Deutsch-italienische Rüstungskooperationen

Berlins Rüstungspläne wecken Begehrlichkeiten in Italien

Der italienische Werftenkonzern Fincantieri arbeitet seit Jahrzehnten mit ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) zusammen und ist an einem Einstieg bei den Deutschen interessiert.

Berlins Rüstungspläne wecken Begehrlichkeiten in Italien

Berlins Rüstungspläne wecken Begehrlichkeiten in Italien

Unternehmen arbeiten verstärkt zusammen – Leonardo will bei Hensoldt aufstocken, Fincantieri ist an TKMS interessiert

bl Mailand

Der italienische Rüstungskonzern Leonardo hofft, von der gewaltigen deutschen Rüstungsoffensive zu profitieren. CEO Roberto Cingolani will auch deshalb die Zusammenarbeit mit deutschen Rüstungsunternehmen intensivieren. Auch andere Rüstungskonzerne in Italien wie Fincantieri sind an engeren Beziehungen zu deutschen Unternehmen interessiert. Die Börsenkurse der beiden Konzerne explodieren derzeit geradezu.

Rheinmetall und Leonardo haben im Oktober 2024 eine Absichtserklärung zum gemeinsamen Bau von Schützen- und Kampfpanzern getroffen, die in den nächsten Wochen unterzeichnet werden soll. Außerdem ist Leonardo laut CEO Roberto Cingolani an einer Aufstockung der Beteiligung am deutschen Rüstungskonzern Hensoldt von derzeit 23,8% interessiert. Zusammen mit Rheinmetall hat der italienische Rüstungskonzern überdies eine nicht bindende Offerte für die Rüstungssparte des Nutzfahrzeugherstellers Iveco in Bozen abgegeben.

Joint-Venture in La Spezia

Rheinmetall und Leonardo wollen in einem paritätischen Joint-Venture im ligurischen La Spezia Kampfpanzer vom Typ Panther und Schützenpanzer vom Typ Lynx bauen. Dabei soll es sich um eine italienisierte Form der beiden Produkte handeln: Von Leonardo sollen der Gefechtsturm, die Elektronik und die Waffenintegration kommen. Allein die italienischen Streitkräfte wollen bis 2040 rund 1050 Schützen- sowie 272 Kampfpanzer für insgesamt 24 Mrd. Euro abnehmen. Die ersten Lynx (aus deutscher Produktion) sind schon in Italien. Die beiden Partner planen aber auch Verkäufe an andere Länder.

Für Iveco Defence Vehicles interessieren sich auch die spanische Intra, die US-Investmentgesellschaft Bain Capital und angeblich der deutsch-französische Panzerbauer KNDS. Iveco will sich bis Jahresende von der Sparte trennen. Italienische Medien spekulieren über einen Verkaufspreis zwischen 0,5 und 1 Mrd. Euro.

Interesse an Übernahme

Der zu 71,3% staatliche Schiffbauer Fincantieri, der neben Kreuzfahrt- und Spezialschiffen sowie Jachten Fregatten und U-Boote produziert, würde die jahrzehntelange Partnerschaft mit ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) gern ausbauen. CEO Pierroberto Folgiero hat mehrmals sein Interesse auch an einer Übernahme der ThyssenKrupp-Tochter erklärt. Das lehnt die Bundesregierung, die zustimmen müsste, bisher ab.

Fincantieri hofft, seine Torpedos „Black shark“ künftig auf dem TKMS-U-Boot U212CD zum Einsatz zu bringen. Und Fincantieri und TKMS unterbreiten gemeinsam ein Angebot für den Bau eines U-Boots für die philippinische Marine. Folgiero sagte der Börsen-Zeitung: „Wir sind sehr offen für verschiedene Formen der Zusammenarbeit, sei es durch kommerzielle Partnerschaften oder durch umfassende strategische Initiativen.“

Politische Unterstützung

Raffaele Marchetti, Politikwissenschaftler und Direktor des Center for International and Strategic Studies CISS der Luiss-Universität in Rom, hält die Intensivierung der Zusammenarbeit im Rüstungssektor für unumgänglich. Nur dann könne die Branche im Wettbewerb mit den USA und China mithalten. „Es braucht dringend mehr europäische Integration und eine Reduzierung der Zahl unterschiedlicher Angebote. Das europäische Re-Arm-Programm ist ein positiver Schritt in diese Richtung“, sagte er der Börsen-Zeitung. Dazu brauche es aber politische Unterstützung und den „Mut, zu akzeptieren, dass dabei im Einzelfall auch ein nationaler Akteur verschwindet“.

Doch genau daran hapert es bisher. Das zeigt das Beispiel des deutschen Rüstungskonzerns Renk. Obwohl Italien an Renk keine strategischen Interessen hat und Renk nur eine Repräsentanz, aber keine Fertigung im Land hat, blockiert Rom die Aufstockung der Beteiligung von KNDS an dem Motor- und Getriebespezialisten um 18,4 Prozentpunkte auf 25,1%.

Handlungsdruck

Auch die Gespräche über eine Satelliten-Allianz von Leonardo mit Airbus und Thales (Projekt Bromo) kommen nicht voran. Cingolani erwartet, dass es noch Monate dauert, bis es Fortschritte gibt. Es gibt erheblichen Handlungsdruck unter anderem wegen der Konkurrenz des Starlink-Projekts von Elon Musk. Doch das vor allem von Airbus und der französischen Thales vorangetriebene Vorhaben stößt in Deutschland und Italien auf erhebliche Widerstände unter anderem aus kartellrechtlichen Gründen. Außerdem gibt es auf italienischer Seite Befürchtungen, Leonardo müsse hohe französische Schulden übernehmen.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.