Christina Rühl-Hamers

Schalke kämpft gegen den Schuldenberg

Pandemie und Abstieg haben dem ohnehin hoch verschuldeten Traditionsclub Schalke 04 schwer zugesetzt. Wie CFO Christina Rühl-Hamers die Finanzen wieder in Ordnung bringen will.

Schalke kämpft gegen den Schuldenberg

Antje Kullrich.

Frau Rühl-Hamers, es sieht nicht gut aus für Schalke. Platz 4 kurz nach Beginn der Rückrunde. Hält der Verein finanziell überhaupt ein weiteres Jahr in der zweiten Liga aus?

Wir haben immer gesagt, wir wollen in Schlagdistanz zu den Aufstiegsplätzen sein. Das ist der Fall. Unser grundsätzliches Ziel ist, dass Schalke 04 in der ersten Liga Fußball spielen soll. Wir wollen das in den nächsten drei Jahren erreichen – lieber früher als später, gerne bereits in dieser Spielzeit. Wir haben uns mit den sportlichen Szenarien erste und zweite Liga umfassend auseinandergesetzt und geplant. Wir halten in der aktuellen Struktur auch ein zweites und ein drittes Jahr zweite Liga aus.

Die Coronalage und die aktuelle Begrenzung der Zuschauerzahlen auf 750 in Nordrhein-Westfalen dürfte Sie hart treffen.

Die DFL hat auch zusammen mit den anderen Profiligen in einem Schreiben an die Politik darauf hingewiesen, dass wir Planungssicherheit brauchen und einen Normalzustand. Die Zuschauereinnahmen sind nun einmal eine wichtige Komponente, um den Spielbetrieb langfristig zu finanzieren. Die seit Monaten inkonsistenten Regelungen – indoor, outdoor oder regionale Unterschiede – müssen aufgelöst werden. Wir erwarten bis zum 9. Februar eine Öffnungsperspektive für den Profisport.

Sie müssen dennoch mit der aktuellen Situation umgehen. Wie düster ist die Lage, wenn man Schalkes schon zuvor desolate Finanzsituation betrachtet?

Wir haben vor der Saison, als die Coronalage im Winter noch völlig unklar war, eine Planung mit ganz unterschiedlichen Annahmen ge­macht – und da war von 0 bis 100% Zuschauer jedes Szenario abgebildet.  Wir sind mit dem Szenario in die Saison gestartet, im Durchschnitt 50% Zuschauer zu haben. Und dann gibt es Sensitivitäten nach oben und unten – abhängig von der tatsächlichen Zahl der Zuschauer. Das sind Effekte von knapp 2 Mill. Euro, die pro Spiel eintreten können. Wegen der starken Unsicherheiten haben wir unsere Planung so gestaltet, dass wir in jedem Szenario durchfinanziert sind.

Also auch ohne Zuschauer?

Ja. Denn unsere Kalkulation ist sehr konservativ und berücksichtigt die Risiken. Das ist unsere grundsätzliche Herangehensweise. Seit Dezember 2020, als wir noch in der ersten Bundesliga spielten, haben wir auch schon parallel mit dem Zweitliga-Szenario geplant.

Wie lösen Sie die aktuelle verschärfte Finanzkrise? Schalke wurde schon im Halbjahresbericht 2021 ein bestandsgefährdendes Risiko attestiert.

Wir dürfen zuallererst nicht mehr Geld ausgeben, als wir haben, und haben unsere Strukturen entsprechend umgestellt. Die Kosten sind extrem gesunken. Der größte Posten war ganz klar das Lizenzspielerbudget, aber wir haben auch noch an vielen weiteren Stellschrauben ge­dreht, so dass auch im Zweitligaszenario die Kosten von den Einnahmen gedeckt sind. Das Wort Kostenmanagement kann hier im Unternehmen auch keiner mehr hören. (schmunzelt) Wir dürfen zwar nicht alles einreißen, was wir aufgebaut haben. Aber wir müssen die Liquidität im Blick behalten. Es geht darum, mit einem positiven operativen Cash-flow durch diese Zeit zu kommen.

Sie haben den Spielerkader im Sommer ja radikal umgestellt. Großverdiener unter den Spielern haben den Verein verlassen. Können Sie die Größenordnung einmal verdeutlichen?

Die Einnahmen sind durch den Abstieg und auch durch Corona eingebrochen. Wir mussten unseren größten Kostenblock – das Budget des Lizenzspielerkaders – drastisch beschneiden. Wir haben da im Vergleich zum Erstligaszenario die Kosten von über 80 Mill. auf rund 20 Mill. Euro gesenkt.

