GastbeitragWasserstoffstrategie

Wie sich privates Kapital für Wasserstoff mobilisieren lässt

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat eine Debatte über den finanzpolitischen Kurs der Zukunft ausgelöst. Investitionen für den klimaschonenden Umbau der Wirtschaft dürfen nicht vernachlässigt werden. Der Ausbau der Wasserstoffwirtschaft ist entscheidend für die Dekarbonisierung und eine zukunftsfähige Energieversorgung.

Wie sich privates Kapital für Wasserstoff mobilisieren lässt

Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist eine lautstarke Diskussion über den finanzpolitischen Kurs der Zukunft ausgebrochen. Ganz ohne Frage eine Debatte, die wahrscheinlich überfällig war. Zeitenwenden bedingen zwangsläufig eine Neusetzung von Prioritäten, über die in einer Demokratie intensiv zu reden ist. Es bleibt allerdings zu hoffen, dass erforderliche Investitionen für den klimaschonenden Umbau der Wirtschaft dabei nicht auf der Strecke bleiben. Mehr denn je kommt es jetzt darauf an, Maßnahmen darauf auszurichten, privates Kapital und die Finanzierungskraft des Bankensektors für die erforderliche Transformation zu mobilisieren. Die richtigen Signale und verlässliche Planungsrahmen sind hierfür erfolgskritisch.

Erfolgskritische Phase

Das gilt nicht zuletzt auch für den Ausbau der Wasserstoffwirtschaft als wesentlichem Baustein zur Dekarbonisierung und Sicherstellung einer zukunftsfähigen Energieversorgung für den Industriestandort Deutschland. Ähnlich wie die Wind- und Solarenergie in den frühen 2000er Jahren befindet sich die Wasserstoffwirtschaft in einer erfolgskritischen Markthochlaufphase. Die Bundesregierung hat gerade im Sommer die Nationale Wasserstoffstrategie erneuert und die Ausbauziele weiter nach oben geschraubt: Bis 2030 sollen 10 GW grüner Wasserstoff in Deutschland produziert werden und ein rund 10.000 km umfassendes Wasserstoffkernnetz soll den Transport zu den industriellen Abnehmern sicherstellen.

Wie ehrgeizig diese Ziele sind, lässt sich anhand weniger Zahlen darlegen: Im Jahr 2022 betrug die installierte Produktionsleistung für grünen Wasserstoff 0,086 GW. Die Länge der bestehenden Wasserstoff-Pipeline umfasst erst wenige Hundert km. Gleichzeitig lag der Bedarf an Wasserstoff als Rohstoff für die Industrie bei über 1,25 Mill. t und wird heute nahezu ausschließlich aus fossilen Energieträgern wie Erdgas gewonnen. Pro Tonne Wasserstoff werden rund 10 t CO2-Emissionen verursacht. Grüner Wasserstoff wird aber im Rahmen der Energiewende nicht mehr nur als Rohstoff gebraucht. Nur durch Wasserstoff als Speicher- und Transportmedium kann der aus Wind und Sonne gewonnene Strom unabhängig von Zeit und Raum genutzt werden.

Allein im Jahr 2022 wurden rund 8.000 GW/h grünen Stroms abgeregelt. Gegenüber 2021 entsprach dies einer Zunahme von 30%. Das EEG geht für 2040 von einer installierten Leistung aus Onshore-Wind und Solar von 560 GW in Deutschland aus. Dem steht dann eine elektrische Last im Netz von nur 90 GW gegenüber. Die Erzeugung von großen Mengen an Wasserstoff ist daher zwingender Bestandteil des Ausbaus der erneuerbaren Energien.

Zulieferindustrie gefordert

Um die erforderliche Infrastruktur zur Erzeugung, den Transport und die Nutzung von Wasserstoff im industriellen Maßstab voranzubringen, braucht es zusätzlich die Leistungsfähigkeit einer wettbewerbsstarken Zulieferindustrie. Die häufig namhaften Hersteller von Elektrolyseuren und Brennstoffzellen haben in der Regel eine eigene Wertschöpfung von 20%. Der größte Teil der Wertschöpfung hängt an Zulieferunternehmen, die angesichts exponentiell wachsender Nachfrage nach Komponenten und relevanten Produkten ihre Kapazitäten im industriellen Maßstab erweitern müssen.

