sicht ist die Aufgabe des VkA mit der eines Stimmrechtsberaters vergleichbar, wie sie von großen Investoren und Anlegern weltweit in Anspruch genommen wird, um ihre Aktionärsrechte auszuüben“, heißt es. „Wir halten das für unbegründet, wollen das aber kurzfristig nicht näher kommentieren“, sagte der Co-Geschäftsführer des VkA, Ingolf Graul, zu Reuters.

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