Milliardenabschreibung

K+S muss sich auf Bilanzkorrektur einstellen

Die Aktie von K+S ist derzeit besonders starken Schwankungen ausgesetzt. Eine Milliardenabschreibung des Düngemittel- und Salzproduzenten wird derzeit von der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) geprüft. Vorläufige Ergebnisse fielen zuungunsten des Unternehmens aus.

K+S muss sich auf Bilanzkorrektur einstellen

Von Martin Dunzendorfer,

Frankfurt

Über dem Düngemittel- und Salzproduzenten K+S schwebt ein Damoklesschwert. Welche Wirkung das drohende Unheil bzw. die damit verbundene Unsicherheit auf den Aktienkurs hat, zeigte sich am Donnerstag vergangener Woche, als der Kurs zeitweilig um 14% auf weniger als 14 Euro einbrach.

K+S hatte mit Bekanntgabe der Neunmonatszahlen mitgeteilt, dass nach vorläufigen Ergebnissen der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) im Konzernabschluss 2019 der Nutzungswert der damaligen Geschäftseinheit Kali- und Magnesiumprodukte nicht verlässlich und wesentlich zu hoch ermittelt und damit die Werthaltigkeit nicht nachgewiesen worden sei. In Bezug auf den verkürzten Konzernabschluss zum 30. Juni 2020 ist die DPR der vorläufigen Auffassung, dass die Werthaltigkeit des Nettovermögens der Geschäftseinheit nicht nachgewiesen worden sei. K+S hält die vorläufigen Prüfungsfeststellungen der DPR nach eigener Prüfung sowie unter Einbeziehung externer Berater für unbegründet.

Klar ist, dass sich die Auseinandersetzung zwischen K+S und der DPR noch bis ins nächste Jahr ziehen wird. Damit ist noch für Monate unsicher, ob die Untersuchung wirklich – wie der MDax-Konzern unterstellt – ohne negative finanzielle Folgen für das Unternehmen bleiben wird.

Zu spät und zu niedrig

Zum Hintergrund: Nach mehreren Jahren, in denen die Marktpreisentwicklung von Kaliumchlorid – das Salz wird zur Herstellung von Kalidünger genutzt – die zuversichtlichen Voraussagen Lügen strafte, senkte der Vorstand von K+S im Herbst vorigen Jahres seine langfristige Kalipreisannahme und setzte einen höheren Kapitalkostensatz an. Daraus resultierte ein einmaliger, nicht zahlungswirksamer Wertberichtigungsbedarf auf Vermögenswerte von rund 2 Mrd. Euro. Diese Sonderabschreibung erfolgte im Abschluss des dritten Quartals 2020. Es war das Eingeständnis von K+S, dass sich das Unternehmen bei der langfristigen Entwicklung der Kalipreise verschätzt hatte.

Im Februar dieses Jahres gab K+S bekannt, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) den Verdacht hegt, dass die Milliardenabschreibung des Konzerns zu spät vorgenommen worden und zudem zu niedrig ausgefallen sei. Auf Verlangen der BaFin begann daraufhin die DPR mit der Prüfung der Richtigkeit der vorgenommenen Wertberichtigung. Untersucht wird der Konzernabschluss zum 31. De­zem­ber 2019 sowie der verkürzte Abschluss zum 30. Juni 2020. Von Anfang an stellte das Management von K+S klar, dass die Wertberichtigung „ordnungsgemäß und unter Beachtung aller relevanten Rechnungslegungsvorschriften“ vorgenommen worden sei. Der Wirtschaftsprüfer von K+S, Deloitte, hatte den Jahresabschluss ja auch testiert. Quartalsberichten geben die Buchprüfer jedoch nicht ihr Plazet.