Das gilt auch für Hersteller von Messgeräten, Kompressoren oder Dichtungen, die u. a. wesentlich für die Umrüstung der Pipelines auf Wasserstoff sind. Häufig handelt es sich um etablierte mittelständische Unternehmen, die ihre Produkte und Prozesse neu auf die Wasserstoffwirtschaft ausrichten. Aktuell passiert hier deutlich mehr, als in der Öffentlichkeit oft wahrgenommen wird. Für den erforderlichen Ausbau und Umbau der Kapazitäten benötigen die mittelständisch geprägten Unternehmen jedoch Zugang zu Wachstumskapital. Hier entsteht gerade ein hoch attraktives Investmentuniversum für private Investoren.

Dekarbonisierung hinkt hinterher

Öffentliche Mittel sind als Anschub für den Markthochlauf notwendig, aber nicht hinreichend. Vielmehr kommt es darauf an, Planungs- und Investitionssicherheit zu schaffen. Neben den konkreten monetären Effekten ist die Signalwirkung von politischen Maßnahmen daher entscheidend. Die für Ende dieses Jahres vorgesehene Erhöhung der CO2-Abgaben und die damit einhergehende Mauterhöhung für den Schwerlastverkehr schaffen einen sinnvollen Anreiz für die Umstellung auf CO2-freie Lkws und Nutzfahrzeuge.

Deren Anteil liegt aktuell aber gerade einmal bei 0,06%. Gleichzeitig liegt das erfolgreiche Förderprogramm für klimaschonende Nutzfahrzeuge und Infrastruktur aufgrund der Haushaltsdiskussionen auf Eis. Investitionen zur Umstellung von Lkw-Flotten, kommunalen Bussen und Nutzfahrzeugen drohen damit jetzt zurückgestellt zu werden. Das hat auch unmittelbare Auswirkungen für Investitionen in die Infrastruktur wie den Ausbau des Tankstellennetzwerks für Wasserstofffahrzeuge. Dabei besteht unter Experten längst Einigkeit, dass die Dekarbonisierung des Schwerlastverkehrs und damit die Erreichung der ehrgeizigen CO2-Ziele für den Verkehrssektor nur durch Umstellung auf wasserstoffbasierte Lkws und Nutzfahrzeuge möglich sein wird.

Staatliche Initiativen

Gleichzeitig gibt es staatliche Initiativen, die durch intelligente, marktfähige Strukturen in großem Umfang privatwirtschaftliches Kapital mobilisieren. Der in der letzten Woche erfolgreich geschlossene Wachstumsfonds der KfW für Start-up-Unternehmen ist ein exzellentes Beispiel. Gemeinsam mit institutionellen Investoren wurde ein Dachfonds aufgelegt, der nunmehr gezielt in private VC-Fonds investiert, die wiederum erfolgsversprechende junge Unternehmen mit Gründungs- und Wachstumskapital versorgen.

Es wäre wünschenswert, wenn dieses Modell weiter Schule macht. Ein vergleichbarer Dachfonds, der auf Investments in Infrastrukturmaßnahmen und relevante mittelständische Unternehmen der Energiewende ausgerichtet ist, könnte ganz erheblich dazu beitragen, ein klares Signal und Bekenntnis zur Mobilisierung von privatem Kapital zu setzen. Denn der Staat verteilt hier keine Zuschüsse, sondern agiert im Schulterschluss mit institutionellen Investoren als Katalysator der erforderlichen Transformationen und partizipiert gleichzeitig an den unternehmerischen Chancen. Diese werden im Zusammenhang mit der Energiewende viel zu häufig ausgeblendet.

Wie sich privates Kapital für Wasserstoff mobilisieren lässt

Carsten Schmeding

CEO & Managing Partner
Senco Hydrogen Capital

Matthias Wargers

Partner
Senco Hydrogen Capital