EU-Sieben-Punkte-Plan

Verzicht auf russisches Gas schwierig

Die Umsetzung des EU-Sieben-Punkte-Plans zur Reduzierung russischer Gasimporte um zwei Drittel wird eine große Herausforderung – selbst wenn man die vertraglichen Probleme außer Acht lässt und viel mehr LNG produziert wird. Das geht aus einer Studie des Oxford Institute for Energy Studies hervor.

Verzicht auf russisches Gas schwierig

cru Frankfurt

Mit einem Sieben-Punkte-Plan will die EU-Kommission die Einfuhren von russischem Gas in die EU, die 2021 bei 155 Mrd. Kubikmetern lagen, im Verlauf des Jahres 2022 um zwei Drittel bzw. 102 Mrd. Kubikmeter reduzieren. Diesem Ziel stehen erhebliche Schwierigkeiten entgegen, wie aus einer Studie des Oxford Institute for Energy Studies hervorgeht. Die britische Denkfabrik schätzt es als „unwahrscheinlich“ ein, dass das Ziel erreicht wird.

Konkret zielen die ersten drei Punkte des EU-Plans – mehr nichtrussische LNG-Importe, mehr nichtrussische Pipeline-Importe und mehr Biomethanproduktion – darauf ab, das nichtrussische Gasangebot um 63,5 Mrd. Kubikmeter zu erhöhen. Die nächsten vier Punkte – EU-weite Energieeinsparungen, Solarenergie auf Dächern, Wärmepumpen und eine Verringerung der Gasnachfrage im Stromsektor – zielen darauf ab, die Gesamtgasnachfrage um 38 Mrd. Kubikmeter zu senken. Zudem kündigte die Kommission ihre Absicht an, bis April 2022 einen Legislativvorschlag vorzulegen, der sicherstellen soll, dass die Füllstände der saisonalen Gasspeicher der EU bis zum 1. Oktober eines jeden Jahres 90 % der Speicherkapazität erreichen.

LNG nach Europa umleiten

Zur geplanten Erhöhung der Einfuhren von verflüssigtem Erdgas (LNG) um 50 Mrd. Kubikmeter konstatiert das Oxford-Energieinstitut, dass die EU-Importe von LNG im Januar und Februar 2022 bereits um gut 10 Mrd. Kubikmeter höher als 2021 lagen. „Um diesen Anstieg aufrechtzuerhalten, müssten alle Kapazitäten außerhalb der Iberischen Halbinsel und Maltas genutzt werden, ebenso wie LNG-Importe in das Vereinigte Königreich, die regasifiziert und über Pipelines nach Belgien und in die Niederlande exportiert werden würden“, warnt Oxford-Analyst Mike Fulwood. „Auf der Angebotsseite bedeutet der starke Anstieg des Angebots, dass potenziell LNG verfügbar sein könnte, wenn sich das weltweite LNG-Angebot 2022 von den vorübergehenden Unterbrechungen erholt und die neuen Lieferungen wie geplant anlaufen.“ Allerdings müsste eine beträchtliche Menge an LNG von anderen Märkten, insbesondere in Asien, abgezweigt werden. Selbst wenn die europäischen Preise hoch genug bleiben, um Lieferungen anzuziehen, würde dies eine Verringerung der LNG-Einfuhren auf vielen asiatischen Märkten, einschließlich China, erfordern. Das erscheine „unwahrscheinlich“.

Zur geplanten Erhöhung der Pipeline-Gasimporte um 10 Mrd. Kubikmeter merkt das Oxford-Institut an, eine Kombination aus Importen aus Aserbaidschan, Nordafrika (vor allem Algerien) und Norwegen auf dem Niveau der vergangenen Monate, die nicht durch ungeplante Ausfälle unterbrochen und durch die Verschiebung oder Einschränkung von Wartungsarbeiten aufrechterhalten wird, könnte die EU mit zusätzlichen 10 Mrd. Kubikmetern über Pipelines versorgen: „Die anhaltend hohen Preise würden solche Lieferungen sicherlich motivieren.“

Verbraucher müssten sparen

Das Ausmaß der Steigerung der Biomethanproduktion im Jahr 2022 um 120 % bzw. 3,5 Mrd. Kubikmeter, die zur Erreichung des EU-Ziels erforderlich wäre, bezeichnet das Oxford-Energieinstitut als „beängstigend“, obwohl die geringe Produktionsmenge 2021 bedeute, „dass ein starkes Wachstum von einer niedrigen Ausgangsbasis einfacher ist als von einer bereits großen Menge“.

