Im InterviewBosch-Aufsichtsratschef Stefan Asenkerschbaumer

„Die gesamte globale Autoindustrie wird leiden“

Der Aufsichtsratsvorsitzende von Bosch, Stefan Asenkerschbaumer, befürchtet schwere Belastungen für die ganze Autobranche wegen der stark erhöhten US-Zölle. Die Arbeit für Aufsichtsräte wird aus seiner Sicht nicht nur deswegen immer anspruchsvoller.

„Die gesamte globale Autoindustrie wird leiden“

Im Interview: Stefan Asenkerschbaumer

„Die gesamte globale Autoindustrie wird leiden“

Der Aufsichtsratsvorsitzende von Bosch befürchtet schwere Belastungen durch die US-Zölle und stellt höhere Anforderungen an Aufsichtsräte fest

Bosch baut die Präsenz in den USA mit dem Heizungsgeschäft von Johnson Controls aus. Es ist für 8 Mrd. Dollar der bisher größte Zukauf. Im Autogeschäft rechnet der Aufsichtsratsvorsitzende Stefan Asenkerschbaumer trotz der lokalen Produktion in den USA mit erheblichen Belastungen.

Herr Asenkerschbaumer, im November 2021, zwei Monate vor Ihrem Wechsel vom CFO zum Aufsichtsratsvorsitzenden, sagten Sie im Interview der Börsen-Zeitung, Kern Ihrer Aufgabe sei, die tiefgreifende Transformation in der Autoindustrie zu bewältigen. Alles andere leite sich daraus ab. Gilt das noch?

Ja, bei dieser Einschätzung würde ich bleiben. Die Herausforderung ist allerdings noch größer und intensiver geworden als damals erwartet.

Warum?

Nehmen wir nur die Ankündigung der hohen Zölle von US-Präsident Trump. Das ist ein unerwarteter harter Schlag für den internationalen Handel, für die Exportnation Deutschland, für die Autobranche und für die Entwicklung von Bosch.

Wie reagiert Bosch darauf?

Wir hoffen natürlich immer noch, dass es eine Lösung im Dialog gibt. Wenn ein Einlenken wirklich scheitert, sollte die EU aber entsprechende Gegenmaßnahmen erlassen, um möglichst gleiche und faire Wettbewerbsbedingungen für alle Marktteilnehmer zu erreichen.

Und welche Auswirkungen hätte das für das internationale Produktionsnetzwerk von Bosch?

Seit Jahrzehnten verfolgt Bosch den Grundsatz, so viel wie möglich lokal für lokal zu produzieren und anzubieten. Da geht es aber nicht nur darum, unsere Produktionsstätten dort anzusiedeln, wo unsere Kunden sind. Wir versuchen auch die Zulieferströme in der jeweiligen Region zu halten. Da ist dem Unternehmen schon viel gelungen.

Es wäre aber noch mehr möglich, oder?

Ja. Aber vollkommen autark in einer Region wird niemand sein. Die komparativen Vorteile einzelner Länder zu nutzen, ist ja die große Stärke der globalisierten Wirtschaft. Davon abgesehen hat Bosch seine Präsenz in den USA zuletzt deutlich ausgeweitet.

Nämlich wie?

2023 hat das Unternehmen den Hydraulikanbieter Hydraforce gekauft. In die Halbleiterfabrik in Roseville in Kalifornien investiert die Bosch-Gruppe gerade nahezu 2 Mrd. Dollar. Und zuletzt die geplante Akquisition von Johnson Controls für 8 Mrd. Dollar mit den USA als einem der Hauptmärkte.

Der Kauf des Geschäfts mit Heizungen, Lüftungen und Klimaanlagen von Johnson Controls ist der bisher größte Zukauf von Bosch und soll Mitte dieses Jahres abgeschlossen sein. Also treffen die höheren Zölle Bosch gar nicht so hart?

Ich glaube, das trifft alle hart. Die Transformation zur Nachhaltigkeit ist bereits eine Herausforderung für die Unternehmen insbesondere in der Automobilindustrie. Das sieht man an der Margenentwicklung. Auch Bosch braucht ein besseres Ergebnis, um genügend Mittel für Innovation und Wachstum in dieser Übergangsphase zu haben. Zusätzliche Belastungen aus Zöllen verschärfen da die Situation.

Gewisse Vorteile haben wir dank unserer Präsenz in den USA.

Stefan Asenkerschbaumer, Aufsichtsratsvorsitzender von Bosch

Und doch hat Bosch in den USA eine bessere Ausgangsposition als zum Beispiel Audi und Porsche, die dort keine Werke haben.