Sie haben im Dezember eine neue Anleihe angekündigt, um einen früheren Bond zu refinanzieren. Als Emissionstermin stand Ende Januar im Raum. Wird der Termin zu halten sein?

Wir haben in unserer offiziellen Kommunikation immer vom Frühjahr gesprochen, und das planen wir weiter. Wir wollen mit der Anleihe rausgehen, nachdem wir die Zahlen des Geschäftsjahres 2021 veröffentlicht haben. Diese Transparenz ist uns wichtig. Im Zuge der Lizensierung müssen wir bis zum 15. März unseren testierten Abschluss bei der DFL vorlegen.

Den Plan für die Anleihe haben Sie sehr früh öffentlich gemacht.

Wir haben so frühzeitig kommuniziert, weil wir im Sommer schon angekündigt hatten, dass wir auch mit Finanzthemen wie der Refinanzierung ganz offen und transparent umgehen. Wir haben deshalb, bereits eineinhalb Jahre bevor der zu refinanzierende Bond fällig wird, unser Vorhaben vorgestellt.

Wer ist Ihre Zielgruppe?

Unsere Zielgruppe sind private Investoren, aber auch institutionelle. Wir haben keine Bank im Hintergrund, die uns begleitet, sondern wir machen das komplett alleine. Das war im Sommer bei unserem vergangenen Bond auch schon so. Es soll natürlich auch ein Umtauschangebot für die Zeichner der bestehenden Anleihe, die im Juni 2023 fällig wird, geben.

Sie haben im Dezember selbst gesagt, mit 10 bis 15 Mill. Euro Erlös aus dem neuen Bond wären Sie zufrieden. Das reicht aber bei Weitem nicht, um die alte Anleihe von 34 Mill. Euro abzulösen. Wie wollen Sie den Rest der Finanzierung schaffen?

Ich bleibe dabei: 10 bis 15 Mill. Euro wären ein zufriedenstellender Erlös, der uns eine Basis schaffen würde. Wir werden uns am Ende des Prozesses zunächst das Ergebnis der Platzierung anschauen und es genau analysieren. Auf dieser Basis werden wir unsere Schlüsse ziehen, wie wir den Rest der Anleihe refinanzieren. Wir haben genug Zeit und wir haben auch genug Ideen, aber für uns ist das Ergebnis des ersten Schritts sehr wichtig zu sehen: Wer geht in diese Anleihe, wie hoch ist die Umtauschquote?

Mit dem Verkauf des LEC-Slots – des E-Sports-Startplatzes in der höchsten europäischen Spielkasse von League of Legends – hat Schalke­ einen Teil des Tafel­silbers schon verkauft. Sie haben 26,5 Mill. Euro damit erlöst. Was kann da noch folgen? Von welchen Assets könnte sich Schalke noch trennen?

Wir waren mit E-Sports einer der Vorreiter und haben dort früh investiert. Da darf man nicht den richtigen Zeitpunkt verpassen, die Rendite daraus zu ziehen. Unser Kerngeschäft ist der Fußball und in dieser Situation, in der wir im Sommer waren, war es uns ganz wichtig, den Fokus auf den Fußball zu legen. Wir haben noch weitere Assets in der Schublade. Schalke macht noch ganz viel selber, so auch das Catering oder das Merchandising. Andere Clubs haben das schon viel früher ausgelagert. Das Catering-Recht ist sehr werthaltig. Das heißt gar nicht, dass wir die Rechte auch tatsächlich verkaufen, aber ich muss in einer solchen Situation alle Optionen prüfen.

Können Sie eine Größenordnung nennen für das Catering-Recht?

Das Catering-Geschäft ist unsere Cash Cow. Wir sprechen hier schon über einen zweistelligen Millionenbetrag.

Mit dem neuen Vorstandsvorsitzenden Bernd Schröder soll sich bei Schalke jetzt langfristig strategisch etwas bewegen. Was steht da auf der Agenda?

