Transportgeschäft

Kühne + Nagel ohne Angst vor Entglobalisierung

Der Logistikkonzern will die Supermargen aus den Pandemiejahren verteidigen und euphorisiert damit die Börse.

Kühne + Nagel ohne Angst vor Entglobalisierung

Der globale Warenhandel erweist sich als deutlich schockresistenter als erwartet. Diese Erkenntnis formulierten vor Wochenfrist die Ökonomen der Welthandelsorganisation WTO in einer Rückschau auf das weltweite Handelsgeschehen ein Jahr nach dem Einfall Russlands in die Ukraine. Während die Prognosemodelle der WTO-Ökonomen aufgrund des entschleunigten globalen Wirtschaftswachstums für das laufende Jahr aber dennoch nur noch ein Miniwachstum beim Handel von knapp über 0% vorsehen, deutet der „Trade Indicator“ des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) eine rasche und markante Erholung von der derzeit negativen Entwicklung an. Eine unlängst wieder deutliche Zunahme des Containerstaus im Hafen von Schanghai ist für das Kieler IfW kein Zeichen mehr für gestörte Lieferketten, sondern ein Beleg für die Zunahme des Handels nach der Pandemie.

Das ist das Klima, in dem sich auch der weltgrößte See- und Luftfrachtspediteur Kühne + Nagel wohlfühlt. Trotz eines weiterhin „herausfordernden makroökomischen Umfelds“ rechnet der Konzern damit, „die seit vielen Jahren anhaltende positive Wachstums- und Ergebnisentwicklung“ auch 2023 fortschreiben zu können –  wenn auch ohne die gigantischen Gewinne, die dem Unternehmen 2021 und 2022 durch die coronabedingte „Sonderkonjunktur“ beschieden waren.

Aus dem um 12% gesteigerten Rohertrag von 11,1 Mrd. sfr, von dem die bei Reedereien, Fluggesellschaften und anderen Transportunternehmen zugekauften Frachtleistungen bereits in Abzug gebracht sind, hat K+N 2022 einen im Vorjahresvergleich 30% höheren Gewinn von 2,64 Mrd. sfr gezogen. Das ist mehr als das Dreifache dessen, was der Konzern in den fünf Jahren vor Ausbruch der Pandemie im Durchschnitt verdient hatte.

Die mannigfaltigen Verknappungserscheinungen in dem von der Pandemie behinderten Güterhandel haben auf den Transportmärkten zu Preisverzerrungen geführt, von denen etliche Logistikfirmen, insbesondere aber auch Kühne + Nagel massiv profitieren konnten. Diesen Erfolg schreibt der Konzern nicht zuletzt der eigenen Leistung zu, sich in der heißen Phase der Pandemie zum bevorzugten Partner für zeitkritische Logistiklösungen besonders zahlungskräftiger Kunden aus Schlüsselbranchen wie IT oder Gesundheit gemacht zu haben.

Diesen Wettbewerbsvorteil glaubt K+N nun verteidigen zu können. Der Konzern geht davon aus, dass er bis zum Jahr 2026 aus 100 sfr Rohertrag durchschnittlich 25 sfr bis 30 sfr Betriebsergebnis (Ebit) erwirtschaften kann. So hoch war diese sogenannte Konversionsrate nur zweimal in der Geschichte von K+N, nämlich in den vergangenen beiden Ausnahmejahren.

Vor der Pandemie hatte sich die Rate weit unter 15% bewegt. Dies mag auch erklären, weshalb man bei K+N die Entwicklung des Welthandels nur bedingt als relevantes Maß für die eigene Geschäftsentwicklung betrachtet. Allerdings kann auch der Traditionskonzern mit Hamburger Wurzeln die Risiken nicht unterschlagen, wie sie der Welt aus einer Teilung in zwei entkoppelte Handelsblöcke im Osten und im Westen erwachsen könnten. Die Gefahr einer „Entglobalisierung“, wie sie die WTO-Ökonomen bereits in globale Wohlstandsverluste umrechnen, hat K+N aber noch nicht auf der Planungsagenda.

Zwar hätten die jüngsten Erfahrungen mit den blockierten Lieferketten zu markanten Verschiebungen von Produktionsstätten geführt, wie dies in Ländern wie Vietnam oder Indonesien besonders deutlich zu beobachten sei. Aber dies spiele erfahrenen Logistikfirmen wie K+N eher in die Hände, hieß es bei der Bilanzvorlage. Die Zuversicht unterstreicht K+N mit einer Erhöhung der Dividende um 40% auf 14 sfr pro Aktie, was dem K+N-Hauptaktionär Klaus-Michael Kühne fast 900 Mill. sfr in die Kasse spülen wird. Die K+N-Aktien legten am Mittwoch an der Schweizer Börse zeitweise fast 10% zu.

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