Ebenfalls schwierig würden die geplanten Verbrauchsreduzierungen. EU-weite Energieeinsparungen, Solaranlagen auf Dächern und Wärmepumpen sollen den Gasbedarf in den Haushalten um 18 Mrd. Kubikmeter senken. Der Ausbau der Solarkapazitäten auf den Dächern und der Wärmepumpen scheint laut Oxford-Energieinstitut auf dem richtigen Weg zu sein, aber bis Ende 2022 würden die Außentemperaturen wahrscheinlich immer noch die Haupttriebkraft für die Gasnachfrage für Heizzwecke sein, so dass das Ziel von 18 Mrd. Kubikmetern vielleicht nur bei mildem Winterwetter und mit einer gewissen aktiven Beteiligung der Verbraucher erreicht werden könnte. Wie Anreize für die Verbraucher geschaffen werden können, den Thermostat herunterzudrehen, werde von großer Bedeutung. Sollte das Wetter 2022 jedoch kälter sein als 2021, dürfte es fast unmöglich sein, das Ziel von 18 Mrd. Kubikmetern zu erreichen.

Zur geplanten Senkung der Gasnachfrage im Stromsektor um 20 Mrd. Kubikmeter konstatieren die Oxford-Analysten: „Das Ziel scheint auf dem Papier erreichbar zu sein, und ein großer Teil der Reduzierung könnte sogar – theoretisch – durch den Einsatz zusätzlicher Wind- und Solarkapazitäten erreicht werden.“ Es sei jedoch mehr als wahrscheinlich, dass auch eine Umstellung auf andere Energiequellen erforderlich ist, vor allem auf Wasserkraft, Kohle und Kernkraft. Außerdem bedeute das Vorhandensein der physischen Kapazität zur Umstellung auf EU-Ebene – zumindest auf dem Papier – nicht unbedingt, dass sie auch umgesetzt wird. Wenn nicht die richtigen Anreize geschaffen würden, werde es nicht unbedingt einfach sein, wenn man die unterschiedlichen Situationen in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten bedenke.

Insgesamt wäre für eine Verringerung der Gasnachfrage eine Kombination aus Markttreibern und spezifischen Maßnahmen erforderlich, um das Ziel zu erreichen. Darüber hinaus könnten auch externe Bedingungen erforderlich sein, wie eine gute Verfügbarkeit von Wind- und Wasserkraft im Stromsektor und ein warmer Winter. Schließlich sei davon auszugehen, dass die hohen Gaspreise in den nächsten Monaten in allen Sektoren zu einem gewissen Nachfragerückgang führen, auch im Industriesektor, für den kein spezifisches Ziel für 2022 festgelegt wurde. Zusätzlich zum Sieben-Punkte-Plan ruft die Europäische Kommission offiziell dazu auf, bis zum 1. Oktober 2022 in der EU 90 Mrd. Kubikmeter Gasvorräte anzulegen. In Bezug auf die physische Infrastruktur gibt es laut Oxford-Energieinstitut kein Hindernis für eine solche Vorratsakkumulation. Zwischen 2011 und 2020 entsprachen die Vorräte Ende Oktober durchschnittlich 91 % der Speicherkapazität – mit einer Spanne von 84 bis 97 %. Zwischen 2016 – als die EU-Speicherkapazität ihr derzeitiges Niveau erreichte – und 2020 lagen die Lagerbestände Ende Oktober zwischen 88 Mrd. und 101 Mrd. Kubikmeter, bei einem Durchschnitt von 94 Mrd. Kubikmetern. „Eine Lagerhaltung von 90 Mrd. Kubikmetern – also 90 % der Speicherkapazität – zu Beginn des Winters ist also sicherlich nicht außergewöhnlich“, konstatieren die Oxford-Analysten.

Speichereignern fehlt Anreiz

Es stellen sich jedoch nach ihrer Einschätzung zwei große Herausforderungen: Erstens, ob die physischen Volumina zu einem Zeitpunkt verfügbar sein werden, zu dem das Angebot aus Russland gemieden wird, da ein solches Vorratsziel einen jährlichen Anstieg der Speicherinjektionen um 20 bis 25 Mrd. Kubikmeter im Vergleich zu 2021 impliziert. Zweitens sei fraglich, ob die Inhaber europäischer Speicherkapazitäten wie etwa Uniper angesichts der hohen Preise, die im Sommer 2022 herrschen dürften, wirtschaftlich motiviert sind, umfangreiche Speicherinjektionen vorzunehmen.

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