Wir beschäftigen uns intensiv mit der Frage, wie das Schalke der Zukunft aussehen soll. Wofür wollen und sollen wir in einer veränderten Fußballwelt stehen? Eine wichtige Rolle in dieser Diskussion wird die Identifikation mit Gelsenkirchen und das Bekenntnis zum Ruhrgebiet spielen. Ein ganz zentrales Thema ist das von Peter Knäbel betreute Projekt Kaderwertmanagement. Die Frage lautet: Wie messe ich eigentlich sportlichen Erfolg? Nämlich nicht wie in der Vergangenheit nur am Tabellenplatz. Für uns ist eine Messgröße des sportlichen Erfolgs insbesondere die Wertentwicklung des Kaders. Das ist ein sehr strategisches Thema, denn dafür muss ich jetzt schon Entscheidungen treffen, die vielleicht erst in drei oder vier Jahren eine Auswirkung haben. Wir wollen außerdem beim Thema Daten, Datenanalyse und Business Intelligence noch sehr viel mehr machen. Wir wollen weg von reinen Bauchentscheidungen. Die individuelle Sicht unserer Experten in der sportlichen Leitung mit validen Daten abzugleichen und daraus Schlüsse zu ziehen, ist etwas, von dem wir uns noch viel versprechen. Wir messen Themen wie Siegeswillen, Körperlichkeit, Dynamik und haben dazu eigene Tools entwickelt. Rechts und links schießen ja auch Start-ups aus dem Boden, zum Beispiel in den Bereichen Trainingskontrolle und Athletik kann man viel machen.

Stichwort Kadermanagement: Das Fußball-Know-how ist bei Schalke nicht nur beim sportlichen Vorstand vorhanden. Sie waren Junioren-Nationalspielerin. Wie weit reden Sie bei Transfers mit?

Für die sportlich inhaltlichen Themen haben wir Experten. Wir haben Trainer, Chefscout, Sportdirektor und -vorstand. Aber die Gespräche rund um diese Entscheidungen – warum wird genau so entschieden? – da kann von mir schon die eine oder andere Frage kommen. Ich möchte das schon alles inhaltlich und sportlich verstehen. Aber am Ende ist auch klar, welches meine Rolle ist: nämlich die finanziellen Auswirkungen sportlicher Entscheidungen zu be­messen.

Langfristig muss es ja auch darum gehen, wieder Gewinne zu erwirtschaften. Wann wird Schalke so weit sein?

Wenn man mal zurückguckt, war unser Eigenkapital vor der Pandemie im Jahr 2018 deutlich positiv. Leider hat Corona neben dem Abstieg dazu geführt, dass wir derzeit Verluste verzeichnen. Wir haben es geschafft, in den Jahren 2010 bis 2018 das stark negative Ergebnis zurückzufahren und bewiesen, dass wir wissen, wie es geht, Gewinne zu erwirtschaften. Jetzt steht allerdings erst einmal die Liquidität im Vordergrund. Ein Erfolgsfaktor, auf den wir langfristig bauen, ist der Erfolg der Knappenschmiede. Wir ändern am Konzept des Nachwuchsleistungszentrums nichts im Vergleich zur ersten Liga. Wir wissen, welchen Wert das für uns hat. Projekte aus anderen Bereichen haben wir dagegen auf Eis gelegt. In der Internationalisierung sind wir zum Beispiel deutlich weniger aktiv als in den vergangenen Jahren.

Schalke hat mit Gazprom einen durchaus umstrittenen Hauptsponsor. Der Chef von Nord Stream 2 sitzt bei Ihnen im Aufsichtsrat. Wie stark befürchten Sie, dass die derzeitige politische Eskalation zwischen Russland und dem Westen sich auf Schalke auswirken könnte? Was wäre im Falle eines russischen Einmarsches in der Ukraine?

Ich kann nur sagen, dass die Zusammenarbeit mit Gazprom ganz vertrauensvoll funktioniert. Wir sehen keinen Anlass, dass sich daran irgendetwas ändern wird. Dieser Vertrag ist für uns und unsere wirtschaftliche Stabilität ganz wichtig, da gibt es nichts drum herumzu­reden.

Sehen Sie Schalke langfristig am Kapitalmarkt und brauchen Sie den Kapitalmarkt noch? Das Thema Mittelstandsanleihe hat ja auch nicht mehr den besten Ruf.

Wir sehen seit 2012 den Kapitalmarkt als wichtigen Baustein in unserer Finanzierungsstruktur an. Wir haben sehr gute Erfahrungen gemacht und gelten aus meiner Sicht auch dort als verlässlicher Partner. Wir beobachten die Entwicklungen am Mittelstandsanleihenmarkt, aber sprechen auch etwas andere Investoren an als manche Unternehmen dort.

Können Sie sich in irgendeiner Konstellation einen Börsengang von Schalke vorstellen?

Allgemein ist zum Thema Rechtsformwechsel in der Vergangenheit viel gesagt worden. Aktuell ist das überhaupt kein Thema.

Das Interview führte

BZ+
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