Ölindustrie

Kritische Investitionen der Ölindustrie

Die Ölindustrie erwägt langfristige und hohe Investitionen in Produktion, Verarbeitung und Vertrieb. Doch sollte gleichzeitig der Ölpreis abrutschen, könnte die Branche viele Milliarden verschwenden.

Kritische Investitionen der Ölindustrie

Die festen Öl- und Gaspreise könnten Unternehmen aus der Branche zu langfristigen, kapitalintensiven Investitionsentscheidungen verleiten. Entsprechende Überlegungen in den Vorstandsetagen gibt es und Forderungen von außen, die in diese Richtung gehen, werden lauter. Solche Investitionen könnten die Aktionäre aber teuer zu stehen kommen, warnt die in London ansässige Carbon Tracker Initiative (CTI) – eine Denkfabrik, die sich nach eigener Darstellung mit dem Ziel, einen klimafreundlicheren globalen Energiemarkt zu schaffen, um eine Verständigung zwischen Kapitalmarkt und Klimaschützern bemüht. Daher empfehlen die CTI-Analysten, die Konzerne sollten mit Bedacht in die Energiewende investieren – so könne der Shareholder Value am besten gesichert werden. Zudem helfe dies, die Klimaziele zu erreichen.

Seit die Weltwirtschaft den ersten Pandemieschock verdaut hat und der Konjunkturmotor wieder Fahrt aufnahm, erholen sich die Ölpreise kräftig. Es sei aber unwahrscheinlich, so die Studie, dass dieser Aufwärtstrend anhalte, da die von vielen Regierungen anvisierten Klimaziele in Verbindung mit dem starken Absatzwachstum von Elek­trofahrzeugen die langfristige Nachfrage nach Öl bestimmen werden. Die Analysten raten den Unternehmen, diesen Wandel ernst zu nehmen und ihr Handeln daran auszurichten. Andernfalls würden sie Werte vernichten, auch wenn die Preise für fossile Brennstoffe derzeit haussieren. „Es wäre nicht das erste Mal, dass die Ölindustrie in diese Falle tappt”, heißt es.

500 Mrd. Dollar oder mehr

Zentrales Ziel des Pariser Klimaabkommens ist es, den globalen Temperaturanstieg in diesem Jahrhundert auf unter 2 Grad Celsius zu begrenzen. Die CTI erwartet daher, dass politische Entscheidungen in vielen Industrieländern – die dem Erreichen dieses Zieles dienen sollen – die Öl- und Gaskonzerne zu Produktionssenkungen zwingen werden, was Investitionen in neue Förderanlagen und Raffinerien unsinnig erscheinen ließe. Hinzu komme die wachsende Bedeutung von erneuerbarer Energie aus Sonne, Wind und Wasser. Dies führe zu einer abnehmenden Nachfrage nach fossilen Brennstoffen.

In ihren Szenarien geht die CTI auf kurze Sicht noch von einer wachsenden Ölnachfrage aus, bevor es zu einem raschen Schwund des Verbrauchs kommen werde. Der Höhepunkt der Nachfrage werde sich Mitte dieses Jahrzehnts einstellen. Im Fall hoher Investitionen in Produktion, Verarbeitung und Vertrieb bei gleichzeitigem Rutsch des Ölpreises auf etwa 40 Dollar pro Barrel könnte die Branche rund 530 Mrd. Dollar verschwenden, so die Analysten. Die Summe würde sich verdoppeln, fiele der Ölpreis auf 30 Dollar.

Der Thinktank empfiehlt, nur langfristige Projekte anzugehen, die sich auch bei einem Ölpreis von 30 Dollar je Barrel rechnen. Um die kurzfristig noch steigende Nachfrage zu decken, sollten Projekte verfolgt werden, die schnell zu einer Mehrproduktion führen – mit einer Gewinnschwelle bei 50 Dollar je Fass. Die CTI erinnert z.B. an die freien Kapazitäten im Fracking.

Gegenwärtig liefen einige riskante Projekte, die sich erst bei einem Ölpreis von mindestens 50 Dollar je Barrel rentierten und bei denen die Förderung erst gegen Ende des Jahrzehnts starten dürfte. Das größte sei mit einem Investitionsvolumen von 6,7 Mrd. Dollar in Nigeria, das ExxonMobil und Shell vorantreiben. Es folgen zwei Projekte in Brasilien: eins von Petrobras, Shell und Galp für 3,1 Mrd. Dollar, das andere von ExxonMobil, Equinor, Galp und Sinopec für 3 Mrd. D

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