Defaults

S&P erwartet mehr Kredit­ausfälle

Nur einen Kreditausfall gab es in diesem Jahr bis dato in Deutschland – die Glücksspielfirma Löwen Play. So ruhig wird es in der zweiten Jahreshälfte nicht weitergehen. S&P-Deutschlandchef Tobias Mock erwartet aufgrund der Inflation und der steigenden Zinsen eine deutlich zunehmende Zahl an Defaults.

S&P erwartet mehr Kredit­ausfälle

cru Frankfurt

In den letzten zwei Jahren sind die Gläubiger am Kapitalmarkt erstaunlich gut mit deutschen Unternehmen gefahren. Trotz Inflation und steigenden Zinsen hat es 2022 bis dato nur einen Kreditausfall bei den von der Ratingagentur S&P in Deutschland begutachteten Unternehmen gegeben. Dabei handelt es sich um die Safari Beteiligungs GmbH, der die Online-Spielothek Löwen Play gehört. Im Mai erhielt die Glücksspielfirma die gerichtliche Genehmigung für einen Umschuldungsplan, der aufgrund nachteiliger regulatorischer Änderungen und anhaltender Probleme durch die Pandemie erforderlich wurde.

So ruhig wird es aber absehbar nicht bleiben: „Wir erwarten bald deutlich mehr Ausfälle. Jetzt kommt wirklich Stress auf viele Unternehmen mit einer schlechten Bonitäts­note zu – vor allem wegen der höheren Refinanzierungskosten“, sagte S&P-Deutschlandchef Tobias Mock der Börsen-Zeitung. „Wir erwarten, dass 2022 bei 3% der Unternehmen mit einem spekulativen Rating von „BB+“ oder schlechter ein Kreditausfall eintreten wird. Das entspricht zwei bis drei weiteren Ausfällen in den nächsten sechs bis neun Monaten.“ Zum Vergleich: Im bisherigen Jahresverlauf war das europaweit bisher nur bei 0,9% der Fall.

Von den 115 Unternehmen in Deutschland, die ein öffentliches Rating von S&P anfertigen lassen, haben rund die Hälfte eine Bonitätsnote im spekulativen Bereich. Am stärksten gefährdet sind gemessen am Rating die Firmen mit einem „B−“­-Rating oder schlechter und negativem Ausblick. Als Kreditausfall wertet S&P, wenn Unternehmen entweder ihren Gläubigern einen Kapitalschnitt aufdrängen („distressed exchange offer“) oder Zins und Tilgung nicht wie vereinbart zahlen – oder wenn die Firmen Insolvenz anmelden. Insgesamt stehen rund 1,1 Bill. Euro an Schulden bei den 115 deutschen Unternehmen aus, die von S&P geratet werden. Von dieser riesigen Summe ist nur ein kleiner Bruchteil gefährdet. Der Großteil der Schulden liegt bei großen Unternehmen mit solidem Investment-Grade-Rating. Zu den Top-10-Schuldnern weltweit zählen VW, Daimler, BMW und Deutsche Telekom, die alle ein Investment-Grade-Rating haben.

„Im Moment herrscht noch Ruhe vor dem Sturm, weil es wenige Fälligkeiten im High-Yield-Bereich gibt“, sagte Mock. „Das wird sich 2023 ändern.“ Es habe in den fünf Monaten seit Februar 2022 fast keine Refinanzierungen mehr gegeben, weil viele Unternehmen die stark gestiegenen Risikoaufschläge meiden wollen und hoffen, dass sie sich später günstiger refinanzieren können.

„Ein noch größeres Problem haben viele Unternehmen mit der Inflation, weil ihnen das Kapital für den Einkauf fehlt und sie nicht alle die Marktmacht besitzen, um die gestiegenen Preise an ihre eigenen Kunden weiterzureichen“, beschreibt Mock die Situation. Darüber hinaus erwartet S&P, dass der Druck auf spekulativ eingestufte Unternehmensemittenten verschärft wird durch schwierige Finanzmärkte, die durch eine langsame Aktivität auf dem Primärmarkt für hochverzinsliche Anleihen gekennzeichnet sind, die seit Ende Februar 2022 die Refinanzierung von Emittenten niedrigerer Ratingkategorien einschränkt.

Diese Probleme könnten bei hochverzinslichen Emittenten in der DACH-Region stärker zu spüren sein als in anderen europäischen Ländern. Denn die deutsche Wirtschaft ist stark auf das verarbeitende Gewerbe ausgerichtet, das Rohstoffpreissteigerungen ausgesetzt ist. Die DACH-Länder sind in hohem Maße von Energieimporten aus Russland abhängig, und die Kreditkennzahlen der Emittenten haben sich noch nicht vollständig von der Pandemie erholt. Ein Wendepunkt im ersten Quartal deutet auf steigende Ausfallraten hin: Die positive Ratingdynamik, die die DACH-Region 2021 kennzeichnete, kam im ersten Quartal 2022 zum Stillstand, als Hochzinsemittenten zwei Heraufstufungen und drei Herabstufungen verzeichneten. Das Ergebnis des ersten Quartals stand auch im Widerspruch zum breiteren europäischen Hochzinsportfolio, wo es mehr Heraufstufungen gab.

„Es ist vielleicht noch zu früh, um einen Trend zu erkennen, da die Herabstufungen im ersten Quartal 2022 eher durch unternehmensspezifische Faktoren als durch makroökonomische Katalysatoren verursacht wurden“, meint Mock.

Zwei der drei Herabstufungen – Adler Group und Schur Flexibles – erfolgten kurz nach der Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten.

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