Gewisse Vorteile haben wir dank unserer Präsenz in den USA. Aber wenn einige unserer wichtigsten Kunden – insbesondere die europäischen Autohersteller – belastet werden, trifft das mittelbar genauso auch uns. Die gesamte globale Automobilindustrie wird leiden.

Aufsichtsräte müssen sich angesichts dieser und vielfältiger anderer Risiken und Krisen immer mehr auch mit dem Tagesgeschäft von Unternehmen befassen. Gilt das auch für Bosch?

Wir befassen uns im Aufsichtsrat nicht direkt mit dem Tagesgeschäft. Der Blick auf die Strategie steht im Vordergrund, nicht das unmittelbar Operative. Die Auswirkungen strategischer Entscheidungen auf das Tagesgeschäft müssen wir aber auch im Auge behalten.

Was heißt das?

Im Umfeld der Unternehmen verändert sich so viel – insbesondere die Marktbedingungen, die Kundenstrukturen, der Wettbewerb, die Technologien. Das hat Implikationen für die Strategie und unmittelbar auch Konsequenzen im Tagesgeschäft.

Es geht nicht nur um Aufsicht, sondern verstärkt um Beratung des Managements. Wie stellt Bosch sicher, dass es genügend Sachverstand im Aufsichtsrat gibt?

Da sprechen Sie ein Spannungsfeld und gleichzeitig ein Optimierungsfeld an. Die erste der beiden Kernaufgaben ist die Aufsicht. Die ist inhaltlich deutlich vielfältiger und anspruchsvoller geworden. In den letzten fünf Jahren sind pro Jahr rund 1.000 neue Gesetze, Richtlinien und Regulierungen für Unternehmen in Europa hinzugekommen. Da geht es vor allem um Themen wie Nachhaltigkeit, IT, künstliche Intelligenz, Exportkontrolle. Notwendig sind deshalb eine entsprechende Qualifizierung und Schulungen.

Und die Beratung?

Da werden wir mit einer immer größeren Komplexität der strategischen Fragestellungen konfrontiert. Ganz wichtig ist aus meiner Sicht, dass sich der Aufsichtsrat trotz seiner Beschränkungen genügend Zeit für den Dialog nimmt. Strategische Implikationen lassen sich nicht mal kurz in einer Präsentation vermitteln. Ein intensiver Austausch ist erforderlich.

Innerhalb des Aufsichtsrats oder mit der Geschäftsführung?

Beides. Gerade in mitbestimmten Aufsichtsräten ist der Wissensstand unterschiedlich. Im Dialog versuchen wir, verschiedene Perspektiven zusammenzubringen. Im Verhältnis zur Geschäftsführung trifft es ein schöner Begriff aus dem Sport ganz gut: Sparringspartner.

Inwiefern?

Im Ringen um Argumente geht es darum, dass beide Partner besser werden – also Geschäftsführung und Aufsichtsrat. Das Ringen um die beste Lösung ist in der heutigen Zeit, in der es kaum mehr einfache Lösungen gibt, entscheidend.

Was zeichnet einen guten Aufsichtsrat aus?

Ein ganz wesentliches Element ist ein Gespür für unternehmerisches Wirken. Nicht nur im lokalen Umkreis, sondern auch international und in unterschiedlichen Kulturkreisen. Wir treffen uns deshalb nicht nur zu unseren Aufsichtsratssitzungen in Deutschland. Mitte letzten Jahres waren wir in China.

Für eine Sitzung?

Unter anderem. Wir haben dort aber auch einige Bosch-Werke besucht und Kunden getroffen. Wir standen im Austausch mit politischen Akteuren, mit Vertretern von Regionalregierungen. So konnten sich alle im Aufsichtsrat einen persönlichen Eindruck von China verschaffen.

Auf was kommt es außer diesem Gespür fürs Unternehmen noch an?

Sehr wichtig ist in der aktuellen Phase die Kompetenz in Finanzfragen. Also zum Beispiel: Wie stabil ist ein Unternehmen in einer Phase großer Herausforderungen wie der aktuellen Transformation? Oder: Wie kann man die begrenzten Mittel vernünftig und effizient einsetzen?

Wir haben natürlich immer wieder Kontakte mit Start-ups. Im Aufsichtsrat haben wir noch niemanden aus dieser Gruppe. Für die Zukunft ist das aber nicht ausgeschlossen.

Stefan Asenkerschbaumer

Ein großes Thema sind Digitalisierung und künstliche Intelligenz. Wie machen Sie sich für diese Themen fit?

Die Bereitschaft zum lebenslangen Lernen ist eine Grundvoraussetzung für Aufsichtsräte wie für alle Führungskräfte. Mit KI hatte ich mich schon als CFO vor fünf, sechs Jahren beschäftigt. Es ging um kaufmännische Themen. Mit den damaligen Kollegen in der Forschung haben wir Algorithmen für das Forecasting erarbeitet. Das Tool war in Teilen noch aussagekräftiger als die Programme unserer Controller.

