Quartalszahlen

Russland-Rückzug führt zu höherem Verlust bei Siemens Energy

Die Energiesicherheit ist das Thema des Jahres. Siemens Energy profitiert von einer Auftragsschwemme. Aber der wirtschaftliche Erfolg bleibt bisher aus, der Quartalsverlust beträgt 533 Mill. Euro.

Russland-Rückzug führt zu höherem Verlust bei Siemens Energy

mic München

Börsen-Zeitung,

„Als positiv heraus­zuheben für Siemens Energy ist eine wirklich fantastische Entwicklung des Auftragseingangs“, sagte der Vorstandsvorsitzende Christian Bruch in einer Telefonpressekonferenz anlässlich der Präsentation der Zahlen des dritten Quartals. Auch die Pipeline an Aufträgen nach vorne sehe sehr robust aus.

Mit dem Quartalsergebnis sei er trotzdem nicht zufrieden, sagte Bruch. Es sei enttäuschend. „Es gibt in diesem Quartal zwei Schattenseiten“, sagte der Vorstandsvorsitzende. Erstens hatte der Windkraftanlagenhersteller Siemens Gamesa in der vergangenen Woche wegen höherer Wartungskosten für Onshore-Anlagen seine Gewinnprognose gesenkt. „Dies ist alles andere als eine leichte Situation“, sagte Bruch: „Wir erwarten jetzt als Siemens Energy die konsequente Umsetzung des Sanierungsplans.“ Der sogenannte Mis­tral-Plan beinhalte auch schmerzvolle Einschnitte, fügte Bruch, der mittlerweile auch dem Gamesa-Verwaltungsrat angehört, hinzu – ohne die angedachten Stellenstreichungen ex­­plizit zu erwähnen: „Der Turnaround wird Zeit kosten.“

Bruch stellte – zweitens – die Ergebnisse der Überprüfung des Russlandsgeschäfts vor, die er Mitte Mai angekündigt hatte (vgl. BZ vom 12. Mai). Er kündigte eine Restrukturierung an, die auf einen weitgehenden Rückzug aus dem Land hinauszulaufen scheint. Siemens Energy werde kein wesentliches Geschäft mehr in Russland machen, sagte er. Es werde geklärt, was zu tun sei, wenn das Unternehmen Service leisten müsse – Siemens Energy wartet beispielsweise die Turbinen für die Gasleitung Nord Stream 1. Es könne einen Verkauf oder eine Rückabwicklung für Energy-Firmen geben, präzisierte Bruch auf Nachfrage. Siemens Energy sei dabei, dies durch die Institutionen geklärt zu bekommen.

533 Mill. Verlust im Quartal

Siemens Energy will die finanziellen Effekte praktisch komplett im laufenden Geschäftsjahr (30. September) verbuchen. Man werde infolge der Russland-Restrukturierung einen höheren Verlust melden müssen, erklärte Finanzvorständin Maria Ferraro. Der bisher prognostizierte Verlust auf Vorjahreshöhe von 560 Mill. Euro werde annähernd um jene rund 200 Mill. Euro höher ausfallen, die als Russland-Belastung in der Rubrik Sondereffekte verbucht werden. Der Posten wurde im dritten Quartal verbucht. In der Folge betrug der Verlust 533 Mill. Euro, nach neun Monaten wird das Ergebnis mit −1,0 Mrd. Euro ausgewiesen.

Darüber hinaus bleibt zwar die Prognose erhalten, dass der Umsatz bereinigt um Währungs- und Portfolioeffekte sich am unteren Ende der Prognosespanne (−2% bis +3%) entwickelt. Jedoch wird ausgeklammert, dass Energy in Russland den Umsatz von rund 400 Mill. Euro verliert. Siemens Energy schrumpft real also stärker als prognostiziert.

An dem Ziel einer Umsatzrendite bezogen auf das angepasste Ebita vor Sondereffekten am unteren Ende der Spanne von 2 bis 4% hält Siemens Energy dagegen fest. Dies soll gelingen, obwohl es zwei noch vor Monaten kaum absehbare Belastungen gibt. Erstens wird der Russland-Ausstieg das operative Ebita zusätzlich um einen dreistelligen Millionenbetrag senken, weil der Umsatz in dem Land entfällt. Zweitens hatte Siemens Gamesa in der vergangenen Woche die Prognose 2021/2022 für die operative Umsatzrendite um 1,5 Punkte gesenkt. Dies drückt auch auf das Energy-Zahlenwerk.

