Schnelltest-Boom gibt Rückenwind
mic München
Der anhaltende Verkaufsboom der Corona-Schnelltests überkompensiert steigende Logistikkosten von Siemens Healthineers. Das zweite Quartal zeige eine „Kombination aus Wachstum und Resilienz“, erklärte Vorstandsvorsitzender Bernd Montag in einer Telefonpressekonferenz. Er lobte die Leistung der Beschäftigten und wies auf zwei strukturelle Stärken hin: eine ausgewogene weltweite Präsenz und Preissetzung als Innovationsführer in vielen Bereichen. Der Medizintechnikspezialist erhöht daher zum zweiten Mal im laufenden Geschäftsjahr 2021/2022 (30. September) die Umsatz- und Gewinnprognose.
Die Erlöse sollen nun um 5,5 bis 7,5% wachsen. Zuvor war ein Wert von 3 bis 5% anvisiert worden. Entscheidender Faktor sind die Antigen-Schnelltests in der andauernden Covid-19-Pandemie. Es werden nun 1,3 Mrd. Euro erwartet statt 700 Mill. Euro. Nach sechs Monaten stehen bereits 1,0 Mrd. Euro zu Buche.
Der Gewinn pro Aktie soll zwischen 2,25 und 2,35 Euro landen (zuvor 2,18 bis 2,30 Euro). Hinter der höheren Profitabilität wirken zwei gegensätzliche Effekte. Einerseits treiben die Antigen-Schnelltests die bereinigte Ebit-Marge der Diagnostik-Sparte, sie soll nun im niedrigen bis mittleren Zehnerprozentbereich landen (zuvor niedriger Zehnerprozentbereich) – bei einem vergleichbaren Umsatzwachstum im mittleren einstelligen Prozentbereich (zuvor Rückgang im niedrigen einstelligen Prozentbereich). Andererseits rechnet Finanzvorstand Jochen Schmitz mit weiterhin hohen Beschaffungs- und Logistikkosten. Sie hätten die Marge im zweiten Quartal im Vorjahresvergleich um 1,5 Prozentpunkte gesenkt nach 1,0 Punkten im ersten Quartal. Im Gesamtjahr rechnet er daher im Segment Imaging trotz tendenziell höheren Umsatzwachstums (nun 6 bis 8% statt 5 bis 8%) mit einer bereinigten Ebit-Marge von 21 bis 22%, statt wie zuvor 22 bis 23% anzuvisieren. Im Vorjahr sind 21,1% erreicht worden.
Kaum Russland-Effekte
Montag nahm eindeutig Stellung zum Angriffskrieg Russlands: „Siemens Healthineers verurteilt den völkerrechtswidrigen Krieg Russlands in der Ukraine aufs Schärfste.“ Die aktuellen Entwicklungen hätten aber vergleichsweise geringe Auswirkungen auf das weltweite Healthineers- Geschäft. Denn Russland und Ukraine stellten nur rund 1% des globalen Umsatzes des Konzerns. In beiden Ländern habe Siemens Healthineers keinen Produktionsstandort, es sitze dort kein Schlüssellieferant.
Die erhöhten Beschaffungs- und Logistikkosten stammen Schmitz zufolge zum großen Teil aus dem Warentransport. Dies sei eine zyklische Branche, jedoch sei aktuell die Frage, wie lange die Phase hoher Preise anhalte: „Vom Prinzip her würde ich weiter an Zyklizität glauben.“ Siemens Healthineers habe mit den eigenen Absatzpreisen reagiert, sagte Montag. Es gebe einen Verzug, so dass man den Effekt der erhöhten Preisqualität noch nicht in der Gewinn-und-Verlust-Rechnung sehe.
Healthineers reagiert zudem auf die Diskussion, ob sich die deutsche Wirtschaft nach der Erfahrung mit dem imperialistisch agierenden Russland auf ähnliche Handlungen von China vorbereiten muss. „Wir wollen nicht davon abhängen im Rest der Welt, was in China passiert“, sagte Montag. China werde stärker, als dies früher der Fall gewesen sei, aus dem Land beliefert. Es gebe weniger Ex- und Importe. Im Segment Labordiagnostik sieht er noch Nachholbedarf. Es werde investiert, um die gleiche Flexibilität zu gewinnen.
Im zweiten Quartal stieg der Umsatz um 38% auf 5,5 Mrd. Euro, getrieben von der Varian-Erstkonsolidierung und den Antigen-Schnelltests. Bereinigt um diese Effekte legten die Erlöse um 4,4% zu. Das Verhältnis von Auftragseingang zum Umsatz betrug 1,22. Das bereinigte Ebit stieg überproportional um 47%, auch dank geringerem Aufwand für erfolgsabhängige Einkommenskomponenten. Die Halbierung des freien Mittelzuflusses erklärt Siemens Healthineers mit einem Bestandsaufbau von Vorräten, um die Lieferfähigkeit abzusichern.
Wertberichtigt Seite 6
Siemens Healthineers | ||
Konzernzahlen nach IFRS 1 | ||
1. Halbjahr | ||
in Mill. Euro | 2021/22 | 2020/21 |
Umsatz | 10 528 | 7 833 |
F+E-Kosten | 852 | 660 |
Vertrieb/Verwaltung | 1 629 | 1 118 |
Operatives Ergebnis 2 | 1 879 | 1 404 |
Bildgebung | 1 035 | 1 041 |
Labordiagnostik | 586 | 268 |
Varian 3 | 212 | – |
Neuartige Therapien117 | 136 | |
Berein. Ebit-Marge 2 (%)17,8 | 17,9 | |
Gewinn nach Steuern1 055 | 885 | |
Freier Cashflow | 719 | 1 027 |
1) Geschäftsjahr endet am 30. September 2) bereinigtes Ebit, bereinigt um Personalauf-wendungen und Aufwand aus Kaufpreis-Allokation 3) Kein Vergleichswert für 2020/2021Börsen-Zeitung |