Übernahme geplatzt

Twitter-Saga landet wohl vor Gericht

Elon Musk macht seine Drohung wahr und will Twitter nun doch nicht mehr kaufen. Der Übernahmekrimi um den Kurznachrichtendienst dürfte sich somit schon bald vor Gericht in Delaware fortsetzen. Dort sind in der Vergangenheit schon ähnliche Fälle entschieden worden − meist zugunsten der Übernahmeziele.

Twitter-Saga landet wohl vor Gericht

Reuters/Bloomberg/kro Frankfurt

Die turbulente Twitter-Übernahme durch Elon Musk hat die Chaos-Stufe erreicht: Der Tech-Milliardär und Tesla-Chef will den Kurznachrichtendienst nicht mehr kaufen. Zur Begründung verwiesen seine Anwälte auf angeblich unzureichende Angaben zur Zahl von Fake-Accounts. Was sich seit Monaten abgezeichnet hatte, wird damit nun offiziell. An der Börse gab die Aktie von Twitter am Montag im Handelsverlauf um fast 9% auf 33 Dollar nach.

Twitter hatte umgehend erklärt, den Deal vor Gericht durchboxen zu wollen, und dafür bereits eine auf Fusionsrecht spezialisierte Anwaltskanzlei angeheuert. Eine Klage soll bereits Anfang dieser Woche eingereicht werden, berichtete die Agentur Bloomberg unter Berufung auf Insider. Twitters Verwaltungsratschef Bret Taylor zeigte sich überzeugt, dass man sich in einem Rechtsstreit durchsetzen würde. „Der Vorstand ist entschlossen, die Transaktion zu dem Preis und den Bedingungen abzuschließen, die vereinbart wurden“, twitterte er. „Wir sind zuversichtlich, beim Delaware Court of Chancery zu siegen.“

Gute Chancen für Twitter

Experten zufolge hätte das Unternehmen gute Chancen, sich vor Gericht erfolgreich gegen den Rückzug von Musk zur Wehr zu setzen. Die Gerichte im US-Bundesstaat Delaware, wo der Streit ausgetragen werden könnte, haben die Messlatte für den Rückzug aus Übernahmen hoch gelegt. In den meisten Fällen entscheiden sie zugunsten der Unternehmen, die gekauft werden sollten. Bei ähnlich gearteten Rechtsstreitigkeiten wie dem zwischen Musk und Twitter sei in der Vergangenheit bislang nur einmal dem Käufer recht gegeben worden. Dabei ging es um den deutschen Gesundheitskonzern Fresenius Kabi, der 2018 vom Kauf der US-Firma Akorn zurückgetreten war. Damals hatte ein Gericht festgestellt, dass Akorns Zusicherungen an Fresenius nicht stimmten, wonach Akorn seine regulatorischen Verpflichtungen eingehalten hatte. Zudem hatte Akorn dem Richter zufolge Fakten über eine Verschlechterung ihrer Lage zurückgehalten.

Aus Sicht von Musk hat Twitter nun gegen die Kaufvereinbarung verstoßen, weil der Konzern ihm nicht genügend Informationen zur Verfügung gestellt hatte, um zu untermauern, dass nur weniger als 5 % der aktiven Twitter-Nutzer Spam oder gefälschte Konten seien. Twitter hatte an dieser Schätzung festgehalten, hält es aber auch für möglich, dass die Zahl höher ist. Musk selbst glaubt, dass es deutlich mehr als 5 % sind. Er hatte erklärt, dass die aus seiner Sicht falschen Angaben von Twitter über die Anzahl der Spam-Konten eine „wesentliche nachteilige Auswirkung“ (englisch: material adverse effect, MAE) darstellen könnten. Das ermögliche es ihm, gemäß den Vertragsbedingungen von dem Geschäft zurückzutreten.

Experten erklären jedoch, Gerichte in Delaware würden MAEs als dramatische, unerwartete Ereignisse betrachten, die einem Unternehmen langfristig schaden. Es sei nicht davon auszugehen, dass ungenaue Zahlen zu Spam-Konten für Twitter ein ebenso schwerwiegendes Vergehen darstellten wie die Probleme bei Akorn. „Wenn es vor Gericht geht, muss Musk mit hoher Wahrscheinlichkeit beweisen, dass die Spam-Kontonummern nicht nur falsch waren, sondern dass sie so falsch waren, dass sie erhebliche Auswirkungen auf die künftigen Einnahmen von Twitter haben werden“, sagt Ann Lipton, Vize-Dekanin für Forschung an der Tulane Law School.

Vergleich wäre einfacher

Musk hat auch erklärt, Twitter habe gegen Vereinbarungen verstoßen, indem der Kurznachrichtendienst zwei hochrangige Mitarbeiter ohne seine Zustimmung entlassen habe. „Das ist wahrscheinlich der einzige Punkt, der Bestand haben wird“, sagt Brian Quinn, Professor an der Boston College Law School. Er bezweifele aber, dass die Entlassungen so schwerwiegend seien, dass sie das Geschäft von Twitter beeinträchtigten. Letztendlich halten es die Experten auch für möglich, dass der Streit überhaupt nicht auf dem Klageweg, sondern über einen Vergleich bzw. über Neuverhandlungen zum Kaufpreis beigelegt wird. Verschmähte Unternehmen würden dies angesichts der hohen Rechtskosten und der großen Unsicherheit, die damit einhergehen, oft vorziehen.

So geschehen im Jahr 2020 bei der Übernahme des US-Juweliers Tiffany durch den französischen Luxuskonzern LVMH. LVMH wollte zunächst wieder aussteigen. Am Ende übernahm er Tiffany doch − allerdings wurde der Preis um 425 Mill. auf 15,8 Mrd. Dollar gesenkt.

Beobachter vermuten ohnehin, dass solche Neuverhandlungen von Anfang an das Ziel von Musk waren, um sich aus dem jetzt recht überteuert wirkenden Kauf herauszuwinden. Zu seinem Gebot wäre der Deal mehr als 44 Mrd. Dollar schwer, während Twitter an der Börse jetzt nur noch 26 Mrd. Dollar wert ist. Die Twitter-Aktie war wie der Kurs von Facebooks Mutter Meta oder der von Snap zuletzt in den Sog eines gigantischen Tech-Ausverkaufs geraten.

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