Der Grund für die relative Re­silienz: Die Sparte Gas and Power, die unter anderem das Geschäft mit konventionellen Kraftwerken und Stromübertragung bündelt, kommt stabil durch die geopolitischen Turbulenzen. Im dritten Quartal stieg der Umsatz auf vergleichbarer Basis um 1%, das angepasste Ebita vor Sondereffekten sank lediglich um 6% auf 212 Mill. Euro. Nach neun Monaten steht noch ein Plus von 4% zu Buche.

Vor allem der Auftragseingang spiegelt Resilienz wider. Er lag in den vergangenen vier Quartalen je knapp bei oder klar über 6 Mrd. Euro und damit deutlich höher als jeweils in den fünf Quartalen zuvor (siehe Grafik). Der Auftragsbestandsrekord von 59,6 Mrd. Euro decke den Umsatz von drei Jahren ab, strich Ferraro heraus. Bruch sagte, alle Bereiche und Regionen wüchsen dynamisch. Insbesondere die Einheit Stromübertragung habe stark in Europa hinzugewonnen, weil Anlagen zur Erzeugung regenerativer Energien an das Stromnetz angeschlossen werden müssten.

Bruch fügte im Gespräch mit Analysten hinzu, das Preisumfeld bei allen Aufträgen sei intakt. Mit Blick auf den Auftragsboom sagte er aber: „Wir erwarten nicht, dass sich dies im Jahr 2023 fortsetzt.“ Unverändert sei es das Ziel, den Spartenumsatz stabil zu halten und die Marge zu verbessern.

Übernahme im Zeitplan

Finanzielle Sonderkosten aus dem Gezerre rund um die Gaslieferungen von Gazprom via die Pipeline Nord Stream 1 erwartet Bruch nicht. Siemens Energy ist für den Service dortiger Maschinen zuständig. Der Rücktransport einer Turbine aus Deutschland scheitert bisher – während Gazprom der deutschen Seite Vorwürfe macht, verweist Siemens Energy auf fehlende Papiere Russlands.

Auf die Frage, ob Gazprom Siemens Energy für die Reduzierung der Gasdurchleitung auf 20% der früheren Liefermenge verantwortlich machen könnte, erklärte er, es könne natürlich sein, dass der russische Kunde mit einer solchen Beschuldigung komme: „Vertraglich sehe ich dieses Risiko überhaupt nicht.“ Dies sei unter den bestehenden Service-Verträgen gedeckelt. Außerdem könne man zeigen, dass man alles Mögliche getan habe, um liefern zu können. „Es gibt zum aktuellen Zeitpunkt keine überdurchschnittlichen finanziellen Belastungen.“ Abgesehen von der besonders hohen Aufmerksamkeit sei es ein ganz normaler Service-Auftrag.

Keine konkreten Neuigkeiten bot Siemens Energy zur geplanten Komplettübernahme von Siemens Gamesa. Aktuell würden die Details mit der spanischen Börsenaufsicht diskutiert, sagte Bruch. Er gehe davon aus, dass das Delisting und der Integrationsprozess entlang des ursprünglich kommunizierten Zeitplans erreicht werden könnten. Ferraro erklärte, Barsicherheiten in Höhe der geplanten Barzahlung von 1,15 Mrd. Euro für die Übernahme der Anteile seien zugunsten der Börsenaufsicht hinterlegt worden. Weitere maximal 2,5 Mrd. Euro sollen mit Eigenkapital oder eigenkapitalähnlichen Ins­trumenten finanziert werden. Die Nettocashposition von Siemens Energy betrage Ende Juni 4,4 Mrd. Euro.

Siemens Energy
Konzernzahlen nach IFRS
9 Monate 1
in Mrd. Euro2021/222020/21
Auftragseingang26 07923 901
Umsatz19 81720 286
Angepasstes Ebita vor Sondereffekten−215708
Sondereffekte−348−392
Angepasstes Ebita−563316
Angepasste Ebita-Marge−2,81,6
Ertragsteuern131151
Nettoergebnis­­−1 025−177
Ergebnis je Aktie 2 (Euro)­−0,94−0,20
Free Cashflow−74965
Beschäftigtenzahl392 00091 000
1) Geschäftsjahr endet am 30. September; 2) unver-wässert; 3) zum 31. Dezember Börsen-Zeitung
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