Nutzt Bosch dieses Instrument für Geschäftsprognosen noch?

Ja. Wir entwickeln es mit immer mehr Daten ständig weiter.

In Ihrem Aufsichtsrat ist Elgar Fleisch, Professor für Informations- und Technologiemanagement in der Schweiz. Haben Sie noch andere Spezialisten für Digitalisierung und KI?

Ja, zu nennen sind hier insbesondere Martina Koederitz, die CEO von IBM Deutschland war, und Professor Kaschke, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Zeiss-Gruppe und Präsident des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft. Beide beschäftigen sich intensiv mit diesen Themen. Aber auch Eberhard Veit mit seiner industriellen Expertise und Peter Spuhler sind hier für uns wichtige Ratgeber.

Eberhard Veit war Vorstandsvorsitzender der Festo AG, eines Herstellers von Automatisierungstechnik. Peter Spuhler ist Präsident des Verwaltungsrats des Schienenfahrzeug-Produzenten Stadler Rail AG in der Schweiz.

In der Bahntechnik ändert sich die Technologie ebenfalls enorm. KI kann auch dort dazu beitragen, die Produktivität zu steigern.

Denken Sie auch daran, jüngere Menschen in den Aufsichtsrat zu holen, zum Beispiel Gründer von Technologieunternehmen? Die haben mitunter ja erfrischend andere Sichtweisen.

Das stimmt. Wir haben natürlich immer wieder Kontakte mit Start-ups. Im Aufsichtsrat haben wir noch niemanden aus dieser Gruppe. Für die Zukunft ist das aber nicht ausgeschlossen.

Zählt man die Pläne für einen Stellenabbau aller Geschäftssegmente von Bosch in Deutschland zusammen, ergibt sich eine Zahl von rund 13.000. Sie versuchen im Aufsichtsrat, auch die zehn Vertreter der Arbeitnehmerseite von der Notwendigkeit dieses harten Schnitts zu überzeugen. Warum gibt es trotzdem immer wieder Proteste der Belegschaft?

Es ist sehr wichtig, im Aufsichtsrat ein gemeinsames Verständnis auf der Basis von Fakten zu erzielen. Dazu gehört der Austausch von Argumenten auf einer sachlichen Ebene. Dass es trotzdem Proteste gibt, ist in einer tiefgreifenden Transformation ganz normal. Es gibt eben unterschiedliche Arten, Interessen zu artikulieren. Das gehört meines Erachtens auch zum Austausch, wenn so wesentliche Fragen auf dem Tisch liegen. Die zentrale Aufgabe des Aufsichtsrats ist es dann, immer wieder in einen Dialog zu treten. Und der muss letztlich auf die Interessen des Unternehmens ausgerichtet sein.

Geht es nicht um alle Stakeholder – also auch Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten und andere?

Natürlich. Das Unternehmensinteresse schließt für mich Kunden, die gesamte Lieferkette und alle anderen Beteiligten ein. Der Aufsichtsrat braucht einen 360-Grad-Blick – auch weil die Welt immer komplexer wird. Es geht nicht um Partikularinteressen.

Aus der Belegschaft gibt es Vorwürfe, die Unternehmensleitung gebe die vom Gründer Robert Bosch gepflegte Sozialpartnerschaft auf.

Das sehe ich anders: Bosch ist und bleibt ein werteorientiertes Unternehmen. Als entscheidende Werte hat uns Robert Bosch selbst mitgegeben, das Unternehmen kraftvoll weiterzuentwickeln und die finanzielle Unabhängigkeit stets zu gewährleisten. Das sind die beiden Kernverpflichtungen der Geschäftsführung und der Gesellschafter. Eine Anpassung der Beschäftigung in einer schwierigen Situation widerspricht deshalb überhaupt nicht der Sozialpartnerschaft. Da muss man nur zurückblicken.

In welche Zeit?

Robert Bosch musste sechs Jahre nach der Gründung fast 90 % seiner Mitarbeiter entlassen und nach dem Ersten Weltkrieg wieder 40 %. Im Interesse des Unternehmens war das auch damals notwendig.

Wird es dieses Mal wieder möglich sein, alle Arbeitsplätze sozialverträglich abzubauen?

Wenn wir den Anpassungsbedarf rasch angehen, dann können wir das schaffen. Das ist eine große Aufgabe – sowohl für die Arbeitnehmervertreter als auch für uns. Wir dürfen jetzt aber keine Zeit verlieren.

Das Interview führte Joachim Herr. Die vollständige Version lesen Sie auf boersen-zeitung.de

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