Misstrauen im Markt

Der Schritt an die Öffentlichkeit durch K+S war ungewöhnlich und weckte Misstrauen im Markt. Dass die DPR, vulgo Bilanzpolizei, nicht nur routinemäßig, sondern auch auf Verlangen der BaFin Bilanzen unter die Lupe nimmt, ist zwar ein üblicher Vorgang, doch erfährt in der Regel niemand etwas davon. Publik wird die Fahndung nur, wenn die Prüfung am Ende Mängel aufdeckt. Dann muss der überführte Delinquent seine Fehler öffentlich eingestehen. Selbst das kommt im Kapitalmarkt nur an, falls die „Fehlermeldung“ im Bundesanzeiger entdeckt oder der Abschluss korrigiert wird. Weder BaFin noch DPR dürfen offenlegen, welches Unternehmen sie gerade mit Verdacht auf Bilanzfehler prüfen.

Das aber tat K+S. Das Unternehmen begründete diesen Schritt damit, größtmögliche Transparenz herstellen zu wollen. Es kann aber auch daraus geschlossen werden, dass K+S – entgegen den öffentlichen Bekundungen – das Risiko einer Beanstandung durch BaFin bzw. DPR selbst hoch einschätzt.

Auch der Zeitpunkt, zu dem K+S an die Öffentlichkeit ging, ließ Spekulationen sprießen. Die milliardenschwere Wertberichtigung war einen Monat nach Bekanntgabe der Verkaufsvereinbarung für das amerikanische Salzgeschäft angekündigt worden. Wären die Abschreibungen früher bekannt gegeben worden, hätte das K+S bei den Verhandlungen möglicherweise unter Druck gesetzt. Ob das angesichts der unterschiedlichen Geschäftsfelder – Salz und Kali – tatsächlich der Fall gewesen wäre, ist allerdings umstritten.

Die heftige Kursreaktion in der Vorwoche macht deutlich, dass die K+S-Aktie trotz des positiven Marktumfeldes und der Neuaufstellung des Unternehmens – der Fokus richtet sich nun auf das Kerngeschäft mit Kali- und Magnesiumprodukten – wegen des offenen Ausgangs der Bilanzprüfung immer noch anfällig ist, obwohl die beiden größten Sorgen der vergangenen Jahre – die schwachen Kalipreise und der hohe Schuldenberg – der Vergangenheit angehören. Durch den im April abgeschlossenen Verkauf des amerikanischen Salzgeschäfts an die US-Industrieholding Stone Canyon für 3,2 Mrd. Dollar flossen dem bis dahin hoch verschuldeten Unternehmen aus Kassel netto umgerechnet 2,6 Mrd. Euro zu, die vollständig zur Reduzierung der Finanzverbindlichkeiten verwendet wurden. So schrumpfte die Nettoverschuldung per Ende September auf 784 Mill. Euro nach 3,1 Mrd. Euro im Vorjahr.

Operativ läuft es endlich gut

Auch im operativen Geschäft läuft es gut: K+S geht für 2021 von einem im Vergleich zum Vorjahr spürbar höheren Durchschnittspreis für Kaliumchlorid in Europa aus. Bei den Düngemittelspezialitäten erwartet der Vorstand eine im Schnitt moderate Preissteigerung. Das positive Marktumfeld schlug sich in mehreren Prognoseerhöhungen, etwa für das operative Ergebnis (Ebitda) und den freien Cash-flow, nieder. Doch so lange keine Klarheit darüber herrscht, ob und gegebenenfalls wie K+S aufgrund der Bilanzprüfung bestraft wird, dürfte der Aktienkurs anfällig bleiben.

Ohnehin ist die K+S-Aktie nichts für Anleger, die halbwegs stabile Entwicklungen vorziehen. Zwischen Mai 2018 und März 2020 fiel der Kurs von knapp 26 Euro auf rund 5 Euro; ein Minus von 80%. Nach einer Seitwärtsbewegung zog die Notierung in den vergangenen zwölf Monaten aber von 6 Euro bis auf 15,50 Euro an. Den Rückschlag aus der Vorwoche hat die Aktie übrigens schon wieder aufgeholt. Das gestrige Tageshoch bei 15,54 Euro war der höchste Stand seit Juli 2019. Die Kapitalisierung beträgt 2,9 Mrd. Euro.