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Stimmung für Börsengänge schwankt

Bisher scheint 2021 ein Rekordjahr für Aktienemissionen zu werden. Doch der Börsengang von Suse am unteren Ende der Preisspanne sowie die IPO-Absagen des deutschen Internet-Neuwagenhändlers Meinauto und des schwedischen Payment-Spezialisten Trustly zeigen, dass die Investoren wählerisch werden.

Stimmung für Börsengänge schwankt

cru Frankfurt

Die euphorische Stimmung für Börsengänge hat sich seit März etwas eingetrübt. Die starken Schwankungen an den Kapitalmärkten mit einem S&P 500, der seit März 2020 um 89% auf ein Allzeithoch gestiegen war und jetzt zu schwächeln droht, sowie die IPO-Absage des deutschen Internet-Neuwagenhändlers Meinauto haben die Skepsis der Investoren verstärkt. Dennoch ist der Linux-Softwareanbieter Suse mit seinem milliardenschweren Börsengang am Ziel angelangt – begleitet von Bank of America und Morgan Stanley.

Das Unternehmen aus Nürnberg und sein Eigentümer, der schwedische Finanzinvestor EQT, legten den Ausgabepreis für 37,3 Millionen Suse-Aktien – das sind etwa 23% – auf 30 Euro je Aktie fest. Er liegt damit nicht ganz am unteren Ende der Spanne, die von 29 bis 34 Euro reichte. EQT verzichtete allerdings auf die Aufstockungsoption, so dass das Emissionsvolumen nur bei 1,12 Mrd. Euro liegt – gut die Hälfte davon für EQT. Suse feiert am heutigen Mittwoch die Erstnotierung an der Frankfurter Börse.

Zum Vertrauen der Investoren mag beigetragen haben, dass Vorstandschefin Melissa Di Donato, eine ehemalige SPA-Managerin, mehr als 8 Mill. Euro in neue Aktien aus dem Börsengang investiert. Der Hintergrund: Sie hat auf Basis des Management-Anreizprogramms 10 Mill. Euro ausbezahlt bekommen und kauft nun für mehr als 80% davon Aktien, wie sie selbst ankündigte.

Der Suse-Börsengang kommt nach einer schwierigen Woche mit einem Kursrückgang des Stoxx 600 um mehr als 3%. „Die Märkte quälten sich mit Inflationszahlen, der Volatilitätsindex Vix stieg auf 27 und mehrere IPOs in Europa wurden abgesagt“, fasst Sebastian Schiedat von der Bank Berenberg die Lage zusammen. Neben Meinauto sagten auch der schwedische Payment-Spezialist Trustly sowie die beiden spanischen Erneuerbare-Energien-Firmen Capital Energy und OPD Energy ihre Börsengänge vorerst ab. Doch auch so noch war es die drittstärkste Woche für Aktienemissionen in diesem Jahr.

Stars und Flops gemischt

Einige IPO-Aktien legten am ersten Handelstag zu, während andere beim Debüt abstürzten. Nun stellt sich die Frage, ob die Achterbahn der vergangenen Woche nur vorübergehender Inflationsangst geschuldet war – oder ob das Emissionsvolumen nach den Rekordwerten einbricht. Mehr als 75 Mrd. Euro haben Unternehmen in Europa bislang mit neuen Aktien eingesammelt, davon 26 Mrd. Euro aus IPOs – 20-mal so viel wie im Vorjahr. Wenn das Tempo anhält, wird 2021 absehbar zum Rekordjahr.

„Nach einer Reihe glanzloser Jahre sind Börsengänge bisher die Stars des Aktienmarkts im Jahr 2021 gewesen, aber ein Wackeln der Aktienmärkte im Laufe dieser Woche könnte den boomenden IPO-Markt gefährden“, warnt Schiedat. „Bei so viel Volumen, das auf den Markt kommt, werden die Investoren immer wählerischer, wo sie sich engagieren.“ Die Diskrepanz zwischen guten und schlechten Börsenneulingen wird zusehends größer – „die Gewinner gewinnen groß, und die Verlierer fallen weit zurück“.

So legte der Kurs des Schweizer Luftfahrtzulieferers Montana Aerospace mit einem Emissionsvolumen von 506 Mill. sfr, der von zwei Ankerinvestoren mit einem Anteil von 25% unterstützt wurde, beim Debüt um 33% zu, während Alphawave, ein Tech-Börsengang mit einem Volumen von 856 Mill. Pfund und einem Anteil von 42% für Ankerinvestoren, beim Debüt floppte und am ersten Handelstag sogar um 22% einbrach. Auch Evolution Gaming, Kahoot und Deliveroo hatten kräftig eingebüßt.

Es gibt viele Faktoren, die den Erfolg oder Misserfolg von IPOs am ersten Handelstag beeinflussen und einen Kurssprung bewirken können. Berenberg vermutet dahinter vor allem den „europäischen Börsengang im US-Stil“: Die IPOs von Montana Aerospace, Darktrace und Auction Technology Group waren mit Kapitalerhöhungen verbunden, die mit weniger als 500 Mill. Euro eine „vernünftige Größe“ hatten. Die Kurse seien stärker von Marktkräften getrieben als von bedeutenden Ankerinvestoren. Von den zehn schlechtesten IPOs waren dagegen acht mit Investments von Ankerinvestoren verbunden.

Berenberg hört nach eigenen Angaben von Investoren Aussagen wie, „der IPO-Markt braucht eine Pause“ sowie „zu viel da draußen“ und „so viel los wie noch nie“ oder „zu viele Deals“. Es ist kein Geheimnis, dass die Pipeline nach wie vor voll mit aussichtsreichen Transaktionen ist und das Potenzial hat, den bereits großartigen Start ins Jahr fortzusetzen. „Derzeit werden in Europa neun IPOs mit einem Transaktionswert von jeweils mehr als 50 Mill. Euro vermarktet, und weitere 80 stehen in den Startlöchern, die irgendwann in diesem Jahr an die Börse gehen könnten“, sagt Schiedat. „Wir erwarten eine starke Welle von Börsengängen im Juni, insbesondere in Kontinentaleuropa, neben Kapitalerhöhungen durch Unternehmen, die Akquisitionen tätigen wollen.“